Es ist dieses eine alte nur etwas vergessene Bemerkung, die sich im gemeinen Leben und bey Erwägung der ökonomi- schen Angelegenheiten des Privatmannes, in manche sehr be- kannte Formeln eingekleidet hat: je mehr der Mensch hat, je mehr will er haben, je mehr braucht er, je mehr fehlt ihm, oder: wer mit kleinen Summen hauszuhalten nicht versteht, der wird es mit großen Summen noch viel weniger vermö- gen; oder, im Gebiet des wissenschaftlichen Lebens: je mehr ich weiß, um so bestimmter erfahre ich, daß ich wenig weiß u. s. f. -- Es wäre also nach dieser sehr natürlichen Analo- gie sehr wahrscheinlich, daß die großen Geldmassen in der Staatshaushaltung nur dazu dienten, die Mängel dieser Staatshaushaltung noch viel fühlbarer, und die inneren Miß- verhältnisse augenscheinlicher zu machen.
Wenn zum Beyspiel ein Theil der Nation so gestellt wäre, daß ihm der Erwerb des Geldes besonders leicht, ein anderer Theil wieder, daß ihm dieser Erwerb besonders schwer fiele; wenn der Nährstand auf den besonderen Erwerb gerichtet, also beständiger Meister des Geldes, der Wehr- und Lehrstand hingegen auf die Sorge des Ganzen gerichtet, und dabey abhängig vom Gelde wäre, so könnten die vermehrten Massen des Geldes diesen organischen Fehler des Staates nur noch um vieles empfindlicher und gefährlicher machen. Es würde also, wie sich auch wirklich zeigt, das widersprechende Ge- schrey über Mangel und Ueberfluß des Geldes zugleich ver- nommen werden; und so könnten wir auch aus eben dieser wi- dersprechen Klage schließen, daß ein organischer Fehler vorhan- den sey, dem durch eine bloße Vermehrung des mangelnden,
Es iſt dieſes eine alte nur etwas vergeſſene Bemerkung, die ſich im gemeinen Leben und bey Erwaͤgung der oͤkonomi- ſchen Angelegenheiten des Privatmannes, in manche ſehr be- kannte Formeln eingekleidet hat: je mehr der Menſch hat, je mehr will er haben, je mehr braucht er, je mehr fehlt ihm, oder: wer mit kleinen Summen hauszuhalten nicht verſteht, der wird es mit großen Summen noch viel weniger vermoͤ- gen; oder, im Gebiet des wiſſenſchaftlichen Lebens: je mehr ich weiß, um ſo beſtimmter erfahre ich, daß ich wenig weiß u. ſ. f. — Es waͤre alſo nach dieſer ſehr natuͤrlichen Analo- gie ſehr wahrſcheinlich, daß die großen Geldmaſſen in der Staatshaushaltung nur dazu dienten, die Maͤngel dieſer Staatshaushaltung noch viel fuͤhlbarer, und die inneren Miß- verhaͤltniſſe augenſcheinlicher zu machen.
Wenn zum Beyſpiel ein Theil der Nation ſo geſtellt waͤre, daß ihm der Erwerb des Geldes beſonders leicht, ein anderer Theil wieder, daß ihm dieſer Erwerb beſonders ſchwer fiele; wenn der Naͤhrſtand auf den beſonderen Erwerb gerichtet, alſo beſtaͤndiger Meiſter des Geldes, der Wehr- und Lehrſtand hingegen auf die Sorge des Ganzen gerichtet, und dabey abhaͤngig vom Gelde waͤre, ſo koͤnnten die vermehrten Maſſen des Geldes dieſen organiſchen Fehler des Staates nur noch um vieles empfindlicher und gefaͤhrlicher machen. Es wuͤrde alſo, wie ſich auch wirklich zeigt, das widerſprechende Ge- ſchrey uͤber Mangel und Ueberfluß des Geldes zugleich ver- nommen werden; und ſo koͤnnten wir auch aus eben dieſer wi- derſprechen Klage ſchließen, daß ein organiſcher Fehler vorhan- den ſey, dem durch eine bloße Vermehrung des mangelnden,
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Es iſt dieſes eine alte nur etwas vergeſſene Bemerkung,
die ſich im gemeinen Leben und bey Erwaͤgung der oͤkonomi-
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kannte Formeln eingekleidet hat: je mehr der Menſch hat, je
mehr will er haben, je mehr braucht er, je mehr fehlt ihm,
oder: wer mit kleinen Summen hauszuhalten nicht verſteht,
der wird es mit großen Summen noch viel weniger vermoͤ-
gen; oder, im Gebiet des wiſſenſchaftlichen Lebens: je mehr
ich weiß, um ſo beſtimmter erfahre ich, daß ich wenig weiß
u. ſ. f. — Es waͤre alſo nach dieſer ſehr natuͤrlichen Analo-
gie ſehr wahrſcheinlich, daß die großen Geldmaſſen in der
Staatshaushaltung nur dazu dienten, die Maͤngel dieſer
Staatshaushaltung noch viel fuͤhlbarer, und die inneren Miß-
verhaͤltniſſe augenſcheinlicher zu machen.
Wenn zum Beyſpiel ein Theil der Nation ſo geſtellt waͤre,
daß ihm der Erwerb des Geldes beſonders leicht, ein anderer
Theil wieder, daß ihm dieſer Erwerb beſonders ſchwer fiele;
wenn der Naͤhrſtand auf den beſonderen Erwerb gerichtet,
alſo beſtaͤndiger Meiſter des Geldes, der Wehr- und Lehrſtand
hingegen auf die Sorge des Ganzen gerichtet, und dabey
abhaͤngig vom Gelde waͤre, ſo koͤnnten die vermehrten Maſſen
des Geldes dieſen organiſchen Fehler des Staates nur noch
um vieles empfindlicher und gefaͤhrlicher machen. Es wuͤrde
alſo, wie ſich auch wirklich zeigt, das widerſprechende Ge-
ſchrey uͤber Mangel und Ueberfluß des Geldes zugleich ver-
nommen werden; und ſo koͤnnten wir auch aus eben dieſer wi-
derſprechen Klage ſchließen, daß ein organiſcher Fehler vorhan-
den ſey, dem durch eine bloße Vermehrung des mangelnden,
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Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/308>, abgerufen am 04.12.2024.
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