Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Wagen, darin ist eingepackt das Theater meines Lebens, das ich muß führen immer mit mir, wie der Thespis seinen Karren. Wo wir uns niederlassen zuerst, um zu halten eine große Rast, in Rom oder in Neapel, da schlag' ich auf meine kleine Bühne, und alsdann will ich Sie führen in meine Tragödie. Sie wird Ihnen gefallen, Herr Doctor, denn sie ist in dem wilden, grotesken Geschmack der englischen Literatur, in der Manier von dem Shakspeare, und meine Rolle ist der alte Narr, der Hanswurst, welcher lacht und weint in einem Athem. Noch eins, Herr Doctor! bringen Sie mir nicht eine Hutschachtel in den Wagen. Ich muß hängen hinein zwei Häuser mit meinen Kanarienvögeln, und zu Füßen haben wir den alten Fidelin. Schlafen Sie wohl, Herr Doctor.

Arthur empfahl sich dem Marquis mit dem Versprechen, allen Anordnungen desselben zu genügen, und ging nach Hause, nicht ohne einigen Verdruß über die seltsame Einrichtung des Reisewagens, welcher in der That das Ansehn hatte, als wäre er für den Kram eines herumziehenden Gauklers gemacht. Er ärgerte sich im Voraus über die lächerlichen Auftritte, welche ihn an den Thoren und in den Wirthshäusern erwarteten, wenn der räthselhafte Kasten die allfranzösische Maske des Marquis, die zwei elfenbeineren Häuschen der Kanarienvögel und den grauen, in einem Atlasmuffe versteckten Bologneser von sich gäbe. Er dachte darüber nach, ob sich nicht ein Mittel

dem Wagen, darin ist eingepackt das Theater meines Lebens, das ich muß führen immer mit mir, wie der Thespis seinen Karren. Wo wir uns niederlassen zuerst, um zu halten eine große Rast, in Rom oder in Neapel, da schlag' ich auf meine kleine Bühne, und alsdann will ich Sie führen in meine Tragödie. Sie wird Ihnen gefallen, Herr Doctor, denn sie ist in dem wilden, grotesken Geschmack der englischen Literatur, in der Manier von dem Shakspeare, und meine Rolle ist der alte Narr, der Hanswurst, welcher lacht und weint in einem Athem. Noch eins, Herr Doctor! bringen Sie mir nicht eine Hutschachtel in den Wagen. Ich muß hängen hinein zwei Häuser mit meinen Kanarienvögeln, und zu Füßen haben wir den alten Fidelin. Schlafen Sie wohl, Herr Doctor.

Arthur empfahl sich dem Marquis mit dem Versprechen, allen Anordnungen desselben zu genügen, und ging nach Hause, nicht ohne einigen Verdruß über die seltsame Einrichtung des Reisewagens, welcher in der That das Ansehn hatte, als wäre er für den Kram eines herumziehenden Gauklers gemacht. Er ärgerte sich im Voraus über die lächerlichen Auftritte, welche ihn an den Thoren und in den Wirthshäusern erwarteten, wenn der räthselhafte Kasten die allfranzösische Maske des Marquis, die zwei elfenbeineren Häuschen der Kanarienvögel und den grauen, in einem Atlasmuffe versteckten Bologneser von sich gäbe. Er dachte darüber nach, ob sich nicht ein Mittel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="5">
        <p><pb facs="#f0043"/>
dem Wagen, darin ist eingepackt das Theater meines Lebens, das ich                muß führen immer mit mir, wie der Thespis seinen Karren. Wo wir uns niederlassen                zuerst, um zu halten eine große Rast, in Rom oder in Neapel, da schlag' ich auf meine                kleine Bühne, und alsdann will ich Sie führen in meine Tragödie. Sie wird Ihnen                gefallen, Herr Doctor, denn sie ist in dem wilden, grotesken Geschmack der englischen                Literatur, in der Manier von dem Shakspeare, und meine Rolle ist der alte Narr, der                Hanswurst, welcher lacht und weint in einem Athem. Noch eins, Herr Doctor! bringen                Sie mir nicht eine Hutschachtel in den Wagen. Ich muß hängen hinein zwei Häuser mit                meinen Kanarienvögeln, und zu Füßen haben wir den alten Fidelin. Schlafen Sie wohl,                Herr Doctor.</p><lb/>
        <p>Arthur empfahl sich dem Marquis mit dem Versprechen, allen Anordnungen desselben zu                genügen, und ging nach Hause, nicht ohne einigen Verdruß über die seltsame                Einrichtung des Reisewagens, welcher in der That das Ansehn hatte, als wäre er für                den Kram eines herumziehenden Gauklers gemacht. Er ärgerte sich im Voraus über die                lächerlichen Auftritte, welche ihn an den Thoren und in den Wirthshäusern erwarteten,                wenn der räthselhafte Kasten die allfranzösische Maske des Marquis, die zwei                elfenbeineren Häuschen der Kanarienvögel und den grauen, in einem Atlasmuffe                versteckten Bologneser von sich gäbe. Er dachte darüber nach, ob sich nicht ein                Mittel<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0043] dem Wagen, darin ist eingepackt das Theater meines Lebens, das ich muß führen immer mit mir, wie der Thespis seinen Karren. Wo wir uns niederlassen zuerst, um zu halten eine große Rast, in Rom oder in Neapel, da schlag' ich auf meine kleine Bühne, und alsdann will ich Sie führen in meine Tragödie. Sie wird Ihnen gefallen, Herr Doctor, denn sie ist in dem wilden, grotesken Geschmack der englischen Literatur, in der Manier von dem Shakspeare, und meine Rolle ist der alte Narr, der Hanswurst, welcher lacht und weint in einem Athem. Noch eins, Herr Doctor! bringen Sie mir nicht eine Hutschachtel in den Wagen. Ich muß hängen hinein zwei Häuser mit meinen Kanarienvögeln, und zu Füßen haben wir den alten Fidelin. Schlafen Sie wohl, Herr Doctor. Arthur empfahl sich dem Marquis mit dem Versprechen, allen Anordnungen desselben zu genügen, und ging nach Hause, nicht ohne einigen Verdruß über die seltsame Einrichtung des Reisewagens, welcher in der That das Ansehn hatte, als wäre er für den Kram eines herumziehenden Gauklers gemacht. Er ärgerte sich im Voraus über die lächerlichen Auftritte, welche ihn an den Thoren und in den Wirthshäusern erwarteten, wenn der räthselhafte Kasten die allfranzösische Maske des Marquis, die zwei elfenbeineren Häuschen der Kanarienvögel und den grauen, in einem Atlasmuffe versteckten Bologneser von sich gäbe. Er dachte darüber nach, ob sich nicht ein Mittel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/43
Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/43>, abgerufen am 28.11.2024.