Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

Sachen und Naturkräfte, was waren selbst in späteren un-
heiligeren Zeiten diese bewaffneten Sclavenrotten, welche die
Selbstherrscher umgaben, und nach Belieben über ihre Krone
schalteten -- anders, als dieselbige Willkühr, die niemand
über die Dinge ausüben kann, ohne daß die Dinge sie wieder
über ihn ausübten. --

Freyheit nannten sie dieses Wesen: ein Euphemismus des
ganzen heidnischen Alterthums; und wo sie noch sonst un-
heimliche Dinge mit freundlichen Worten und schmeichelnden
Bildern verkleideten, waren es immer einzelne Züge derselben
schrecklichen Larve: Sprache, Philosophie, Kunst, mußten
alle ihre Zauber aufwenden, damit sie nur ertragen werden
konnte.

So waren die Heiden! im Laufe der letztverflossenen Jahr-
hunderte ist diese thörichte Gesinnung zurück gekehrt: die
Dinge sollen wieder privateigenthümlich dem Menschen unter-
worfen werden, und so ist das alte Fatum auch unmittelbar
wieder zugegen, und der Mensch zu einem Spielzeuge in den
Händen desselben herabgesunken: ohne Euphemismus! der
Weltmarkt und der Weltkrieg sind unser Fatum; Gold,
Colonialwaaren und dergleichen sind unsere Götter; und so
sind es selbst Sclaven ihrer Sclaven, welche die Welt be-
herrschen.

Wahrscheinlich wird man noch lange fortfahren, die
Quelle unseres Elends ganz wo anders zu suchen, als wo sie
liegt: ein edler Schriftsteller hat die Verrückung der gegen-
wärtigen Generation: Gottesscheu genannt; und wo dem

Sachen und Naturkraͤfte, was waren ſelbſt in ſpaͤteren un-
heiligeren Zeiten dieſe bewaffneten Sclavenrotten, welche die
Selbſtherrſcher umgaben, und nach Belieben uͤber ihre Krone
ſchalteten — anders, als dieſelbige Willkuͤhr, die niemand
uͤber die Dinge ausuͤben kann, ohne daß die Dinge ſie wieder
uͤber ihn ausuͤbten. —

Freyheit nannten ſie dieſes Weſen: ein Euphemismus des
ganzen heidniſchen Alterthums; und wo ſie noch ſonſt un-
heimliche Dinge mit freundlichen Worten und ſchmeichelnden
Bildern verkleideten, waren es immer einzelne Zuͤge derſelben
ſchrecklichen Larve: Sprache, Philoſophie, Kunſt, mußten
alle ihre Zauber aufwenden, damit ſie nur ertragen werden
konnte.

So waren die Heiden! im Laufe der letztverfloſſenen Jahr-
hunderte iſt dieſe thoͤrichte Geſinnung zuruͤck gekehrt: die
Dinge ſollen wieder privateigenthuͤmlich dem Menſchen unter-
worfen werden, und ſo iſt das alte Fatum auch unmittelbar
wieder zugegen, und der Menſch zu einem Spielzeuge in den
Haͤnden desſelben herabgeſunken: ohne Euphemismus! der
Weltmarkt und der Weltkrieg ſind unſer Fatum; Gold,
Colonialwaaren und dergleichen ſind unſere Goͤtter; und ſo
ſind es ſelbſt Sclaven ihrer Sclaven, welche die Welt be-
herrſchen.

Wahrſcheinlich wird man noch lange fortfahren, die
Quelle unſeres Elends ganz wo anders zu ſuchen, als wo ſie
liegt: ein edler Schriftſteller hat die Verruͤckung der gegen-
waͤrtigen Generation: Gottesſcheu genannt; und wo dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0185" n="171"/>
Sachen und Naturkra&#x0364;fte, was waren &#x017F;elb&#x017F;t in &#x017F;pa&#x0364;teren un-<lb/>
heiligeren Zeiten die&#x017F;e bewaffneten Sclavenrotten, welche die<lb/>
Selb&#x017F;therr&#x017F;cher umgaben, und nach Belieben u&#x0364;ber ihre Krone<lb/>
&#x017F;chalteten &#x2014; anders, als die&#x017F;elbige Willku&#x0364;hr, die niemand<lb/>
u&#x0364;ber die Dinge ausu&#x0364;ben kann, ohne daß die Dinge &#x017F;ie wieder<lb/>
u&#x0364;ber ihn ausu&#x0364;bten. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Freyheit nannten &#x017F;ie die&#x017F;es We&#x017F;en: ein Euphemismus des<lb/>
ganzen heidni&#x017F;chen Alterthums; und wo &#x017F;ie noch &#x017F;on&#x017F;t un-<lb/>
heimliche Dinge mit freundlichen Worten und &#x017F;chmeichelnden<lb/>
Bildern verkleideten, waren es immer einzelne Zu&#x0364;ge der&#x017F;elben<lb/>
&#x017F;chrecklichen Larve: Sprache, Philo&#x017F;ophie, Kun&#x017F;t, mußten<lb/>
alle ihre Zauber aufwenden, damit &#x017F;ie nur ertragen werden<lb/>
konnte.</p><lb/>
          <p>So waren die Heiden! im Laufe der letztverflo&#x017F;&#x017F;enen Jahr-<lb/>
hunderte i&#x017F;t die&#x017F;e tho&#x0364;richte Ge&#x017F;innung zuru&#x0364;ck gekehrt: die<lb/>
Dinge &#x017F;ollen wieder privateigenthu&#x0364;mlich dem Men&#x017F;chen unter-<lb/>
worfen werden, und &#x017F;o i&#x017F;t das alte Fatum auch unmittelbar<lb/>
wieder zugegen, und der Men&#x017F;ch zu einem Spielzeuge in den<lb/>
Ha&#x0364;nden des&#x017F;elben herabge&#x017F;unken: ohne Euphemismus! der<lb/>
Weltmarkt und der Weltkrieg &#x017F;ind un&#x017F;er Fatum; Gold,<lb/>
Colonialwaaren und dergleichen &#x017F;ind un&#x017F;ere Go&#x0364;tter; und &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ind es &#x017F;elb&#x017F;t Sclaven ihrer Sclaven, welche die Welt be-<lb/>
herr&#x017F;chen.</p><lb/>
          <p>Wahr&#x017F;cheinlich wird man noch lange fortfahren, die<lb/>
Quelle un&#x017F;eres Elends ganz wo anders zu &#x017F;uchen, als wo &#x017F;ie<lb/>
liegt: ein edler Schrift&#x017F;teller hat die Verru&#x0364;ckung der gegen-<lb/>
wa&#x0364;rtigen Generation: Gottes&#x017F;cheu genannt; und wo dem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0185] Sachen und Naturkraͤfte, was waren ſelbſt in ſpaͤteren un- heiligeren Zeiten dieſe bewaffneten Sclavenrotten, welche die Selbſtherrſcher umgaben, und nach Belieben uͤber ihre Krone ſchalteten — anders, als dieſelbige Willkuͤhr, die niemand uͤber die Dinge ausuͤben kann, ohne daß die Dinge ſie wieder uͤber ihn ausuͤbten. — Freyheit nannten ſie dieſes Weſen: ein Euphemismus des ganzen heidniſchen Alterthums; und wo ſie noch ſonſt un- heimliche Dinge mit freundlichen Worten und ſchmeichelnden Bildern verkleideten, waren es immer einzelne Zuͤge derſelben ſchrecklichen Larve: Sprache, Philoſophie, Kunſt, mußten alle ihre Zauber aufwenden, damit ſie nur ertragen werden konnte. So waren die Heiden! im Laufe der letztverfloſſenen Jahr- hunderte iſt dieſe thoͤrichte Geſinnung zuruͤck gekehrt: die Dinge ſollen wieder privateigenthuͤmlich dem Menſchen unter- worfen werden, und ſo iſt das alte Fatum auch unmittelbar wieder zugegen, und der Menſch zu einem Spielzeuge in den Haͤnden desſelben herabgeſunken: ohne Euphemismus! der Weltmarkt und der Weltkrieg ſind unſer Fatum; Gold, Colonialwaaren und dergleichen ſind unſere Goͤtter; und ſo ſind es ſelbſt Sclaven ihrer Sclaven, welche die Welt be- herrſchen. Wahrſcheinlich wird man noch lange fortfahren, die Quelle unſeres Elends ganz wo anders zu ſuchen, als wo ſie liegt: ein edler Schriftſteller hat die Verruͤckung der gegen- waͤrtigen Generation: Gottesſcheu genannt; und wo dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/185
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/185>, abgerufen am 24.11.2024.