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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Procession in seinem Wege gekreuzt, das Haupt vor den verabscheuten Götzenbildern beugen mußte, eben so oft kehrte er mit neuen, oft bis zu der kühnsten Abenteuerlichkeit gesteigerten Plänen des Mordes und der Zerstörung in seine Höhle zurück. Er wollte die Peterskirche in Brand stecken, die Brunnen des Quirinals vergiften, und es ist sogar nicht unwahrscheinlich, daß er einige Tage damit umgegangen sei, den Papst in der großen Procession des Frohnleichnamsfestes zu erschießen.

Das milde und klare Wesen seiner Tochter, die er aus Perpignan nach Rom gezogen hatte, sobald er sich vermögend fühlte, die Pflichten eines Vaters an ihr zu erfüllen, konnte diesen bösen Geist in seinem Busen nicht besprechen, und je deutlicher sie sich zu einem Abbilde ihrer Mutter in Gestalt, Zügen, Augen, Sprache und selbst in kleinen Angewöhnungen und Eigenheiten entwickelte, um so aufregender schien ihre sonst so beruhigende Nähe für seine Leidenschaften. Der Engel des Friedens war ihm eine Furie der Rache, welche sich in die Gestalt seines gemordeten Weibes gekleidet hatte, um ihn als stumme Mahnerin zu der Erfüllung seiner blutigen Gelübde anzuspornen.

Indessen war der alte Aron, wie schon bemerkt worden ist, von einer so zaghaften Natur, wenn es darauf ankam einen gewagten Vorsatz in eine That zu verwandeln, und hing noch immer mit einer so muthlosen Liebe an seinem elenden Leben, daß die

Procession in seinem Wege gekreuzt, das Haupt vor den verabscheuten Götzenbildern beugen mußte, eben so oft kehrte er mit neuen, oft bis zu der kühnsten Abenteuerlichkeit gesteigerten Plänen des Mordes und der Zerstörung in seine Höhle zurück. Er wollte die Peterskirche in Brand stecken, die Brunnen des Quirinals vergiften, und es ist sogar nicht unwahrscheinlich, daß er einige Tage damit umgegangen sei, den Papst in der großen Procession des Frohnleichnamsfestes zu erschießen.

Das milde und klare Wesen seiner Tochter, die er aus Perpignan nach Rom gezogen hatte, sobald er sich vermögend fühlte, die Pflichten eines Vaters an ihr zu erfüllen, konnte diesen bösen Geist in seinem Busen nicht besprechen, und je deutlicher sie sich zu einem Abbilde ihrer Mutter in Gestalt, Zügen, Augen, Sprache und selbst in kleinen Angewöhnungen und Eigenheiten entwickelte, um so aufregender schien ihre sonst so beruhigende Nähe für seine Leidenschaften. Der Engel des Friedens war ihm eine Furie der Rache, welche sich in die Gestalt seines gemordeten Weibes gekleidet hatte, um ihn als stumme Mahnerin zu der Erfüllung seiner blutigen Gelübde anzuspornen.

Indessen war der alte Aron, wie schon bemerkt worden ist, von einer so zaghaften Natur, wenn es darauf ankam einen gewagten Vorsatz in eine That zu verwandeln, und hing noch immer mit einer so muthlosen Liebe an seinem elenden Leben, daß die

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[0146] Procession in seinem Wege gekreuzt, das Haupt vor den verabscheuten Götzenbildern beugen mußte, eben so oft kehrte er mit neuen, oft bis zu der kühnsten Abenteuerlichkeit gesteigerten Plänen des Mordes und der Zerstörung in seine Höhle zurück. Er wollte die Peterskirche in Brand stecken, die Brunnen des Quirinals vergiften, und es ist sogar nicht unwahrscheinlich, daß er einige Tage damit umgegangen sei, den Papst in der großen Procession des Frohnleichnamsfestes zu erschießen. Das milde und klare Wesen seiner Tochter, die er aus Perpignan nach Rom gezogen hatte, sobald er sich vermögend fühlte, die Pflichten eines Vaters an ihr zu erfüllen, konnte diesen bösen Geist in seinem Busen nicht besprechen, und je deutlicher sie sich zu einem Abbilde ihrer Mutter in Gestalt, Zügen, Augen, Sprache und selbst in kleinen Angewöhnungen und Eigenheiten entwickelte, um so aufregender schien ihre sonst so beruhigende Nähe für seine Leidenschaften. Der Engel des Friedens war ihm eine Furie der Rache, welche sich in die Gestalt seines gemordeten Weibes gekleidet hatte, um ihn als stumme Mahnerin zu der Erfüllung seiner blutigen Gelübde anzuspornen. Indessen war der alte Aron, wie schon bemerkt worden ist, von einer so zaghaften Natur, wenn es darauf ankam einen gewagten Vorsatz in eine That zu verwandeln, und hing noch immer mit einer so muthlosen Liebe an seinem elenden Leben, daß die

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/146>, abgerufen am 27.11.2024.