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Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816.

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aufgespeichert zu werden, Sache, Waare zu werden streben
wird.

Wenn eine Regierung die Masse der umlaufenden Geld-
zeichen plötzlich, willkührlich und bedeutend vermehrt, so wird
nicht bloß die Auseinandersetzungsfähigkeit der einzelnen Haus-
haltungen erhöht, sondern es entstehen ganz in demselben
Verhältnisse auch neue Verknüpfungen und Verpflichtungen
unter diesen Haushaltungen; mit andern Worten, die Regie-
rung kann das Sachgeld nicht vermehren, ohne das Credit-
geld zu vermehren; es reagirt also unmittelbar eine persön-
liche Gegenkraft gegen den sächlichen Ueberfluß. Weil aber
das Sachgeld nur willkührlich und von einer äußern Macht
gegeben ist, und nicht im Mittelpuncte der wirklich vorhan-
denen sächlichen Verhältnisse steht, so erhebt sich von der an-
dern Seite ein eben so künstlicher und scheinbarer Privatcre-
dit, der sich im Wucher und in der Agiotage vornehmlich
äußern wird. Dieses große ökonomische Scheinleben wird die
ganzen innern Verhältnisse der Haushaltung verderben; die
Organisation des Staates selbst wird in Unordnung gebracht
werden.

Aber nicht die Summe, nicht die Masse der Geldzeichen
muß als die Ursache dieser Uebel betrachtet werden, sondern
es ist die Willkühr in der Creation der Geldzeichen. Der
Staat hat an und für sich einen ganz unendlichen Credit:
wenn die Regierung in gleichem Maaße das innere ökonomi-
sche Leben zu steigern, die Wechselwirkung aller ökonomischen
Verhältnisse zu erhöhen versteht, so gibt es eigentlich keine Gränze
für die Vermehrung der Geldzeichen. Aber indem sie diese

aufgeſpeichert zu werden, Sache, Waare zu werden ſtreben
wird.

Wenn eine Regierung die Maſſe der umlaufenden Geld-
zeichen ploͤtzlich, willkuͤhrlich und bedeutend vermehrt, ſo wird
nicht bloß die Auseinanderſetzungsfaͤhigkeit der einzelnen Haus-
haltungen erhoͤht, ſondern es entſtehen ganz in demſelben
Verhaͤltniſſe auch neue Verknuͤpfungen und Verpflichtungen
unter dieſen Haushaltungen; mit andern Worten, die Regie-
rung kann das Sachgeld nicht vermehren, ohne das Credit-
geld zu vermehren; es reagirt alſo unmittelbar eine perſoͤn-
liche Gegenkraft gegen den ſaͤchlichen Ueberfluß. Weil aber
das Sachgeld nur willkuͤhrlich und von einer aͤußern Macht
gegeben iſt, und nicht im Mittelpuncte der wirklich vorhan-
denen ſaͤchlichen Verhaͤltniſſe ſteht, ſo erhebt ſich von der an-
dern Seite ein eben ſo kuͤnſtlicher und ſcheinbarer Privatcre-
dit, der ſich im Wucher und in der Agiotage vornehmlich
aͤußern wird. Dieſes große oͤkonomiſche Scheinleben wird die
ganzen innern Verhaͤltniſſe der Haushaltung verderben; die
Organiſation des Staates ſelbſt wird in Unordnung gebracht
werden.

Aber nicht die Summe, nicht die Maſſe der Geldzeichen
muß als die Urſache dieſer Uebel betrachtet werden, ſondern
es iſt die Willkuͤhr in der Creation der Geldzeichen. Der
Staat hat an und fuͤr ſich einen ganz unendlichen Credit:
wenn die Regierung in gleichem Maaße das innere oͤkonomi-
ſche Leben zu ſteigern, die Wechſelwirkung aller oͤkonomiſchen
Verhaͤltniſſe zu erhoͤhen verſteht, ſo gibt es eigentlich keine Graͤnze
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[303/0317] aufgeſpeichert zu werden, Sache, Waare zu werden ſtreben wird. Wenn eine Regierung die Maſſe der umlaufenden Geld- zeichen ploͤtzlich, willkuͤhrlich und bedeutend vermehrt, ſo wird nicht bloß die Auseinanderſetzungsfaͤhigkeit der einzelnen Haus- haltungen erhoͤht, ſondern es entſtehen ganz in demſelben Verhaͤltniſſe auch neue Verknuͤpfungen und Verpflichtungen unter dieſen Haushaltungen; mit andern Worten, die Regie- rung kann das Sachgeld nicht vermehren, ohne das Credit- geld zu vermehren; es reagirt alſo unmittelbar eine perſoͤn- liche Gegenkraft gegen den ſaͤchlichen Ueberfluß. Weil aber das Sachgeld nur willkuͤhrlich und von einer aͤußern Macht gegeben iſt, und nicht im Mittelpuncte der wirklich vorhan- denen ſaͤchlichen Verhaͤltniſſe ſteht, ſo erhebt ſich von der an- dern Seite ein eben ſo kuͤnſtlicher und ſcheinbarer Privatcre- dit, der ſich im Wucher und in der Agiotage vornehmlich aͤußern wird. Dieſes große oͤkonomiſche Scheinleben wird die ganzen innern Verhaͤltniſſe der Haushaltung verderben; die Organiſation des Staates ſelbſt wird in Unordnung gebracht werden. Aber nicht die Summe, nicht die Maſſe der Geldzeichen muß als die Urſache dieſer Uebel betrachtet werden, ſondern es iſt die Willkuͤhr in der Creation der Geldzeichen. Der Staat hat an und fuͤr ſich einen ganz unendlichen Credit: wenn die Regierung in gleichem Maaße das innere oͤkonomi- ſche Leben zu ſteigern, die Wechſelwirkung aller oͤkonomiſchen Verhaͤltniſſe zu erhoͤhen verſteht, ſo gibt es eigentlich keine Graͤnze fuͤr die Vermehrung der Geldzeichen. Aber indem ſie dieſe

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/317>, abgerufen am 27.11.2024.