Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

bürgerliche Ordnung mit einander ausmachen, bewußt wäre,
und mit jedem Athemzuge dieses geistige Element empfände,
der würde durch den wirklichen Besitz aller Dinge im Umkreise
des Staates nicht für den Verlust dieses Elementes entschädigt
werden können; denn er müßte ja erst die besonderen durch
Geburt, Gewohnheit, Erziehung entwickelten Organe auf-
geben, um den neuen Besitz zu empfinden. In solche Lage
werden die Menschen durch unvernünftige Emancipationen
und Freyheitsproclamationen versetzt; man nimmt ihnen das
Glück, wofür sie Organe haben, und erweckt die Begierde
nach einem andern, wofür die Organe fehlen.

Jeder also braucht besondere Organe, besonderes Eigen-
thum, besonderes Glück, um des Allgemeinen theilhaftig zu
werden; aber nur dadurch, daß er des Allgemeinen wirklich
theilhaftig wird, kann er sich bey seinem besondern Glück
dauerhaft beruhigen. Wer also das Gefühl des Ganzen,
welches alle einzelnen Besitzthümer in sich schließt, dem Ein-
zelnen versagt, der entzieht dem Einzelnen zugleich auch sei-
nen besondern Besitz, und jede Erweiterung dieses Besitzes
ist schon im Wesen verloren, ehe sie noch diesem Einzelnen
scheinbar zu Theil wird.

Es ist also klar, daß alle einzelnen Bürger im Staat
nur in so fern viel haben, besitzen, ruhig und dauerhaft
produciren können, in wie fern sie mit einander ein großes,
wohlhabendes und sicheres Haus ausmachen, das heißt: in
wie fern jeder als unzertrennliches Glied des Ganzen, ein un-
wandelbares Gefühl von der dauerhaften Wohlhabenheit des

buͤrgerliche Ordnung mit einander ausmachen, bewußt waͤre,
und mit jedem Athemzuge dieſes geiſtige Element empfaͤnde,
der wuͤrde durch den wirklichen Beſitz aller Dinge im Umkreiſe
des Staates nicht fuͤr den Verluſt dieſes Elementes entſchaͤdigt
werden koͤnnen; denn er muͤßte ja erſt die beſonderen durch
Geburt, Gewohnheit, Erziehung entwickelten Organe auf-
geben, um den neuen Beſitz zu empfinden. In ſolche Lage
werden die Menſchen durch unvernuͤnftige Emancipationen
und Freyheitsproclamationen verſetzt; man nimmt ihnen das
Gluͤck, wofuͤr ſie Organe haben, und erweckt die Begierde
nach einem andern, wofuͤr die Organe fehlen.

Jeder alſo braucht beſondere Organe, beſonderes Eigen-
thum, beſonderes Gluͤck, um des Allgemeinen theilhaftig zu
werden; aber nur dadurch, daß er des Allgemeinen wirklich
theilhaftig wird, kann er ſich bey ſeinem beſondern Gluͤck
dauerhaft beruhigen. Wer alſo das Gefuͤhl des Ganzen,
welches alle einzelnen Beſitzthuͤmer in ſich ſchließt, dem Ein-
zelnen verſagt, der entzieht dem Einzelnen zugleich auch ſei-
nen beſondern Beſitz, und jede Erweiterung dieſes Beſitzes
iſt ſchon im Weſen verloren, ehe ſie noch dieſem Einzelnen
ſcheinbar zu Theil wird.

Es iſt alſo klar, daß alle einzelnen Buͤrger im Staat
nur in ſo fern viel haben, beſitzen, ruhig und dauerhaft
produciren koͤnnen, in wie fern ſie mit einander ein großes,
wohlhabendes und ſicheres Haus ausmachen, das heißt: in
wie fern jeder als unzertrennliches Glied des Ganzen, ein un-
wandelbares Gefuͤhl von der dauerhaften Wohlhabenheit des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0025" n="11"/>
bu&#x0364;rgerliche Ordnung mit einander ausmachen, bewußt wa&#x0364;re,<lb/>
und mit jedem Athemzuge die&#x017F;es gei&#x017F;tige Element empfa&#x0364;nde,<lb/>
der wu&#x0364;rde durch den wirklichen Be&#x017F;itz aller Dinge im Umkrei&#x017F;e<lb/>
des Staates nicht fu&#x0364;r den Verlu&#x017F;t die&#x017F;es Elementes ent&#x017F;cha&#x0364;digt<lb/>
werden ko&#x0364;nnen; denn er mu&#x0364;ßte ja er&#x017F;t die be&#x017F;onderen durch<lb/>
Geburt, Gewohnheit, Erziehung entwickelten Organe auf-<lb/>
geben, um den neuen Be&#x017F;itz zu empfinden. In &#x017F;olche Lage<lb/>
werden die Men&#x017F;chen durch unvernu&#x0364;nftige Emancipationen<lb/>
und Freyheitsproclamationen ver&#x017F;etzt; man nimmt ihnen das<lb/>
Glu&#x0364;ck, wofu&#x0364;r &#x017F;ie Organe haben, und erweckt die Begierde<lb/>
nach einem andern, wofu&#x0364;r die Organe fehlen.</p><lb/>
          <p>Jeder al&#x017F;o braucht be&#x017F;ondere Organe, be&#x017F;onderes Eigen-<lb/>
thum, be&#x017F;onderes Glu&#x0364;ck, um des Allgemeinen theilhaftig zu<lb/>
werden; aber nur dadurch, daß er des Allgemeinen wirklich<lb/>
theilhaftig wird, kann er &#x017F;ich bey &#x017F;einem be&#x017F;ondern Glu&#x0364;ck<lb/>
dauerhaft beruhigen. Wer al&#x017F;o das Gefu&#x0364;hl des Ganzen,<lb/>
welches alle einzelnen Be&#x017F;itzthu&#x0364;mer in &#x017F;ich &#x017F;chließt, dem Ein-<lb/>
zelnen ver&#x017F;agt, der entzieht dem Einzelnen zugleich auch &#x017F;ei-<lb/>
nen be&#x017F;ondern Be&#x017F;itz, und jede Erweiterung die&#x017F;es Be&#x017F;itzes<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;chon im We&#x017F;en verloren, ehe &#x017F;ie noch die&#x017F;em Einzelnen<lb/>
&#x017F;cheinbar zu Theil wird.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t al&#x017F;o klar, daß alle einzelnen Bu&#x0364;rger im Staat<lb/>
nur in &#x017F;o fern viel haben, be&#x017F;itzen, ruhig und dauerhaft<lb/>
produciren ko&#x0364;nnen, in wie fern &#x017F;ie mit einander ein großes,<lb/>
wohlhabendes und &#x017F;icheres Haus ausmachen, das heißt: in<lb/>
wie fern jeder als unzertrennliches Glied des Ganzen, ein un-<lb/>
wandelbares Gefu&#x0364;hl von der dauerhaften Wohlhabenheit des<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0025] buͤrgerliche Ordnung mit einander ausmachen, bewußt waͤre, und mit jedem Athemzuge dieſes geiſtige Element empfaͤnde, der wuͤrde durch den wirklichen Beſitz aller Dinge im Umkreiſe des Staates nicht fuͤr den Verluſt dieſes Elementes entſchaͤdigt werden koͤnnen; denn er muͤßte ja erſt die beſonderen durch Geburt, Gewohnheit, Erziehung entwickelten Organe auf- geben, um den neuen Beſitz zu empfinden. In ſolche Lage werden die Menſchen durch unvernuͤnftige Emancipationen und Freyheitsproclamationen verſetzt; man nimmt ihnen das Gluͤck, wofuͤr ſie Organe haben, und erweckt die Begierde nach einem andern, wofuͤr die Organe fehlen. Jeder alſo braucht beſondere Organe, beſonderes Eigen- thum, beſonderes Gluͤck, um des Allgemeinen theilhaftig zu werden; aber nur dadurch, daß er des Allgemeinen wirklich theilhaftig wird, kann er ſich bey ſeinem beſondern Gluͤck dauerhaft beruhigen. Wer alſo das Gefuͤhl des Ganzen, welches alle einzelnen Beſitzthuͤmer in ſich ſchließt, dem Ein- zelnen verſagt, der entzieht dem Einzelnen zugleich auch ſei- nen beſondern Beſitz, und jede Erweiterung dieſes Beſitzes iſt ſchon im Weſen verloren, ehe ſie noch dieſem Einzelnen ſcheinbar zu Theil wird. Es iſt alſo klar, daß alle einzelnen Buͤrger im Staat nur in ſo fern viel haben, beſitzen, ruhig und dauerhaft produciren koͤnnen, in wie fern ſie mit einander ein großes, wohlhabendes und ſicheres Haus ausmachen, das heißt: in wie fern jeder als unzertrennliches Glied des Ganzen, ein un- wandelbares Gefuͤhl von der dauerhaften Wohlhabenheit des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/25
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/25>, abgerufen am 21.11.2024.