Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ausfindig machen ließe, wenigstens die alte Arche zu beseitigen. Aber der starre Eigensinn des Marquis, welcher gerade in solchen Sonderbarkeiten am wenigsten zu biegen war, mußte ihm zu bekannt sein, als daß er seinen Vorschlägen ein besonderes Vertrauen hatte schenken können, und sein ernstlich begonnenes Nachsinnen ging endlich in spaßhafte Einfälle über. Er unternahm das Aeußerste und empfahl den Wagen ohne Rücksicht auf seinen eigenen Hals dem ersten Postillon zum Zerbrechen, oder er balsamirte ihn mit Moschus ein, welcher Geruch den Marquis aus dem Himmel treiben konnte, oder er ließ gar eine Leiche hineinlegen. Wie komisch er sich aber auch diese Scenen ausmalen mochte, sie gewährten ihm doch keine Sicherheit gegen die ernstliche Besorgniß, daß der Marquis den Verlust des alten Wagens durch den Bau eines neuen in unveränderter Form ersetzen ließe. Sechstes Kapitel. Das Verhältniß der beiden Reisenden gestaltete sich von Meile zu Meile schwieriger, und anstatt sich näher zu kommen, je weiter sie sich von den Thoren der preußischen Hauptstadt entfernten, so wurden sie vielmehr immer fremder und gespannter gegen einan- ausfindig machen ließe, wenigstens die alte Arche zu beseitigen. Aber der starre Eigensinn des Marquis, welcher gerade in solchen Sonderbarkeiten am wenigsten zu biegen war, mußte ihm zu bekannt sein, als daß er seinen Vorschlägen ein besonderes Vertrauen hatte schenken können, und sein ernstlich begonnenes Nachsinnen ging endlich in spaßhafte Einfälle über. Er unternahm das Aeußerste und empfahl den Wagen ohne Rücksicht auf seinen eigenen Hals dem ersten Postillon zum Zerbrechen, oder er balsamirte ihn mit Moschus ein, welcher Geruch den Marquis aus dem Himmel treiben konnte, oder er ließ gar eine Leiche hineinlegen. Wie komisch er sich aber auch diese Scenen ausmalen mochte, sie gewährten ihm doch keine Sicherheit gegen die ernstliche Besorgniß, daß der Marquis den Verlust des alten Wagens durch den Bau eines neuen in unveränderter Form ersetzen ließe. Sechstes Kapitel. Das Verhältniß der beiden Reisenden gestaltete sich von Meile zu Meile schwieriger, und anstatt sich näher zu kommen, je weiter sie sich von den Thoren der preußischen Hauptstadt entfernten, so wurden sie vielmehr immer fremder und gespannter gegen einan- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0044"/> ausfindig machen ließe, wenigstens die alte Arche zu beseitigen. Aber der starre Eigensinn des Marquis, welcher gerade in solchen Sonderbarkeiten am wenigsten zu biegen war, mußte ihm zu bekannt sein, als daß er seinen Vorschlägen ein besonderes Vertrauen hatte schenken können, und sein ernstlich begonnenes Nachsinnen ging endlich in spaßhafte Einfälle über. Er unternahm das Aeußerste und empfahl den Wagen ohne Rücksicht auf seinen eigenen Hals dem ersten Postillon zum Zerbrechen, oder er balsamirte ihn mit Moschus ein, welcher Geruch den Marquis aus dem Himmel treiben konnte, oder er ließ gar eine Leiche hineinlegen. Wie komisch er sich aber auch diese Scenen ausmalen mochte, sie gewährten ihm doch keine Sicherheit gegen die ernstliche Besorgniß, daß der Marquis den Verlust des alten Wagens durch den Bau eines neuen in unveränderter Form ersetzen ließe.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="6"> <head>Sechstes Kapitel.</head> <p>Das Verhältniß der beiden Reisenden gestaltete sich von Meile zu Meile schwieriger, und anstatt sich näher zu kommen, je weiter sie sich von den Thoren der preußischen Hauptstadt entfernten, so wurden sie vielmehr immer fremder und gespannter gegen einan-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0044]
ausfindig machen ließe, wenigstens die alte Arche zu beseitigen. Aber der starre Eigensinn des Marquis, welcher gerade in solchen Sonderbarkeiten am wenigsten zu biegen war, mußte ihm zu bekannt sein, als daß er seinen Vorschlägen ein besonderes Vertrauen hatte schenken können, und sein ernstlich begonnenes Nachsinnen ging endlich in spaßhafte Einfälle über. Er unternahm das Aeußerste und empfahl den Wagen ohne Rücksicht auf seinen eigenen Hals dem ersten Postillon zum Zerbrechen, oder er balsamirte ihn mit Moschus ein, welcher Geruch den Marquis aus dem Himmel treiben konnte, oder er ließ gar eine Leiche hineinlegen. Wie komisch er sich aber auch diese Scenen ausmalen mochte, sie gewährten ihm doch keine Sicherheit gegen die ernstliche Besorgniß, daß der Marquis den Verlust des alten Wagens durch den Bau eines neuen in unveränderter Form ersetzen ließe.
Sechstes Kapitel. Das Verhältniß der beiden Reisenden gestaltete sich von Meile zu Meile schwieriger, und anstatt sich näher zu kommen, je weiter sie sich von den Thoren der preußischen Hauptstadt entfernten, so wurden sie vielmehr immer fremder und gespannter gegen einan-
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Zitationshilfe: | Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/44>, abgerufen am 16.07.2024. |