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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Dieser Name durchzuckte den alten Mann von den Sohlen bis zu dem Scheitel; aber in demselben Augenblicke schien ein andrer Gegenstand mit noch stärkerer Gewalt auf ihn einzudringen und sein ganzes Wesen zu zerschmettern. Er stürzte mit einem gellenden Schrei zu Boden, die Augen wild vor sich hin starrend, die rechte Hand halb hinweisend, halb abwehrend, nach dem spanischen Platze ausgestreckt. Der Professor blickte hinunter und sah den Marquis, wie er leibte und lebte, in dem buntgestickten hellgrünen Atlasrock, mit dem weißen Rockelor und der großen Reisemütze, durch die Via Condotti hüpfen. Auf einen Augenblick verlor auch er seine Fassung bei dieser wunderbar überraschenden Erscheinung, aber sobald seine Augen sich auf den Marquis zurückwarfen, gewann er unverzüglich seine volle Besinnung wieder. Dieser lag wie leblos zu seinen Füßen, der Mund zuckte, beide Augen hatten sich krampfhaft zusammengedrückt, die linke Hälfte seines Gesichts war zum Entsetzen verzerrt, und an derselben Seite hing der Arm in regungsloser Lähmung herab. Es blieb kein Zweifel übrig, daß ein Nervenschlag ihn getroffen hatte, und eine hastige Bewegung seiner rechten Hand nach dem Herzen verrieth, daß er nahe an diesem vorbeigestrichen war. Der Professor schrie nach Hülfe, und einige Bettler, die auf der Treppe saßen, waren die ersten welche dem Rufe Gehör gaben. Sie hinkten heran, und wie sie den alten Herrn erblickten, den sie alle

Dieser Name durchzuckte den alten Mann von den Sohlen bis zu dem Scheitel; aber in demselben Augenblicke schien ein andrer Gegenstand mit noch stärkerer Gewalt auf ihn einzudringen und sein ganzes Wesen zu zerschmettern. Er stürzte mit einem gellenden Schrei zu Boden, die Augen wild vor sich hin starrend, die rechte Hand halb hinweisend, halb abwehrend, nach dem spanischen Platze ausgestreckt. Der Professor blickte hinunter und sah den Marquis, wie er leibte und lebte, in dem buntgestickten hellgrünen Atlasrock, mit dem weißen Rockelor und der großen Reisemütze, durch die Via Condotti hüpfen. Auf einen Augenblick verlor auch er seine Fassung bei dieser wunderbar überraschenden Erscheinung, aber sobald seine Augen sich auf den Marquis zurückwarfen, gewann er unverzüglich seine volle Besinnung wieder. Dieser lag wie leblos zu seinen Füßen, der Mund zuckte, beide Augen hatten sich krampfhaft zusammengedrückt, die linke Hälfte seines Gesichts war zum Entsetzen verzerrt, und an derselben Seite hing der Arm in regungsloser Lähmung herab. Es blieb kein Zweifel übrig, daß ein Nervenschlag ihn getroffen hatte, und eine hastige Bewegung seiner rechten Hand nach dem Herzen verrieth, daß er nahe an diesem vorbeigestrichen war. Der Professor schrie nach Hülfe, und einige Bettler, die auf der Treppe saßen, waren die ersten welche dem Rufe Gehör gaben. Sie hinkten heran, und wie sie den alten Herrn erblickten, den sie alle

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[0084] Dieser Name durchzuckte den alten Mann von den Sohlen bis zu dem Scheitel; aber in demselben Augenblicke schien ein andrer Gegenstand mit noch stärkerer Gewalt auf ihn einzudringen und sein ganzes Wesen zu zerschmettern. Er stürzte mit einem gellenden Schrei zu Boden, die Augen wild vor sich hin starrend, die rechte Hand halb hinweisend, halb abwehrend, nach dem spanischen Platze ausgestreckt. Der Professor blickte hinunter und sah den Marquis, wie er leibte und lebte, in dem buntgestickten hellgrünen Atlasrock, mit dem weißen Rockelor und der großen Reisemütze, durch die Via Condotti hüpfen. Auf einen Augenblick verlor auch er seine Fassung bei dieser wunderbar überraschenden Erscheinung, aber sobald seine Augen sich auf den Marquis zurückwarfen, gewann er unverzüglich seine volle Besinnung wieder. Dieser lag wie leblos zu seinen Füßen, der Mund zuckte, beide Augen hatten sich krampfhaft zusammengedrückt, die linke Hälfte seines Gesichts war zum Entsetzen verzerrt, und an derselben Seite hing der Arm in regungsloser Lähmung herab. Es blieb kein Zweifel übrig, daß ein Nervenschlag ihn getroffen hatte, und eine hastige Bewegung seiner rechten Hand nach dem Herzen verrieth, daß er nahe an diesem vorbeigestrichen war. Der Professor schrie nach Hülfe, und einige Bettler, die auf der Treppe saßen, waren die ersten welche dem Rufe Gehör gaben. Sie hinkten heran, und wie sie den alten Herrn erblickten, den sie alle

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/84>, abgerufen am 24.11.2024.