Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.er sich in Bewegung setzte, und führte ihn behutsam über den finstern Saal und die steile Treppe hinunter. Vor der Hausthüre verabschiedete er sich mit einem stummen, aber herzlichen Drucke der alten, zitternden Hand und wollte schnell nach der Richtung des brandenburger Thores entschlüpfen. Aber der Marquis, dessen Weg der entgegengesetzten Straße folgte, hielt ihn noch einen Augenblick zurück und flüsterte ihm vertraulich in das Ohr: Sagen Sie diesen Abend der Geheimeräthin und ihrer kleinen Tochter das Adieu, welches Sie mir haben zugedacht auf morgen. Sie lassen sich herumführen an der Nase und führen sich selbst herum. Liebe! Ah mon dieu, nennen Sie das nicht Liebe. Phantasie, mein Lieber, Phantasie! Zweites Kapitel. Arthur fand auf dem Wege nach dem Wilhelmsplatze, wo die Geheimeräthin Flügel wohnte, einige Muße, über das nachzudenken, was der Marquis ihm halb im Scherze halb im Ernste vorgehalten hatte. Die gutmüthige Art und Weise, mit welcher der alte Mann ihm, trotz seiner rücksichtslosen Grobheit, zugesprochen hatte, war nicht ohne Eindruck auf sein weiches und bewegliches Herz geblieben, und seine leicht erregbare Phantasie spielte mit dem schönen Klange des Namens Salerno behaglich fort und bildete sich daraus er sich in Bewegung setzte, und führte ihn behutsam über den finstern Saal und die steile Treppe hinunter. Vor der Hausthüre verabschiedete er sich mit einem stummen, aber herzlichen Drucke der alten, zitternden Hand und wollte schnell nach der Richtung des brandenburger Thores entschlüpfen. Aber der Marquis, dessen Weg der entgegengesetzten Straße folgte, hielt ihn noch einen Augenblick zurück und flüsterte ihm vertraulich in das Ohr: Sagen Sie diesen Abend der Geheimeräthin und ihrer kleinen Tochter das Adieu, welches Sie mir haben zugedacht auf morgen. Sie lassen sich herumführen an der Nase und führen sich selbst herum. Liebe! Ah mon dieu, nennen Sie das nicht Liebe. Phantasie, mein Lieber, Phantasie! Zweites Kapitel. Arthur fand auf dem Wege nach dem Wilhelmsplatze, wo die Geheimeräthin Flügel wohnte, einige Muße, über das nachzudenken, was der Marquis ihm halb im Scherze halb im Ernste vorgehalten hatte. Die gutmüthige Art und Weise, mit welcher der alte Mann ihm, trotz seiner rücksichtslosen Grobheit, zugesprochen hatte, war nicht ohne Eindruck auf sein weiches und bewegliches Herz geblieben, und seine leicht erregbare Phantasie spielte mit dem schönen Klange des Namens Salerno behaglich fort und bildete sich daraus <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0015"/> er sich in Bewegung setzte, und führte ihn behutsam über den finstern Saal und die steile Treppe hinunter. Vor der Hausthüre verabschiedete er sich mit einem stummen, aber herzlichen Drucke der alten, zitternden Hand und wollte schnell nach der Richtung des brandenburger Thores entschlüpfen. Aber der Marquis, dessen Weg der entgegengesetzten Straße folgte, hielt ihn noch einen Augenblick zurück und flüsterte ihm vertraulich in das Ohr: Sagen Sie diesen Abend der Geheimeräthin und ihrer kleinen Tochter das Adieu, welches Sie mir haben zugedacht auf morgen. Sie lassen sich herumführen an der Nase und führen sich selbst herum. Liebe! Ah mon dieu, nennen Sie das nicht Liebe. Phantasie, mein Lieber, Phantasie!</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="2"> <head>Zweites Kapitel.</head> <p>Arthur fand auf dem Wege nach dem Wilhelmsplatze, wo die Geheimeräthin Flügel wohnte, einige Muße, über das nachzudenken, was der Marquis ihm halb im Scherze halb im Ernste vorgehalten hatte. Die gutmüthige Art und Weise, mit welcher der alte Mann ihm, trotz seiner rücksichtslosen Grobheit, zugesprochen hatte, war nicht ohne Eindruck auf sein weiches und bewegliches Herz geblieben, und seine leicht erregbare Phantasie spielte mit dem schönen Klange des Namens Salerno behaglich fort und bildete sich daraus<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
er sich in Bewegung setzte, und führte ihn behutsam über den finstern Saal und die steile Treppe hinunter. Vor der Hausthüre verabschiedete er sich mit einem stummen, aber herzlichen Drucke der alten, zitternden Hand und wollte schnell nach der Richtung des brandenburger Thores entschlüpfen. Aber der Marquis, dessen Weg der entgegengesetzten Straße folgte, hielt ihn noch einen Augenblick zurück und flüsterte ihm vertraulich in das Ohr: Sagen Sie diesen Abend der Geheimeräthin und ihrer kleinen Tochter das Adieu, welches Sie mir haben zugedacht auf morgen. Sie lassen sich herumführen an der Nase und führen sich selbst herum. Liebe! Ah mon dieu, nennen Sie das nicht Liebe. Phantasie, mein Lieber, Phantasie!
Zweites Kapitel. Arthur fand auf dem Wege nach dem Wilhelmsplatze, wo die Geheimeräthin Flügel wohnte, einige Muße, über das nachzudenken, was der Marquis ihm halb im Scherze halb im Ernste vorgehalten hatte. Die gutmüthige Art und Weise, mit welcher der alte Mann ihm, trotz seiner rücksichtslosen Grobheit, zugesprochen hatte, war nicht ohne Eindruck auf sein weiches und bewegliches Herz geblieben, und seine leicht erregbare Phantasie spielte mit dem schönen Klange des Namens Salerno behaglich fort und bildete sich daraus
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