Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.bunt, sie braucht vielerlei Creaturen, um sich zu füllen, und wenn man nur den Deckel danach zu schneiden weiß, so giebt's kein Gefäß, worauf nicht einer passen sollte. Mein erstes Anliegen an Sie, Herr Professor, nahm Arthur das Wort, ist eigentlich ein Anliegen meines Gefährten, welcher sobald als möglich eine gute Privatwohnung zu beziehen wünscht. Können Sie mir vielleicht eine vorschlagen? Ist schon besorgt, Herr Doctor, fiel der Professor ein und zog dazu eine lächerlich geheimnißvolle Miene. Sie wohnen hier in diesem Hause, eine Treppe unter mir, in der Beletage. Eine vortreffliche Wohnung, vier bis fünf Piecen, alles trocken, hell, bequem, ein paar Zimmer mit Oefen und gediehlt. Sie finden in ganz Rom kein behaglicheres Quartier. Hinten heraus eine wundervolle Aussicht über die ganze Stadt bis an den Gianicolo und Monte Mario und noch weiter hinaus, und vorn heraus gegenüber die niedlichste Frau dieses Viertels. Ein frommer Deutscher hat bloß um dieser Aussicht willen, die, wie er sagte, ihm seine Madonnenideale verdarb, seine Wohnung im Hause meiner Nachbarin geräumt. Sie, der Sie keine Madonnen malen, haben diese Rücksicht nicht zu nehmen. Nicht wahr, Herr Doctor? Arthur lächelte, in den Scherz eingehend, und versicheter, daß sein Gewissen nicht so leicht zu beun- bunt, sie braucht vielerlei Creaturen, um sich zu füllen, und wenn man nur den Deckel danach zu schneiden weiß, so giebt's kein Gefäß, worauf nicht einer passen sollte. Mein erstes Anliegen an Sie, Herr Professor, nahm Arthur das Wort, ist eigentlich ein Anliegen meines Gefährten, welcher sobald als möglich eine gute Privatwohnung zu beziehen wünscht. Können Sie mir vielleicht eine vorschlagen? Ist schon besorgt, Herr Doctor, fiel der Professor ein und zog dazu eine lächerlich geheimnißvolle Miene. Sie wohnen hier in diesem Hause, eine Treppe unter mir, in der Belétage. Eine vortreffliche Wohnung, vier bis fünf Piecen, alles trocken, hell, bequem, ein paar Zimmer mit Oefen und gediehlt. Sie finden in ganz Rom kein behaglicheres Quartier. Hinten heraus eine wundervolle Aussicht über die ganze Stadt bis an den Gianicolo und Monte Mario und noch weiter hinaus, und vorn heraus gegenüber die niedlichste Frau dieses Viertels. Ein frommer Deutscher hat bloß um dieser Aussicht willen, die, wie er sagte, ihm seine Madonnenideale verdarb, seine Wohnung im Hause meiner Nachbarin geräumt. Sie, der Sie keine Madonnen malen, haben diese Rücksicht nicht zu nehmen. Nicht wahr, Herr Doctor? Arthur lächelte, in den Scherz eingehend, und versicheter, daß sein Gewissen nicht so leicht zu beun- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="8"> <p><pb facs="#f0063"/> bunt, sie braucht vielerlei Creaturen, um sich zu füllen, und wenn man nur den Deckel danach zu schneiden weiß, so giebt's kein Gefäß, worauf nicht einer passen sollte.</p><lb/> <p>Mein erstes Anliegen an Sie, Herr Professor, nahm Arthur das Wort, ist eigentlich ein Anliegen meines Gefährten, welcher sobald als möglich eine gute Privatwohnung zu beziehen wünscht. Können Sie mir vielleicht eine vorschlagen?</p><lb/> <p>Ist schon besorgt, Herr Doctor, fiel der Professor ein und zog dazu eine lächerlich geheimnißvolle Miene. Sie wohnen hier in diesem Hause, eine Treppe unter mir, in der Belétage. Eine vortreffliche Wohnung, vier bis fünf Piecen, alles trocken, hell, bequem, ein paar Zimmer mit Oefen und gediehlt. Sie finden in ganz Rom kein behaglicheres Quartier. Hinten heraus eine wundervolle Aussicht über die ganze Stadt bis an den Gianicolo und Monte Mario und noch weiter hinaus, und vorn heraus gegenüber die niedlichste Frau dieses Viertels. Ein frommer Deutscher hat bloß um dieser Aussicht willen, die, wie er sagte, ihm seine Madonnenideale verdarb, seine Wohnung im Hause meiner Nachbarin geräumt. Sie, der Sie keine Madonnen malen, haben diese Rücksicht nicht zu nehmen. Nicht wahr, Herr Doctor?</p><lb/> <p>Arthur lächelte, in den Scherz eingehend, und versicheter, daß sein Gewissen nicht so leicht zu beun-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0063]
bunt, sie braucht vielerlei Creaturen, um sich zu füllen, und wenn man nur den Deckel danach zu schneiden weiß, so giebt's kein Gefäß, worauf nicht einer passen sollte.
Mein erstes Anliegen an Sie, Herr Professor, nahm Arthur das Wort, ist eigentlich ein Anliegen meines Gefährten, welcher sobald als möglich eine gute Privatwohnung zu beziehen wünscht. Können Sie mir vielleicht eine vorschlagen?
Ist schon besorgt, Herr Doctor, fiel der Professor ein und zog dazu eine lächerlich geheimnißvolle Miene. Sie wohnen hier in diesem Hause, eine Treppe unter mir, in der Belétage. Eine vortreffliche Wohnung, vier bis fünf Piecen, alles trocken, hell, bequem, ein paar Zimmer mit Oefen und gediehlt. Sie finden in ganz Rom kein behaglicheres Quartier. Hinten heraus eine wundervolle Aussicht über die ganze Stadt bis an den Gianicolo und Monte Mario und noch weiter hinaus, und vorn heraus gegenüber die niedlichste Frau dieses Viertels. Ein frommer Deutscher hat bloß um dieser Aussicht willen, die, wie er sagte, ihm seine Madonnenideale verdarb, seine Wohnung im Hause meiner Nachbarin geräumt. Sie, der Sie keine Madonnen malen, haben diese Rücksicht nicht zu nehmen. Nicht wahr, Herr Doctor?
Arthur lächelte, in den Scherz eingehend, und versicheter, daß sein Gewissen nicht so leicht zu beun-
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Zitationshilfe: | Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/63>, abgerufen am 16.02.2025. |