bedürfniß also ist der Maaßstab bey allem Verkehr, man möge nun mit dem bloßen Glauben daran oder mit Wort- gelde, oder man möge mit Sachen bezahlen, die, weil sie von sehr vielen begehrt werden, wie Vieh, Salz, Nägel u. s. f. dem Gesammtbedürfniß selbst sehr ähnlich sehen, ihm sehr nahe kommen, und es daher sehr täuschend repräsen- tiren.
Ich habe schon früher erwiesen, daß man sich das Geld immer einseitig und unvollkommen denkt, wenn man etwas Geringeres darunter versteht, als das Bedürfniß der Gesell- schaft selbst, oder die Gegenwart des Staats bey allen ein- zelnen Geschäften des bürgerlichen Lebens; nun aber hätte ich noch zu zeigen, daß die beyden früher erwähnten Grundfor- men des Geldes, das Wortgeld und das Sachgeld (welches letztere weiter ausgebildet zum Metallgelde wird) auch in diesem frühesten Zustande der Gesellschaft ihrem Wesen nach vorkommen müssen. Denn da nach meiner Ansicht der Dinge, das Geld nur unter der Wechselwirkung dieser beyden Grund- formen existirt und erscheint, so muß ich das Vorhandenseyn dieser beyden Formen von Anfang der Dinge her beweisen, wenn ich die Unerfundenheit und Ewigkeit des Geldes dar- thun will.
In jenen Zeiten wo es nach der Voraussetzung der bis- herigen staatswirthschaftlichen Theorien nur Tausch, aber noch keinen Handel gegeben hat, sind viele Tauschumsätze, heißt es, aus Mangel des Geldes, und wegen der Ungleich- heit der gegen einander umzusetzenden Objecte, wegen der Unmöglichkeit sich aus einander zu setzen, unterblieben. Ich
beduͤrfniß alſo iſt der Maaßſtab bey allem Verkehr, man moͤge nun mit dem bloßen Glauben daran oder mit Wort- gelde, oder man moͤge mit Sachen bezahlen, die, weil ſie von ſehr vielen begehrt werden, wie Vieh, Salz, Naͤgel u. ſ. f. dem Geſammtbeduͤrfniß ſelbſt ſehr aͤhnlich ſehen, ihm ſehr nahe kommen, und es daher ſehr taͤuſchend repraͤſen- tiren.
Ich habe ſchon fruͤher erwieſen, daß man ſich das Geld immer einſeitig und unvollkommen denkt, wenn man etwas Geringeres darunter verſteht, als das Beduͤrfniß der Geſell- ſchaft ſelbſt, oder die Gegenwart des Staats bey allen ein- zelnen Geſchaͤften des buͤrgerlichen Lebens; nun aber haͤtte ich noch zu zeigen, daß die beyden fruͤher erwaͤhnten Grundfor- men des Geldes, das Wortgeld und das Sachgeld (welches letztere weiter ausgebildet zum Metallgelde wird) auch in dieſem fruͤheſten Zuſtande der Geſellſchaft ihrem Weſen nach vorkommen muͤſſen. Denn da nach meiner Anſicht der Dinge, das Geld nur unter der Wechſelwirkung dieſer beyden Grund- formen exiſtirt und erſcheint, ſo muß ich das Vorhandenſeyn dieſer beyden Formen von Anfang der Dinge her beweiſen, wenn ich die Unerfundenheit und Ewigkeit des Geldes dar- thun will.
In jenen Zeiten wo es nach der Vorausſetzung der bis- herigen ſtaatswirthſchaftlichen Theorien nur Tauſch, aber noch keinen Handel gegeben hat, ſind viele Tauſchumſaͤtze, heißt es, aus Mangel des Geldes, und wegen der Ungleich- heit der gegen einander umzuſetzenden Objecte, wegen der Unmoͤglichkeit ſich aus einander zu ſetzen, unterblieben. Ich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0215"n="201"/>
beduͤrfniß alſo iſt der Maaßſtab bey allem Verkehr, man<lb/>
moͤge nun mit dem bloßen Glauben daran oder mit Wort-<lb/>
gelde, oder man moͤge mit Sachen bezahlen, die, weil ſie<lb/>
von ſehr vielen begehrt werden, wie Vieh, Salz, Naͤgel u.<lb/>ſ. f. dem Geſammtbeduͤrfniß ſelbſt ſehr aͤhnlich ſehen, ihm<lb/>ſehr nahe kommen, und es daher ſehr taͤuſchend repraͤſen-<lb/>
tiren.</p><lb/><p>Ich habe ſchon fruͤher erwieſen, daß man ſich das Geld<lb/>
immer einſeitig und unvollkommen denkt, wenn man etwas<lb/>
Geringeres darunter verſteht, als das Beduͤrfniß der Geſell-<lb/>ſchaft ſelbſt, oder die Gegenwart des Staats bey allen ein-<lb/>
zelnen Geſchaͤften des buͤrgerlichen Lebens; nun aber haͤtte ich<lb/>
noch zu zeigen, daß die beyden fruͤher erwaͤhnten Grundfor-<lb/>
men des Geldes, das Wortgeld und das Sachgeld (welches<lb/>
letztere weiter ausgebildet zum Metallgelde wird) auch in<lb/>
dieſem fruͤheſten Zuſtande der Geſellſchaft ihrem Weſen nach<lb/>
vorkommen muͤſſen. Denn da nach meiner Anſicht der Dinge,<lb/>
das Geld nur unter der Wechſelwirkung dieſer beyden Grund-<lb/>
formen exiſtirt und erſcheint, ſo muß ich das Vorhandenſeyn<lb/>
dieſer beyden Formen von Anfang der Dinge her beweiſen,<lb/>
wenn ich die Unerfundenheit und Ewigkeit des Geldes dar-<lb/>
thun will.</p><lb/><p>In jenen Zeiten wo es nach der Vorausſetzung der bis-<lb/>
herigen ſtaatswirthſchaftlichen Theorien nur Tauſch, aber<lb/>
noch keinen Handel gegeben hat, ſind viele Tauſchumſaͤtze,<lb/>
heißt es, aus Mangel des Geldes, und wegen der Ungleich-<lb/>
heit der gegen einander umzuſetzenden Objecte, wegen der<lb/>
Unmoͤglichkeit ſich aus einander zu ſetzen, unterblieben. Ich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[201/0215]
beduͤrfniß alſo iſt der Maaßſtab bey allem Verkehr, man
moͤge nun mit dem bloßen Glauben daran oder mit Wort-
gelde, oder man moͤge mit Sachen bezahlen, die, weil ſie
von ſehr vielen begehrt werden, wie Vieh, Salz, Naͤgel u.
ſ. f. dem Geſammtbeduͤrfniß ſelbſt ſehr aͤhnlich ſehen, ihm
ſehr nahe kommen, und es daher ſehr taͤuſchend repraͤſen-
tiren.
Ich habe ſchon fruͤher erwieſen, daß man ſich das Geld
immer einſeitig und unvollkommen denkt, wenn man etwas
Geringeres darunter verſteht, als das Beduͤrfniß der Geſell-
ſchaft ſelbſt, oder die Gegenwart des Staats bey allen ein-
zelnen Geſchaͤften des buͤrgerlichen Lebens; nun aber haͤtte ich
noch zu zeigen, daß die beyden fruͤher erwaͤhnten Grundfor-
men des Geldes, das Wortgeld und das Sachgeld (welches
letztere weiter ausgebildet zum Metallgelde wird) auch in
dieſem fruͤheſten Zuſtande der Geſellſchaft ihrem Weſen nach
vorkommen muͤſſen. Denn da nach meiner Anſicht der Dinge,
das Geld nur unter der Wechſelwirkung dieſer beyden Grund-
formen exiſtirt und erſcheint, ſo muß ich das Vorhandenſeyn
dieſer beyden Formen von Anfang der Dinge her beweiſen,
wenn ich die Unerfundenheit und Ewigkeit des Geldes dar-
thun will.
In jenen Zeiten wo es nach der Vorausſetzung der bis-
herigen ſtaatswirthſchaftlichen Theorien nur Tauſch, aber
noch keinen Handel gegeben hat, ſind viele Tauſchumſaͤtze,
heißt es, aus Mangel des Geldes, und wegen der Ungleich-
heit der gegen einander umzuſetzenden Objecte, wegen der
Unmoͤglichkeit ſich aus einander zu ſetzen, unterblieben. Ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/215>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.