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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Körper, und ich will Ihnen, obgleich Sie sind jung und robust, nicht zumuthen zu leben einen einzigen Monat gleich mir.

Ich bin nicht verwöhnt, Herr Marquis.

Das ist gut, Herr Doctor, aber ich bin mehr. Ich bin gewöhnt zu leben als ein Cyniker. Das Unglück hat mich gemacht zu einem großen Philosophen, zuerst aus Noth, hernachmals aus Princip. Als ich war jung, da hab' ich gehabt mehr dienende Menschen um mich herum, als ich habe Finger an meinen Händen, ich habe geschlafen auf Seide und in Daunen, ich habe geleckt von zwanzig Schüsseln und Schalen, ich habe mich eingepuppt in Sammet und Pelz gegen die rauhe Luft, und so bin ich geworden eine schwache, kranke Creatur. Hernachmals hat unser Herr Gott auf mich gelegt eine schwere Hand, und ich bin gewesen todt. Nach dem Tode bin ich wieder aufgestanden, und da hat die strenge Noth mich erzogen als ihr Kind mit knappen und bittern Bissen und auf einem harten Kopfpolster, und sie hat mich gelehrt zu frieren und zu schwitzen, zu hungern und zu dürsten, mir zu treten die Sohlen wund und die Hände zu ringen steif. Das war eine böse Schule, so lange ich lernen mußte in ihr; aber als ich bin gewesen losgesprochen, da hab' ich mich zum ersten Male in meinem Leben gefühlt als mich selbst, als meinen eigenen Herrn und meinen eigenen Diener, und bin gewandert durch die Welt, wie der Philosoph

Körper, und ich will Ihnen, obgleich Sie sind jung und robust, nicht zumuthen zu leben einen einzigen Monat gleich mir.

Ich bin nicht verwöhnt, Herr Marquis.

Das ist gut, Herr Doctor, aber ich bin mehr. Ich bin gewöhnt zu leben als ein Cyniker. Das Unglück hat mich gemacht zu einem großen Philosophen, zuerst aus Noth, hernachmals aus Princip. Als ich war jung, da hab' ich gehabt mehr dienende Menschen um mich herum, als ich habe Finger an meinen Händen, ich habe geschlafen auf Seide und in Daunen, ich habe geleckt von zwanzig Schüsseln und Schalen, ich habe mich eingepuppt in Sammet und Pelz gegen die rauhe Luft, und so bin ich geworden eine schwache, kranke Creatur. Hernachmals hat unser Herr Gott auf mich gelegt eine schwere Hand, und ich bin gewesen todt. Nach dem Tode bin ich wieder aufgestanden, und da hat die strenge Noth mich erzogen als ihr Kind mit knappen und bittern Bissen und auf einem harten Kopfpolster, und sie hat mich gelehrt zu frieren und zu schwitzen, zu hungern und zu dürsten, mir zu treten die Sohlen wund und die Hände zu ringen steif. Das war eine böse Schule, so lange ich lernen mußte in ihr; aber als ich bin gewesen losgesprochen, da hab' ich mich zum ersten Male in meinem Leben gefühlt als mich selbst, als meinen eigenen Herrn und meinen eigenen Diener, und bin gewandert durch die Welt, wie der Philosoph

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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/39>, abgerufen am 28.11.2024.