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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Wallfahrtsorte Theil zu nehmen, ich selbst der Bezauberte, welcher sich in den Liebestränken ihrer Augen zu überirdischer Seligkeit berauscht hatte!

Als ich am andern Morgen das himmelschreiende Ereigniß ihrer Verhaftung erfuhr, eilte ich, von Angst und Wuth gepeitscht, nach Valencia und ließ mich bei dem ersten Inquisitor melden, welcher zu dem Kreise meiner Bekanntschaft gehörte. Ich wurde nicht vorgelassen, und auch meine wiederholten und immer dringender werdenden Briefe an denselben blieben unbeantwortet. Da ahnete ich endlich den satanischen Ursprung und Zusammenhang der Verschwörung, welche die Verhaftung meiner Debora bewirkt hatte, und schauderte zurück vor dem Abgrunde, den das Licht der Hölle mir zu meinen Füßen eröffnet zeigte.

Donna Clara de Floridias, eine Schwester jenes Inquisitors, eine Dame von galantem Rufe, deren Gemahl seit einiger Zeit in Mexico einen wichtigen aber nicht beständigen Posten bekleidete, hatte mir unlängst ihre Gunst zugewandt, und ich war nicht unempfindlich für dieselbe geblieben. Aber meine Bekanntschaft mit der schönen Debora brach dieses Verhältniß augenblicklich ab, und gekränkter Stolz und eifersüchtige Rachgier machten eine Furie aus jenem Weibe. Sie hatte die ganze Anklage gegen die Unschuldige geschmiedet und die nächtliche Verhaftung derselben bei ihrem Bruder durchgesetzt; sie war es,

Wallfahrtsorte Theil zu nehmen, ich selbst der Bezauberte, welcher sich in den Liebestränken ihrer Augen zu überirdischer Seligkeit berauscht hatte!

Als ich am andern Morgen das himmelschreiende Ereigniß ihrer Verhaftung erfuhr, eilte ich, von Angst und Wuth gepeitscht, nach Valencia und ließ mich bei dem ersten Inquisitor melden, welcher zu dem Kreise meiner Bekanntschaft gehörte. Ich wurde nicht vorgelassen, und auch meine wiederholten und immer dringender werdenden Briefe an denselben blieben unbeantwortet. Da ahnete ich endlich den satanischen Ursprung und Zusammenhang der Verschwörung, welche die Verhaftung meiner Debora bewirkt hatte, und schauderte zurück vor dem Abgrunde, den das Licht der Hölle mir zu meinen Füßen eröffnet zeigte.

Donna Clara de Floridias, eine Schwester jenes Inquisitors, eine Dame von galantem Rufe, deren Gemahl seit einiger Zeit in Mexico einen wichtigen aber nicht beständigen Posten bekleidete, hatte mir unlängst ihre Gunst zugewandt, und ich war nicht unempfindlich für dieselbe geblieben. Aber meine Bekanntschaft mit der schönen Debora brach dieses Verhältniß augenblicklich ab, und gekränkter Stolz und eifersüchtige Rachgier machten eine Furie aus jenem Weibe. Sie hatte die ganze Anklage gegen die Unschuldige geschmiedet und die nächtliche Verhaftung derselben bei ihrem Bruder durchgesetzt; sie war es,

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[0114] Wallfahrtsorte Theil zu nehmen, ich selbst der Bezauberte, welcher sich in den Liebestränken ihrer Augen zu überirdischer Seligkeit berauscht hatte! Als ich am andern Morgen das himmelschreiende Ereigniß ihrer Verhaftung erfuhr, eilte ich, von Angst und Wuth gepeitscht, nach Valencia und ließ mich bei dem ersten Inquisitor melden, welcher zu dem Kreise meiner Bekanntschaft gehörte. Ich wurde nicht vorgelassen, und auch meine wiederholten und immer dringender werdenden Briefe an denselben blieben unbeantwortet. Da ahnete ich endlich den satanischen Ursprung und Zusammenhang der Verschwörung, welche die Verhaftung meiner Debora bewirkt hatte, und schauderte zurück vor dem Abgrunde, den das Licht der Hölle mir zu meinen Füßen eröffnet zeigte. Donna Clara de Floridias, eine Schwester jenes Inquisitors, eine Dame von galantem Rufe, deren Gemahl seit einiger Zeit in Mexico einen wichtigen aber nicht beständigen Posten bekleidete, hatte mir unlängst ihre Gunst zugewandt, und ich war nicht unempfindlich für dieselbe geblieben. Aber meine Bekanntschaft mit der schönen Debora brach dieses Verhältniß augenblicklich ab, und gekränkter Stolz und eifersüchtige Rachgier machten eine Furie aus jenem Weibe. Sie hatte die ganze Anklage gegen die Unschuldige geschmiedet und die nächtliche Verhaftung derselben bei ihrem Bruder durchgesetzt; sie war es,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/114>, abgerufen am 24.11.2024.