Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

Bild:
<< vorherige Seite
Geistliche Gedichte und Lieder.
Du bist als Pilgerinn in Thränen hier gegangen/
Nun aber wirst du dort den Gnaden-Lohn empfangen/
Und wahre Himmels-Lust folgt auf der Erden Weh.
Laß/ was verwesen kan/ im Schos der Erden ligen/
Du must nach Adlers Art zur Lebens-Sonne fliegen.
Liebe zu GOTT.
Sechstinne.
WAs lieb' ich? lieb' ich denn das Hauß der grossen Welt?
Ergetze mich an Ehr/ und hoher Würden-Macht?
Verschliesse meine Zeit in Lieblichkeit und Lust?
Ersättige mein Aug' an Schönheit der Gestalt?
Thu meinem Leibe wohl bey guter Speiß und Tranck?
Kauff Aecker/ Wiesen/ Feld/ und bau auf meinen Schatz?
Nein; meine Seele scheut die wandelbare Macht/
Und haßt was sie befleckt/ die aufgeputzte Lust.
Sie kennt den Fallstrick wohl der reitzrischen Gestalt/
Und weiß/ daß sie erstickt in Schwelgerey und Tranck/
Wie sehr ihr hinderlich ein Kummer-reicher Schatz/
Und daß nur Eitelkeit wohnt in dem Hauß der Welt.
Jch liebe meinen GOtt/ den Brunnquell aller Lust/
Und sehe schon im Geist die himmlische Gestalt.
Mein Schöpffer reichet mir den wahren Himmels-Tranck/
Schenckt mir die Seeligkeit/ ach unvergleichlich Schatz.
Die Erde stinckt mich an/ ich hasse Geld und Welt/
Weil über alles diß noch eine höh're Macht.
O Glantz der Herrlichkeit! O lieblichste Gestalt!
Wie sehn ich mich nach dir! Geuß doch den Lebens-Tranck
Den dürren Lippen ein/ mein Heyland und mein Schatz!
Befreye mich doch bald und nimm mich von der Welt/
Jn der ich schmachten muß! Dein unumbschriebne Macht/
Vermag ja zu ertheiln die höchstgewünschte Lust.
Jch habe nie geliebt der Wollust Zauber-Tranck
Und geitzig nachgestrebt zu haben einen Schatz.
Jch wuste daß verging die Eitelkeit der Welt/
Drumb war ich nicht ihr Freund. Jch lacht' offt ihrer Macht/
Und seuffz'te nur zu dir/ mein GOtt/ weil keine Lust
Ohn Angst. Und Jahr und Zeit verderben die Gestalt.
Nun HErr/ weil ich dich lieb/ entschlag ich mich der Welt/
Weil ich dein Allmacht ehr/ verspott ich ird'sche Macht/
Und
B b b b b b 4
Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Du biſt als Pilgerinn in Thraͤnen hier gegangen/
Nun aber wirſt du dort den Gnaden-Lohn empfangen/
Und wahre Himmels-Luſt folgt auf der Erden Weh.
Laß/ was verweſen kan/ im Schos der Erden ligen/
Du muſt nach Adlers Art zur Lebens-Sonne fliegen.
Liebe zu GOTT.
Sechſtinne.
WAs lieb’ ich? lieb’ ich denn das Hauß der groſſen Welt?
Ergetze mich an Ehr/ und hoher Wuͤrden-Macht?
Verſchlieſſe meine Zeit in Lieblichkeit und Luſt?
Erſaͤttige mein Aug’ an Schoͤnheit der Geſtalt?
Thu meinem Leibe wohl bey guter Speiß und Tranck?
Kauff Aecker/ Wieſen/ Feld/ und bau auf meinen Schatz?
Nein; meine Seele ſcheut die wandelbare Macht/
Und haßt was ſie befleckt/ die aufgeputzte Luſt.
Sie kennt den Fallſtrick wohl der reitzriſchen Geſtalt/
Und weiß/ daß ſie erſtickt in Schwelgerey und Tranck/
Wie ſehr ihr hinderlich ein Kummer-reicher Schatz/
Und daß nur Eitelkeit wohnt in dem Hauß der Welt.
Jch liebe meinen GOtt/ den Brunnquell aller Luſt/
Und ſehe ſchon im Geiſt die himmliſche Geſtalt.
Mein Schoͤpffer reichet mir den wahren Himmels-Tranck/
Schenckt mir die Seeligkeit/ ach unvergleichlich Schatz.
Die Erde ſtinckt mich an/ ich haſſe Geld und Welt/
Weil uͤber alles diß noch eine hoͤh’re Macht.
O Glantz der Herrlichkeit! O lieblichſte Geſtalt!
Wie ſehn ich mich nach dir! Geuß doch den Lebens-Tranck
Den duͤrren Lippen ein/ mein Heyland und mein Schatz!
Befreye mich doch bald und nimm mich von der Welt/
Jn der ich ſchmachten muß! Dein unumbſchriebne Macht/
Vermag ja zu ertheiln die hoͤchſtgewuͤnſchte Luſt.
Jch habe nie geliebt der Wolluſt Zauber-Tranck
Und geitzig nachgeſtrebt zu haben einen Schatz.
Jch wuſte daß verging die Eitelkeit der Welt/
Drumb war ich nicht ihr Freund. Jch lacht’ offt ihrer Macht/
Und ſeuffz’te nur zu dir/ mein GOtt/ weil keine Luſt
Ohn Angſt. Und Jahr und Zeit verderben die Geſtalt.
Nun HErr/ weil ich dich lieb/ entſchlag ich mich der Welt/
Weil ich dein Allmacht ehr/ verſpott ich ird’ſche Macht/
Und
B b b b b b 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0751" n="23"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Gei&#x017F;tliche Gedichte und Lieder.</hi> </fw><lb/>
          <l>Du bi&#x017F;t als Pilgerinn in Thra&#x0364;nen hier gegangen/</l><lb/>
          <l>Nun aber wir&#x017F;t du dort den Gnaden-Lohn empfangen/</l><lb/>
          <l>Und wahre Himmels-Lu&#x017F;t folgt auf der Erden Weh.</l><lb/>
          <l>Laß/ was verwe&#x017F;en kan/ im Schos der Erden ligen/</l><lb/>
          <l>Du mu&#x017F;t nach Adlers Art zur Lebens-Sonne fliegen.</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Liebe zu GOTT.<lb/>
Sech&#x017F;tinne.</hi> </hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">W</hi>As lieb&#x2019; ich? lieb&#x2019; ich denn das Hauß der gro&#x017F;&#x017F;en Welt?</l><lb/>
          <l>Ergetze mich an Ehr/ und hoher Wu&#x0364;rden-Macht?</l><lb/>
          <l>Ver&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;e meine Zeit in Lieblichkeit und Lu&#x017F;t?</l><lb/>
          <l>Er&#x017F;a&#x0364;ttige mein Aug&#x2019; an Scho&#x0364;nheit der Ge&#x017F;talt?</l><lb/>
          <l>Thu meinem Leibe wohl bey guter Speiß und Tranck?</l><lb/>
          <l>Kauff Aecker/ Wie&#x017F;en/ Feld/ und bau auf meinen Schatz?</l><lb/>
          <l>Nein; meine Seele &#x017F;cheut die wandelbare Macht/</l><lb/>
          <l>Und haßt was &#x017F;ie befleckt/ die aufgeputzte Lu&#x017F;t.</l><lb/>
          <l>Sie kennt den Fall&#x017F;trick wohl der reitzri&#x017F;chen Ge&#x017F;talt/</l><lb/>
          <l>Und weiß/ daß &#x017F;ie er&#x017F;tickt in Schwelgerey und Tranck/</l><lb/>
          <l>Wie &#x017F;ehr ihr hinderlich ein Kummer-reicher Schatz/</l><lb/>
          <l>Und daß nur Eitelkeit wohnt in dem Hauß der Welt.</l><lb/>
          <l>Jch liebe meinen GOtt/ den Brunnquell aller Lu&#x017F;t/</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;ehe &#x017F;chon im Gei&#x017F;t die himmli&#x017F;che Ge&#x017F;talt.</l><lb/>
          <l>Mein Scho&#x0364;pffer reichet mir den wahren Himmels-Tranck/</l><lb/>
          <l>Schenckt mir die Seeligkeit/ ach unvergleichlich Schatz.</l><lb/>
          <l>Die Erde &#x017F;tinckt mich an/ ich ha&#x017F;&#x017F;e Geld und Welt/</l><lb/>
          <l>Weil u&#x0364;ber alles diß noch eine ho&#x0364;h&#x2019;re Macht.</l><lb/>
          <l>O Glantz der Herrlichkeit! O lieblich&#x017F;te Ge&#x017F;talt!</l><lb/>
          <l>Wie &#x017F;ehn ich mich nach dir! Geuß doch den Lebens-Tranck</l><lb/>
          <l>Den du&#x0364;rren Lippen ein/ mein Heyland und mein Schatz!</l><lb/>
          <l>Befreye mich doch bald und nimm mich von der Welt/</l><lb/>
          <l>Jn der ich &#x017F;chmachten muß! Dein unumb&#x017F;chriebne Macht/</l><lb/>
          <l>Vermag ja zu ertheiln die ho&#x0364;ch&#x017F;tgewu&#x0364;n&#x017F;chte Lu&#x017F;t.</l><lb/>
          <l>Jch habe nie geliebt der Wollu&#x017F;t Zauber-Tranck</l><lb/>
          <l>Und geitzig nachge&#x017F;trebt zu haben einen Schatz.</l><lb/>
          <l>Jch wu&#x017F;te daß verging die Eitelkeit der Welt/</l><lb/>
          <l>Drumb war ich nicht ihr Freund. Jch lacht&#x2019; offt ihrer Macht/</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;euffz&#x2019;te nur zu dir/ mein GOtt/ weil keine Lu&#x017F;t</l><lb/>
          <l>Ohn Ang&#x017F;t. Und Jahr und Zeit verderben die Ge&#x017F;talt.</l><lb/>
          <l>Nun HErr/ weil ich dich lieb/ ent&#x017F;chlag ich mich der Welt/</l><lb/>
          <l>Weil ich dein Allmacht ehr/ ver&#x017F;pott ich ird&#x2019;&#x017F;che Macht/</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">B b b b b b 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0751] Geiſtliche Gedichte und Lieder. Du biſt als Pilgerinn in Thraͤnen hier gegangen/ Nun aber wirſt du dort den Gnaden-Lohn empfangen/ Und wahre Himmels-Luſt folgt auf der Erden Weh. Laß/ was verweſen kan/ im Schos der Erden ligen/ Du muſt nach Adlers Art zur Lebens-Sonne fliegen. Liebe zu GOTT. Sechſtinne. WAs lieb’ ich? lieb’ ich denn das Hauß der groſſen Welt? Ergetze mich an Ehr/ und hoher Wuͤrden-Macht? Verſchlieſſe meine Zeit in Lieblichkeit und Luſt? Erſaͤttige mein Aug’ an Schoͤnheit der Geſtalt? Thu meinem Leibe wohl bey guter Speiß und Tranck? Kauff Aecker/ Wieſen/ Feld/ und bau auf meinen Schatz? Nein; meine Seele ſcheut die wandelbare Macht/ Und haßt was ſie befleckt/ die aufgeputzte Luſt. Sie kennt den Fallſtrick wohl der reitzriſchen Geſtalt/ Und weiß/ daß ſie erſtickt in Schwelgerey und Tranck/ Wie ſehr ihr hinderlich ein Kummer-reicher Schatz/ Und daß nur Eitelkeit wohnt in dem Hauß der Welt. Jch liebe meinen GOtt/ den Brunnquell aller Luſt/ Und ſehe ſchon im Geiſt die himmliſche Geſtalt. Mein Schoͤpffer reichet mir den wahren Himmels-Tranck/ Schenckt mir die Seeligkeit/ ach unvergleichlich Schatz. Die Erde ſtinckt mich an/ ich haſſe Geld und Welt/ Weil uͤber alles diß noch eine hoͤh’re Macht. O Glantz der Herrlichkeit! O lieblichſte Geſtalt! Wie ſehn ich mich nach dir! Geuß doch den Lebens-Tranck Den duͤrren Lippen ein/ mein Heyland und mein Schatz! Befreye mich doch bald und nimm mich von der Welt/ Jn der ich ſchmachten muß! Dein unumbſchriebne Macht/ Vermag ja zu ertheiln die hoͤchſtgewuͤnſchte Luſt. Jch habe nie geliebt der Wolluſt Zauber-Tranck Und geitzig nachgeſtrebt zu haben einen Schatz. Jch wuſte daß verging die Eitelkeit der Welt/ Drumb war ich nicht ihr Freund. Jch lacht’ offt ihrer Macht/ Und ſeuffz’te nur zu dir/ mein GOtt/ weil keine Luſt Ohn Angſt. Und Jahr und Zeit verderben die Geſtalt. Nun HErr/ weil ich dich lieb/ entſchlag ich mich der Welt/ Weil ich dein Allmacht ehr/ verſpott ich ird’ſche Macht/ Und B b b b b b 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/751
Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/751>, abgerufen am 23.11.2024.