Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

Geistes erstreckt, und leider haben wir alle in unserer ver-
brecherischen Jugend die Waarenlager der Ideen durchsucht,
lange, ehe wir nur ahndeten, daß es einen Mittelpunct aller
Ideen gäbe, und, daß in der Richtung dahin und von dort-
her die Wesentlichkeit, die innere Realität aller Ideen liege.
Berühmte Nahmen, klassische Autoren, und mancherley reiche
und große Herren der Literatur haben wir abgeschätzt, lange
vorher, ehe wir nur nach dem Nahmen aller Nahmen, nach
der Autorität aller Autoritäten verlangten. Auch die Preise
der Geisteswerke haben wir auf dem zerrütteten Markt unsers
Jahrhunderts kennen gelernt, und uns oft beklagt über ihr
unbarmherziges Schwanken, und, daß das gestern so Hoch-
geachtete, heute so wohlfeil geworden war. Wie vieles haben
wir erfahren müssen, um einsehen, daß es außer diesen au-
genblicklichen Preisen der Ideen und Geisteswerke nun auch
ewige Werthe derselben gibt.

Eine solche Zeit der Revolutionen, des Wechsels, des
Untergangs und des Aufgangs, wie die jetzige, entbindet an
allen Orten und in allen Köpfen unerhörte Gedanken: mich
dünkt, man brauche nur zu athmen um gedankenreich zu
seyn, wie es der Pöbel nennt, der ja nirgends etwas anderes
bewundert und anerkennet, als den handgreiflichen Reich-
thum. Wer also Gedanken besitzt, während ein großes Jahr-
hundert in allen Wegen mit ihm denkt, der wenigstens kann
kein ausschließendes Eigenthum, keinen abgesonderten Genuß
oder Ruhm davon erwarten: Hier springt der Gemeinbesitz
und die Gemeinproduktion allzusehr in die Augen.

Geiſtes erſtreckt, und leider haben wir alle in unſerer ver-
brecheriſchen Jugend die Waarenlager der Ideen durchſucht,
lange, ehe wir nur ahndeten, daß es einen Mittelpunct aller
Ideen gaͤbe, und, daß in der Richtung dahin und von dort-
her die Weſentlichkeit, die innere Realitaͤt aller Ideen liege.
Beruͤhmte Nahmen, klaſſiſche Autoren, und mancherley reiche
und große Herren der Literatur haben wir abgeſchaͤtzt, lange
vorher, ehe wir nur nach dem Nahmen aller Nahmen, nach
der Autoritaͤt aller Autoritaͤten verlangten. Auch die Preiſe
der Geiſteswerke haben wir auf dem zerruͤtteten Markt unſers
Jahrhunderts kennen gelernt, und uns oft beklagt uͤber ihr
unbarmherziges Schwanken, und, daß das geſtern ſo Hoch-
geachtete, heute ſo wohlfeil geworden war. Wie vieles haben
wir erfahren muͤſſen, um einſehen, daß es außer dieſen au-
genblicklichen Preiſen der Ideen und Geiſteswerke nun auch
ewige Werthe derſelben gibt.

Eine ſolche Zeit der Revolutionen, des Wechſels, des
Untergangs und des Aufgangs, wie die jetzige, entbindet an
allen Orten und in allen Koͤpfen unerhoͤrte Gedanken: mich
duͤnkt, man brauche nur zu athmen um gedankenreich zu
ſeyn, wie es der Poͤbel nennt, der ja nirgends etwas anderes
bewundert und anerkennet, als den handgreiflichen Reich-
thum. Wer alſo Gedanken beſitzt, waͤhrend ein großes Jahr-
hundert in allen Wegen mit ihm denkt, der wenigſtens kann
kein ausſchließendes Eigenthum, keinen abgeſonderten Genuß
oder Ruhm davon erwarten: Hier ſpringt der Gemeinbeſitz
und die Gemeinproduktion allzuſehr in die Augen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0140" n="126"/>
Gei&#x017F;tes er&#x017F;treckt, und leider haben wir alle in un&#x017F;erer ver-<lb/>
brecheri&#x017F;chen Jugend die Waarenlager der Ideen durch&#x017F;ucht,<lb/>
lange, ehe wir nur ahndeten, daß es einen Mittelpunct aller<lb/>
Ideen ga&#x0364;be, und, daß in der Richtung dahin und von dort-<lb/>
her die We&#x017F;entlichkeit, die innere Realita&#x0364;t aller Ideen liege.<lb/>
Beru&#x0364;hmte Nahmen, kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Autoren, und mancherley reiche<lb/>
und große Herren der Literatur haben wir abge&#x017F;cha&#x0364;tzt, lange<lb/>
vorher, ehe wir nur nach dem Nahmen aller Nahmen, nach<lb/>
der Autorita&#x0364;t aller Autorita&#x0364;ten verlangten. Auch die Prei&#x017F;e<lb/>
der Gei&#x017F;teswerke haben wir auf dem zerru&#x0364;tteten Markt un&#x017F;ers<lb/>
Jahrhunderts kennen gelernt, und uns oft beklagt u&#x0364;ber ihr<lb/>
unbarmherziges Schwanken, und, daß das ge&#x017F;tern &#x017F;o Hoch-<lb/>
geachtete, heute &#x017F;o wohlfeil geworden war. Wie vieles haben<lb/>
wir erfahren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, um ein&#x017F;ehen, daß es außer die&#x017F;en au-<lb/>
genblicklichen Prei&#x017F;en der Ideen und Gei&#x017F;teswerke nun auch<lb/>
ewige Werthe der&#x017F;elben gibt.</p><lb/>
          <p>Eine &#x017F;olche Zeit der Revolutionen, des Wech&#x017F;els, des<lb/>
Untergangs und des Aufgangs, wie die jetzige, entbindet an<lb/>
allen Orten und in allen Ko&#x0364;pfen unerho&#x0364;rte Gedanken: mich<lb/>
du&#x0364;nkt, man brauche nur zu athmen um gedankenreich zu<lb/>
&#x017F;eyn, wie es der Po&#x0364;bel nennt, der ja nirgends etwas anderes<lb/>
bewundert und anerkennet, als den handgreiflichen Reich-<lb/>
thum. Wer al&#x017F;o Gedanken be&#x017F;itzt, wa&#x0364;hrend ein großes Jahr-<lb/>
hundert in allen Wegen mit ihm denkt, der wenig&#x017F;tens kann<lb/>
kein aus&#x017F;chließendes Eigenthum, keinen abge&#x017F;onderten Genuß<lb/>
oder Ruhm davon erwarten: Hier &#x017F;pringt der Gemeinbe&#x017F;itz<lb/>
und die Gemeinproduktion allzu&#x017F;ehr in die Augen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0140] Geiſtes erſtreckt, und leider haben wir alle in unſerer ver- brecheriſchen Jugend die Waarenlager der Ideen durchſucht, lange, ehe wir nur ahndeten, daß es einen Mittelpunct aller Ideen gaͤbe, und, daß in der Richtung dahin und von dort- her die Weſentlichkeit, die innere Realitaͤt aller Ideen liege. Beruͤhmte Nahmen, klaſſiſche Autoren, und mancherley reiche und große Herren der Literatur haben wir abgeſchaͤtzt, lange vorher, ehe wir nur nach dem Nahmen aller Nahmen, nach der Autoritaͤt aller Autoritaͤten verlangten. Auch die Preiſe der Geiſteswerke haben wir auf dem zerruͤtteten Markt unſers Jahrhunderts kennen gelernt, und uns oft beklagt uͤber ihr unbarmherziges Schwanken, und, daß das geſtern ſo Hoch- geachtete, heute ſo wohlfeil geworden war. Wie vieles haben wir erfahren muͤſſen, um einſehen, daß es außer dieſen au- genblicklichen Preiſen der Ideen und Geiſteswerke nun auch ewige Werthe derſelben gibt. Eine ſolche Zeit der Revolutionen, des Wechſels, des Untergangs und des Aufgangs, wie die jetzige, entbindet an allen Orten und in allen Koͤpfen unerhoͤrte Gedanken: mich duͤnkt, man brauche nur zu athmen um gedankenreich zu ſeyn, wie es der Poͤbel nennt, der ja nirgends etwas anderes bewundert und anerkennet, als den handgreiflichen Reich- thum. Wer alſo Gedanken beſitzt, waͤhrend ein großes Jahr- hundert in allen Wegen mit ihm denkt, der wenigſtens kann kein ausſchließendes Eigenthum, keinen abgeſonderten Genuß oder Ruhm davon erwarten: Hier ſpringt der Gemeinbeſitz und die Gemeinproduktion allzuſehr in die Augen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/140
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/140>, abgerufen am 22.11.2024.