anstatt beyde an allen Stellen in einander zu wirken, sie noch weiter zu trennen, indem wir die körperlichen Bedürfnisse und Kräfte der Menschen in eine besondere Maschine zusam- men bauten, dagegen dem Geiste überließen desgleichen zu thun oder ganz zwecklos umherzuirren, so müßte nunmehr die freundliche Feindseligkeit zwischen Geist und Körper in eine zerstörende übergehen. Europa hat es bewiesen: die kör- perliche Maschinerie der Staaten hat den Seelenmechanis- mus der Aufklärung zur Seite gehabt; zur rechten Hand hat man sich den Menschen gedacht, als habe er nur körperliche, rohe, handgreifliche Bedürfnisse, und ihn nach diesem Grundsatze regiert wissen wollen; zur linken hat man denselbigen Menschen wieder über alle Gebühr und Schranken hinaus geistig aufzuklären unternommen: derge- stalt hat man denn wie der Erfolg gezeigt, die Züchtigung für die eigene Sündhaftigkeit unmittelbar an sich selbst voll- zogen.
Daß also überall wo Körper ist auch der dazu gehörige und ihm anvermählte Geist bleibe, ist die erste Bedingung einer gut eingerichteten bürgerlichen Gesellschaft: kurz, daß der Bürger nicht aufhöre vollständiger Mensch zu seyn, weil er ein einzelnes Geschäft treibt. Kann er, nunmehr einer einzelnen Thätigkeit hingegeben, nicht mehr zurück kehren in die Fülle der Anlagen zu den verschiedenartigsten Thätigkei- ten, an die Quelle aller -- zu sich selbst; oder vielmehr kann er beym einzelnen Geschäfte nicht im Bewußtseyn der Anlagen zu allen übrigen verbleiben; mit andern Worten, kann er den Zusammenhang seines besondern Geschäftes mit
anſtatt beyde an allen Stellen in einander zu wirken, ſie noch weiter zu trennen, indem wir die koͤrperlichen Beduͤrfniſſe und Kraͤfte der Menſchen in eine beſondere Maſchine zuſam- men bauten, dagegen dem Geiſte uͤberließen desgleichen zu thun oder ganz zwecklos umherzuirren, ſo muͤßte nunmehr die freundliche Feindſeligkeit zwiſchen Geiſt und Koͤrper in eine zerſtoͤrende uͤbergehen. Europa hat es bewieſen: die koͤr- perliche Maſchinerie der Staaten hat den Seelenmechanis- mus der Aufklaͤrung zur Seite gehabt; zur rechten Hand hat man ſich den Menſchen gedacht, als habe er nur koͤrperliche, rohe, handgreifliche Beduͤrfniſſe, und ihn nach dieſem Grundſatze regiert wiſſen wollen; zur linken hat man denſelbigen Menſchen wieder uͤber alle Gebuͤhr und Schranken hinaus geiſtig aufzuklaͤren unternommen: derge- ſtalt hat man denn wie der Erfolg gezeigt, die Zuͤchtigung fuͤr die eigene Suͤndhaftigkeit unmittelbar an ſich ſelbſt voll- zogen.
Daß alſo uͤberall wo Koͤrper iſt auch der dazu gehoͤrige und ihm anvermaͤhlte Geiſt bleibe, iſt die erſte Bedingung einer gut eingerichteten buͤrgerlichen Geſellſchaft: kurz, daß der Buͤrger nicht aufhoͤre vollſtaͤndiger Menſch zu ſeyn, weil er ein einzelnes Geſchaͤft treibt. Kann er, nunmehr einer einzelnen Thaͤtigkeit hingegeben, nicht mehr zuruͤck kehren in die Fuͤlle der Anlagen zu den verſchiedenartigſten Thaͤtigkei- ten, an die Quelle aller — zu ſich ſelbſt; oder vielmehr kann er beym einzelnen Geſchaͤfte nicht im Bewußtſeyn der Anlagen zu allen uͤbrigen verbleiben; mit andern Worten, kann er den Zuſammenhang ſeines beſondern Geſchaͤftes mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0150"n="136"/>
anſtatt beyde an allen Stellen in einander zu wirken, ſie noch<lb/>
weiter zu trennen, indem wir die koͤrperlichen Beduͤrfniſſe<lb/>
und Kraͤfte der Menſchen in eine beſondere Maſchine zuſam-<lb/>
men bauten, dagegen dem Geiſte uͤberließen desgleichen zu<lb/>
thun oder ganz zwecklos umherzuirren, ſo muͤßte nunmehr<lb/>
die freundliche Feindſeligkeit zwiſchen Geiſt <choice><sic>uud</sic><corr>und</corr></choice> Koͤrper in<lb/>
eine zerſtoͤrende uͤbergehen. <placeName>Europa</placeName> hat es bewieſen: die koͤr-<lb/>
perliche Maſchinerie der Staaten hat den Seelenmechanis-<lb/>
mus der Aufklaͤrung zur Seite gehabt; zur rechten Hand<lb/>
hat man ſich den Menſchen gedacht, als habe er nur<lb/>
koͤrperliche, rohe, handgreifliche Beduͤrfniſſe, und ihn nach<lb/>
dieſem Grundſatze regiert wiſſen wollen; zur linken hat<lb/>
man denſelbigen Menſchen wieder uͤber alle Gebuͤhr und<lb/>
Schranken hinaus geiſtig aufzuklaͤren unternommen: derge-<lb/>ſtalt hat man denn wie der Erfolg gezeigt, die Zuͤchtigung<lb/>
fuͤr die eigene Suͤndhaftigkeit unmittelbar an ſich ſelbſt voll-<lb/>
zogen.</p><lb/><p>Daß alſo uͤberall wo Koͤrper iſt auch der dazu gehoͤrige<lb/>
und ihm anvermaͤhlte Geiſt bleibe, iſt die erſte Bedingung<lb/>
einer gut eingerichteten buͤrgerlichen Geſellſchaft: kurz, daß<lb/>
der Buͤrger nicht aufhoͤre vollſtaͤndiger Menſch zu ſeyn, weil<lb/>
er ein einzelnes Geſchaͤft treibt. Kann er, nunmehr einer<lb/>
einzelnen Thaͤtigkeit hingegeben, nicht mehr zuruͤck kehren in<lb/>
die Fuͤlle der Anlagen zu den verſchiedenartigſten Thaͤtigkei-<lb/>
ten, an die Quelle aller — zu ſich ſelbſt; oder vielmehr<lb/>
kann er beym einzelnen Geſchaͤfte nicht im Bewußtſeyn der<lb/>
Anlagen zu allen uͤbrigen verbleiben; mit andern Worten,<lb/>
kann er den Zuſammenhang ſeines beſondern Geſchaͤftes mit<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[136/0150]
anſtatt beyde an allen Stellen in einander zu wirken, ſie noch
weiter zu trennen, indem wir die koͤrperlichen Beduͤrfniſſe
und Kraͤfte der Menſchen in eine beſondere Maſchine zuſam-
men bauten, dagegen dem Geiſte uͤberließen desgleichen zu
thun oder ganz zwecklos umherzuirren, ſo muͤßte nunmehr
die freundliche Feindſeligkeit zwiſchen Geiſt und Koͤrper in
eine zerſtoͤrende uͤbergehen. Europa hat es bewieſen: die koͤr-
perliche Maſchinerie der Staaten hat den Seelenmechanis-
mus der Aufklaͤrung zur Seite gehabt; zur rechten Hand
hat man ſich den Menſchen gedacht, als habe er nur
koͤrperliche, rohe, handgreifliche Beduͤrfniſſe, und ihn nach
dieſem Grundſatze regiert wiſſen wollen; zur linken hat
man denſelbigen Menſchen wieder uͤber alle Gebuͤhr und
Schranken hinaus geiſtig aufzuklaͤren unternommen: derge-
ſtalt hat man denn wie der Erfolg gezeigt, die Zuͤchtigung
fuͤr die eigene Suͤndhaftigkeit unmittelbar an ſich ſelbſt voll-
zogen.
Daß alſo uͤberall wo Koͤrper iſt auch der dazu gehoͤrige
und ihm anvermaͤhlte Geiſt bleibe, iſt die erſte Bedingung
einer gut eingerichteten buͤrgerlichen Geſellſchaft: kurz, daß
der Buͤrger nicht aufhoͤre vollſtaͤndiger Menſch zu ſeyn, weil
er ein einzelnes Geſchaͤft treibt. Kann er, nunmehr einer
einzelnen Thaͤtigkeit hingegeben, nicht mehr zuruͤck kehren in
die Fuͤlle der Anlagen zu den verſchiedenartigſten Thaͤtigkei-
ten, an die Quelle aller — zu ſich ſelbſt; oder vielmehr
kann er beym einzelnen Geſchaͤfte nicht im Bewußtſeyn der
Anlagen zu allen uͤbrigen verbleiben; mit andern Worten,
kann er den Zuſammenhang ſeines beſondern Geſchaͤftes mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/150>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.