Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.aus Berlin, dem ich die Mittheilungen verdanke, auf welche diese Erzählung gegründet ist. Kaum erkannte dieser den lebhaften, veränderungslustigen und launigen Schwärmer in dem stillen, abgeschlossenen und ganz in sich zurückgesunkenen Mönche wieder, dessen Gesicht ebenfalls die starre Ruhe seines Innern angenommen hatte. Nur dann und wann blitzte noch ein alter phantastischer Funke aus der spiegelglatten Eisfläche seines neuen Menschen hervor. Er hatte das Portrait der Debora mit einer goldenen Glorie eingefaßt und betete in demselben die heilige Jungfrau an. Wann er vor diesem Bilde läge, so erzählte er selbst, da schiene es ihm zuweilen, als ob auf einer Seite der Marquis in dem rosenrothen Sterbekleide, und auf der andern ein blasser Jüngling mit einem Strange um den Hals neben ihm knieeten. Ein andermal äußerte er: Es giebt nur eine Liebe, in welcher die erste und die letzte sich als eine und dieselbe begegnen und umfangen. Der Tag der Liebe hat nur eine Sonne, welche aufgeht, in die Höhe steigt und untersinkt, und doch zu allen Stunden dieselbe ist. Minna, Lureley, Debora und Maria sind nur verschiedene Strahlen desselben himmlischen Lichtes, in dessen unsichtbarem Mittelpunkte die Königin der ewigen Liebe thront. aus Berlin, dem ich die Mittheilungen verdanke, auf welche diese Erzählung gegründet ist. Kaum erkannte dieser den lebhaften, veränderungslustigen und launigen Schwärmer in dem stillen, abgeschlossenen und ganz in sich zurückgesunkenen Mönche wieder, dessen Gesicht ebenfalls die starre Ruhe seines Innern angenommen hatte. Nur dann und wann blitzte noch ein alter phantastischer Funke aus der spiegelglatten Eisfläche seines neuen Menschen hervor. Er hatte das Portrait der Debora mit einer goldenen Glorie eingefaßt und betete in demselben die heilige Jungfrau an. Wann er vor diesem Bilde läge, so erzählte er selbst, da schiene es ihm zuweilen, als ob auf einer Seite der Marquis in dem rosenrothen Sterbekleide, und auf der andern ein blasser Jüngling mit einem Strange um den Hals neben ihm knieeten. Ein andermal äußerte er: Es giebt nur eine Liebe, in welcher die erste und die letzte sich als eine und dieselbe begegnen und umfangen. Der Tag der Liebe hat nur eine Sonne, welche aufgeht, in die Höhe steigt und untersinkt, und doch zu allen Stunden dieselbe ist. Minna, Lureley, Debora und Maria sind nur verschiedene Strahlen desselben himmlischen Lichtes, in dessen unsichtbarem Mittelpunkte die Königin der ewigen Liebe thront. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="18"> <p><pb facs="#f0150"/> aus Berlin, dem ich die Mittheilungen verdanke, auf welche diese Erzählung gegründet ist. Kaum erkannte dieser den lebhaften, veränderungslustigen und launigen Schwärmer in dem stillen, abgeschlossenen und ganz in sich zurückgesunkenen Mönche wieder, dessen Gesicht ebenfalls die starre Ruhe seines Innern angenommen hatte. Nur dann und wann blitzte noch ein alter phantastischer Funke aus der spiegelglatten Eisfläche seines neuen Menschen hervor. Er hatte das Portrait der Debora mit einer goldenen Glorie eingefaßt und betete in demselben die heilige Jungfrau an. Wann er vor diesem Bilde läge, so erzählte er selbst, da schiene es ihm zuweilen, als ob auf einer Seite der Marquis in dem rosenrothen Sterbekleide, und auf der andern ein blasser Jüngling mit einem Strange um den Hals neben ihm knieeten. Ein andermal äußerte er: Es giebt nur eine Liebe, in welcher die erste und die letzte sich als eine und dieselbe begegnen und umfangen. Der Tag der Liebe hat nur eine Sonne, welche aufgeht, in die Höhe steigt und untersinkt, und doch zu allen Stunden dieselbe ist. Minna, Lureley, Debora und Maria sind nur verschiedene Strahlen desselben himmlischen Lichtes, in dessen unsichtbarem Mittelpunkte die Königin der ewigen Liebe thront.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0150]
aus Berlin, dem ich die Mittheilungen verdanke, auf welche diese Erzählung gegründet ist. Kaum erkannte dieser den lebhaften, veränderungslustigen und launigen Schwärmer in dem stillen, abgeschlossenen und ganz in sich zurückgesunkenen Mönche wieder, dessen Gesicht ebenfalls die starre Ruhe seines Innern angenommen hatte. Nur dann und wann blitzte noch ein alter phantastischer Funke aus der spiegelglatten Eisfläche seines neuen Menschen hervor. Er hatte das Portrait der Debora mit einer goldenen Glorie eingefaßt und betete in demselben die heilige Jungfrau an. Wann er vor diesem Bilde läge, so erzählte er selbst, da schiene es ihm zuweilen, als ob auf einer Seite der Marquis in dem rosenrothen Sterbekleide, und auf der andern ein blasser Jüngling mit einem Strange um den Hals neben ihm knieeten. Ein andermal äußerte er: Es giebt nur eine Liebe, in welcher die erste und die letzte sich als eine und dieselbe begegnen und umfangen. Der Tag der Liebe hat nur eine Sonne, welche aufgeht, in die Höhe steigt und untersinkt, und doch zu allen Stunden dieselbe ist. Minna, Lureley, Debora und Maria sind nur verschiedene Strahlen desselben himmlischen Lichtes, in dessen unsichtbarem Mittelpunkte die Königin der ewigen Liebe thront.
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