Produktion aller seiner Nachbarn beurtheilen zu können. Weil er verlangt, daß seine Arbeit immer denselben oder doch regel- mäßig steigenden Genuß abwerfe, die Genußmittel aber von allen seinen Mitbürgern, einzeln durch Arbeit herbey geschafft werden, so strebt er das Verhältniß seiner Arbeit zur Arbeit der übrigen gleich zu erhalten. Er begehrt deßhalb in den Mün- zen, Maaßen und Gewichten, einen sichern Maaßstab, der in dem weitmöglichsten Umkreise, vor allen Dingen im Staate, wo möglich aber gar überall auf der Erde ein und derselbe sey. Er verlangt noch mehr: dieser Maaßstab soll in der längst- möglichen Zeit ein und derselbe bleiben, so daß die Arbeit seines Vorfahrs, vor einem Jahrhundert, in solchem Maaß- stabe ausgedrückt, noch heute in demselbigen Verhältniß zu aller übrigen Arbeit stehe, und also relativ eben so viel Genuß- mittel gewähre, als damahls. --
Nun gibt es überall auch wirklich solchen Maaßstab, nur daß jedes ökonomische Gebiet, wie Nelkenbrechers Taschenbuch ausweist, einen verschiedenen hat, und daß, wenn wir jeden Einzelnen dieser Maaßstäbe im Verhältniß dessen, was damit gemessen worden, durch verschiedene Zeiträume betrachten, die größten Veränderungen wahrgenommen werden. Wenn wir uns bloß an die Erfahrung halten, so scheint es, als wenn dieses Verlangen des Menschen nicht befriedigt werden könne.
Aber untersuchen wir die Natur dieser Forderung, eines dauerhaften und gleichförmigen Maaßstabes für die Abschätzung der ökonomischen Werthe, näher. Was soll uns ein Maaßstab überhaupt leisten? -- Er soll uns die Gleichheit zweyer Dinge bestimmen helfen, zweyer Längen, zweyer Flächen, zweyer
Produktion aller ſeiner Nachbarn beurtheilen zu koͤnnen. Weil er verlangt, daß ſeine Arbeit immer denſelben oder doch regel- maͤßig ſteigenden Genuß abwerfe, die Genußmittel aber von allen ſeinen Mitbuͤrgern, einzeln durch Arbeit herbey geſchafft werden, ſo ſtrebt er das Verhaͤltniß ſeiner Arbeit zur Arbeit der uͤbrigen gleich zu erhalten. Er begehrt deßhalb in den Muͤn- zen, Maaßen und Gewichten, einen ſichern Maaßſtab, der in dem weitmoͤglichſten Umkreiſe, vor allen Dingen im Staate, wo moͤglich aber gar uͤberall auf der Erde ein und derſelbe ſey. Er verlangt noch mehr: dieſer Maaßſtab ſoll in der laͤngſt- moͤglichen Zeit ein und derſelbe bleiben, ſo daß die Arbeit ſeines Vorfahrs, vor einem Jahrhundert, in ſolchem Maaß- ſtabe ausgedruͤckt, noch heute in demſelbigen Verhaͤltniß zu aller uͤbrigen Arbeit ſtehe, und alſo relativ eben ſo viel Genuß- mittel gewaͤhre, als damahls. —
Nun gibt es uͤberall auch wirklich ſolchen Maaßſtab, nur daß jedes oͤkonomiſche Gebiet, wie Nelkenbrechers Taſchenbuch ausweist, einen verſchiedenen hat, und daß, wenn wir jeden Einzelnen dieſer Maaßſtaͤbe im Verhaͤltniß deſſen, was damit gemeſſen worden, durch verſchiedene Zeitraͤume betrachten, die groͤßten Veraͤnderungen wahrgenommen werden. Wenn wir uns bloß an die Erfahrung halten, ſo ſcheint es, als wenn dieſes Verlangen des Menſchen nicht befriedigt werden koͤnne.
Aber unterſuchen wir die Natur dieſer Forderung, eines dauerhaften und gleichfoͤrmigen Maaßſtabes fuͤr die Abſchaͤtzung der oͤkonomiſchen Werthe, naͤher. Was ſoll uns ein Maaßſtab uͤberhaupt leiſten? — Er ſoll uns die Gleichheit zweyer Dinge beſtimmen helfen, zweyer Laͤngen, zweyer Flaͤchen, zweyer
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Produktion aller ſeiner Nachbarn beurtheilen zu koͤnnen. Weil
er verlangt, daß ſeine Arbeit immer denſelben oder doch regel-
maͤßig ſteigenden Genuß abwerfe, die Genußmittel aber von
allen ſeinen Mitbuͤrgern, einzeln durch Arbeit herbey geſchafft
werden, ſo ſtrebt er das Verhaͤltniß ſeiner Arbeit zur Arbeit
der uͤbrigen gleich zu erhalten. Er begehrt deßhalb in den Muͤn-
zen, Maaßen und Gewichten, einen ſichern Maaßſtab, der in
dem weitmoͤglichſten Umkreiſe, vor allen Dingen im Staate,
wo moͤglich aber gar uͤberall auf der Erde ein und derſelbe
ſey. Er verlangt noch mehr: dieſer Maaßſtab ſoll in der laͤngſt-
moͤglichen Zeit ein und derſelbe bleiben, ſo daß die Arbeit
ſeines Vorfahrs, vor einem Jahrhundert, in ſolchem Maaß-
ſtabe ausgedruͤckt, noch heute in demſelbigen Verhaͤltniß zu
aller uͤbrigen Arbeit ſtehe, und alſo relativ eben ſo viel Genuß-
mittel gewaͤhre, als damahls. —
Nun gibt es uͤberall auch wirklich ſolchen Maaßſtab, nur
daß jedes oͤkonomiſche Gebiet, wie Nelkenbrechers Taſchenbuch
ausweist, einen verſchiedenen hat, und daß, wenn wir jeden
Einzelnen dieſer Maaßſtaͤbe im Verhaͤltniß deſſen, was damit
gemeſſen worden, durch verſchiedene Zeitraͤume betrachten, die
groͤßten Veraͤnderungen wahrgenommen werden. Wenn wir
uns bloß an die Erfahrung halten, ſo ſcheint es, als wenn
dieſes Verlangen des Menſchen nicht befriedigt werden koͤnne.
Aber unterſuchen wir die Natur dieſer Forderung, eines
dauerhaften und gleichfoͤrmigen Maaßſtabes fuͤr die Abſchaͤtzung
der oͤkonomiſchen Werthe, naͤher. Was ſoll uns ein Maaßſtab
uͤberhaupt leiſten? — Er ſoll uns die Gleichheit zweyer Dinge
beſtimmen helfen, zweyer Laͤngen, zweyer Flaͤchen, zweyer
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Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/200>, abgerufen am 21.07.2024.
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