Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

Winkel nach Zahlen eingeführt, deren ausschließende Anwen-
dung nebenher die Veranlassung unzähliger beklagenswürdiger
Irrthümer, und des tieferen Verfalls der Geometrie gewor-
den. Der Winkel, oder die Neigung zweyer nach einem Ver-
einigungspuncte strebenden Richtungen, konnte nur in der
Totalität aller nach demselben Puncte möglichen Richtungen
befriedigend bestimmt werden, das heißt: er konnte wissen-
schaftlich angeschauet werden, nur vermittelst des Gegen-
winkels, den seine beyden Schenkel an ihrer entgegen ge-
setzten Seite mit einander bildeten, also nur in dem Kreise,
der um den Vereinigungspunct her beschrieben wurde, und
dieser Kreis war überhaupt in 360 gleiche Theile getheilt
worden.

Auf die Größe eines einzelnen unter diesen gleichen Thei-
len konnte zuförderst nichts ankommen, so wenig als auf die
Größe des Kreises in den der Winkel gedacht wurde; also
drückten diese Zahlen nur Verhältnisse und durchaus keine
Größen aus, obwohl dieß auch nur approximativ und ohne
mathematische Bestimmtheit. Also war der Kreis zwar der
Maaßstab des Winkels, jedoch in einem andern und völlig
entgegen gesetzten Sinne, als in welchem man sich eines
Längenmaaßstabes für die Messung der geraden Linie be-
diente.

Nach diesen und früheren Voraussetzungen gehört zur
geometrischen Bestimmung der geraden Linie wesentlich noth-
wendig der Winkel, zur Bestimmung des Winkels der Kreis.
Der Kreis aber, wie an einem andern Ort erwiesen werden
wird, ist nur zu bestimmen durch die Kugel. In allen diesen

Winkel nach Zahlen eingefuͤhrt, deren ausſchließende Anwen-
dung nebenher die Veranlaſſung unzaͤhliger beklagenswuͤrdiger
Irrthuͤmer, und des tieferen Verfalls der Geometrie gewor-
den. Der Winkel, oder die Neigung zweyer nach einem Ver-
einigungspuncte ſtrebenden Richtungen, konnte nur in der
Totalitaͤt aller nach demſelben Puncte moͤglichen Richtungen
befriedigend beſtimmt werden, das heißt: er konnte wiſſen-
ſchaftlich angeſchauet werden, nur vermittelſt des Gegen-
winkels, den ſeine beyden Schenkel an ihrer entgegen ge-
ſetzten Seite mit einander bildeten, alſo nur in dem Kreiſe,
der um den Vereinigungspunct her beſchrieben wurde, und
dieſer Kreis war uͤberhaupt in 360 gleiche Theile getheilt
worden.

Auf die Groͤße eines einzelnen unter dieſen gleichen Thei-
len konnte zufoͤrderſt nichts ankommen, ſo wenig als auf die
Groͤße des Kreiſes in den der Winkel gedacht wurde; alſo
druͤckten dieſe Zahlen nur Verhaͤltniſſe und durchaus keine
Groͤßen aus, obwohl dieß auch nur approximativ und ohne
mathematiſche Beſtimmtheit. Alſo war der Kreis zwar der
Maaßſtab des Winkels, jedoch in einem andern und voͤllig
entgegen geſetzten Sinne, als in welchem man ſich eines
Laͤngenmaaßſtabes fuͤr die Meſſung der geraden Linie be-
diente.

Nach dieſen und fruͤheren Vorausſetzungen gehoͤrt zur
geometriſchen Beſtimmung der geraden Linie weſentlich noth-
wendig der Winkel, zur Beſtimmung des Winkels der Kreis.
Der Kreis aber, wie an einem andern Ort erwieſen werden
wird, iſt nur zu beſtimmen durch die Kugel. In allen dieſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0243" n="229"/>
Winkel nach Zahlen eingefu&#x0364;hrt, deren aus&#x017F;chließende Anwen-<lb/>
dung nebenher die Veranla&#x017F;&#x017F;ung unza&#x0364;hliger beklagenswu&#x0364;rdiger<lb/>
Irrthu&#x0364;mer, und des tieferen Verfalls der Geometrie gewor-<lb/>
den. Der Winkel, oder die Neigung zweyer nach einem Ver-<lb/>
einigungspuncte &#x017F;trebenden Richtungen, konnte nur in der<lb/>
Totalita&#x0364;t aller nach dem&#x017F;elben Puncte mo&#x0364;glichen Richtungen<lb/>
befriedigend be&#x017F;timmt werden, das heißt: er konnte wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaftlich ange&#x017F;chauet werden, nur vermittel&#x017F;t des Gegen-<lb/>
winkels, den &#x017F;eine beyden Schenkel an ihrer entgegen ge-<lb/>
&#x017F;etzten Seite mit einander bildeten, al&#x017F;o nur in dem Krei&#x017F;e,<lb/>
der um den Vereinigungspunct her be&#x017F;chrieben wurde, und<lb/>
die&#x017F;er Kreis war u&#x0364;berhaupt in 360 gleiche Theile getheilt<lb/>
worden.</p><lb/>
          <p>Auf die Gro&#x0364;ße eines einzelnen unter die&#x017F;en gleichen Thei-<lb/>
len konnte zufo&#x0364;rder&#x017F;t nichts ankommen, &#x017F;o wenig als auf die<lb/>
Gro&#x0364;ße des Krei&#x017F;es in den der Winkel gedacht wurde; al&#x017F;o<lb/>
dru&#x0364;ckten die&#x017F;e Zahlen nur Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e und durchaus keine<lb/>
Gro&#x0364;ßen aus, obwohl dieß auch nur approximativ und ohne<lb/>
mathemati&#x017F;che Be&#x017F;timmtheit. Al&#x017F;o war der Kreis zwar der<lb/>
Maaß&#x017F;tab des Winkels, jedoch in einem andern und vo&#x0364;llig<lb/>
entgegen ge&#x017F;etzten Sinne, als in welchem man &#x017F;ich eines<lb/>
La&#x0364;ngenmaaß&#x017F;tabes fu&#x0364;r die Me&#x017F;&#x017F;ung der geraden Linie be-<lb/>
diente.</p><lb/>
          <p>Nach die&#x017F;en und fru&#x0364;heren Voraus&#x017F;etzungen geho&#x0364;rt zur<lb/>
geometri&#x017F;chen Be&#x017F;timmung der geraden Linie we&#x017F;entlich noth-<lb/>
wendig der Winkel, zur Be&#x017F;timmung des Winkels der Kreis.<lb/>
Der Kreis aber, wie an einem andern Ort erwie&#x017F;en werden<lb/>
wird, i&#x017F;t nur zu be&#x017F;timmen durch die Kugel. In allen die&#x017F;en<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0243] Winkel nach Zahlen eingefuͤhrt, deren ausſchließende Anwen- dung nebenher die Veranlaſſung unzaͤhliger beklagenswuͤrdiger Irrthuͤmer, und des tieferen Verfalls der Geometrie gewor- den. Der Winkel, oder die Neigung zweyer nach einem Ver- einigungspuncte ſtrebenden Richtungen, konnte nur in der Totalitaͤt aller nach demſelben Puncte moͤglichen Richtungen befriedigend beſtimmt werden, das heißt: er konnte wiſſen- ſchaftlich angeſchauet werden, nur vermittelſt des Gegen- winkels, den ſeine beyden Schenkel an ihrer entgegen ge- ſetzten Seite mit einander bildeten, alſo nur in dem Kreiſe, der um den Vereinigungspunct her beſchrieben wurde, und dieſer Kreis war uͤberhaupt in 360 gleiche Theile getheilt worden. Auf die Groͤße eines einzelnen unter dieſen gleichen Thei- len konnte zufoͤrderſt nichts ankommen, ſo wenig als auf die Groͤße des Kreiſes in den der Winkel gedacht wurde; alſo druͤckten dieſe Zahlen nur Verhaͤltniſſe und durchaus keine Groͤßen aus, obwohl dieß auch nur approximativ und ohne mathematiſche Beſtimmtheit. Alſo war der Kreis zwar der Maaßſtab des Winkels, jedoch in einem andern und voͤllig entgegen geſetzten Sinne, als in welchem man ſich eines Laͤngenmaaßſtabes fuͤr die Meſſung der geraden Linie be- diente. Nach dieſen und fruͤheren Vorausſetzungen gehoͤrt zur geometriſchen Beſtimmung der geraden Linie weſentlich noth- wendig der Winkel, zur Beſtimmung des Winkels der Kreis. Der Kreis aber, wie an einem andern Ort erwieſen werden wird, iſt nur zu beſtimmen durch die Kugel. In allen dieſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/243
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/243>, abgerufen am 22.11.2024.