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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Die du den Urtheil-Spruch von unsern Thaten sag'st/
Und frey die Tugend lobst und an die Laster klag'st.
Die man sucht überall und nirgend doch kan finden/
Dem der dir nachgesetzt/ pflegstu nur zu entfliehn/
Du wirst bey Hochmuth nicht und Eitelkeit einziehn
Den Sitz mehr auff ein Grab als Thron und Cronen gründen/
Wo dir mein Aug' als Blut/ mein Mund erscheint als Bley/
So dencke daß mein Schmertz gewiß höchstklagbar sey.

Die Nachwelt.
Betrübtste/ was ist das? welch grausam Ungewitter
Blitzt über deinem Kopff/ zerbricht dir Helm und Schild/
Zerreist die Sieges-Fahn/ und hat schon eingehüllt
Ach Schmertz! ins Leichen-Tuch den hochgebornen Ritter?
Der einem Atlas gleich das Land hat unterstützt.
Gemeines Heil geliebt und deinen Ruhm beschützt.
Nein Schwester dencke nicht das Poser gantz kan sterben.
Als aus dem Cörper nur entwich der edle Geist/
Und seinem Ursprung nach den Sternen zugereist/
Hieß die Unsterblichkeit ein ewig Lob ihn erben.
Ertheilte mir Befehl/ daß ich durch meinen Klang
Verkündigte dein Ruhm bey Auf- und Untergang.
Der Adel.
Mein schönstes Kleinod ist aus meinem Ring gefallen/
Er war in meiner Cron ein mehr als edler Stein/
Wie offt hat mich erquickt der Tugend Sonnen-Schein/
Ach daß doch Cedern auch gleich andern Bäumen fallen!
So gibt der werthe Mund mir ferner keinen Rath
Der Perlen ausgeschütt't und Gold geregnet hat.
Sein Stammbaum der geprangt mit Ruhm und Sieges-Kräntze/
Schenckt keinen Phönix mehr zu Nutz und Trost der Welt.
Die Wurtzel ist verletzt/ die Aeste sind gefällt/
Was einmal schon entzwey kan Chiron nicht ergäntzen.
Diß ist der Uberrest was ich zu Grabe führ'
Und noch zuletzt die Asch' aus Treu und Pflicht berühr.
Die Nachwelt.
Es sey/ du lieferst ja nur bloß des Leibes Schalen/
Der Seelen himmlisch Fener blitzt unter Sternen schon.
Jetzt geb ich billich ihm den längst erworb'nen Lohn
Und will den Ritters-Mann der wolgeprüft abmahlen/
Reiß meinen Vorsatz nicht durch deine Thränen ein/
Diß Opffer fühlt er nicht/ nur bloß der Leichenstein.
Rom

Leichen-Gedichte.
Die du den Urtheil-Spruch von unſern Thaten ſag’ſt/
Und frey die Tugend lobſt und an die Laſter klag’ſt.
Die man ſucht uͤberall und nirgend doch kan finden/
Dem der dir nachgeſetzt/ pflegſtu nur zu entfliehn/
Du wirſt bey Hochmuth nicht und Eitelkeit einziehn
Den Sitz mehr auff ein Grab als Thron und Cronen gruͤnden/
Wo dir mein Aug’ als Blut/ mein Mund erſcheint als Bley/
So dencke daß mein Schmertz gewiß hoͤchſtklagbar ſey.

Die Nachwelt.
Betruͤbtſte/ was iſt das? welch grauſam Ungewitter
Blitzt uͤber deinem Kopff/ zerbricht dir Helm und Schild/
Zerreiſt die Sieges-Fahn/ und hat ſchon eingehuͤllt
Ach Schmertz! ins Leichen-Tuch den hochgebornen Ritter?
Der einem Atlas gleich das Land hat unterſtuͤtzt.
Gemeines Heil geliebt und deinen Ruhm beſchuͤtzt.
Nein Schweſter dencke nicht das Poſer gantz kan ſterben.
Als aus dem Coͤrper nur entwich der edle Geiſt/
Und ſeinem Urſprung nach den Sternen zugereiſt/
Hieß die Unſterblichkeit ein ewig Lob ihn erben.
Ertheilte mir Befehl/ daß ich durch meinen Klang
Verkuͤndigte dein Ruhm bey Auf- und Untergang.
Der Adel.
Mein ſchoͤnſtes Kleinod iſt aus meinem Ring gefallen/
Er war in meiner Cron ein mehr als edler Stein/
Wie offt hat mich erquickt der Tugend Sonnen-Schein/
Ach daß doch Cedern auch gleich andern Baͤumen fallen!
So gibt der werthe Mund mir ferner keinen Rath
Der Perlen ausgeſchuͤtt’t und Gold geregnet hat.
Sein Stam̃baum der geprangt mit Ruhm und Sieges-Kraͤntze/
Schenckt keinen Phoͤnix mehr zu Nutz und Troſt der Welt.
Die Wurtzel iſt verletzt/ die Aeſte ſind gefaͤllt/
Was einmal ſchon entzwey kan Chiron nicht ergaͤntzen.
Diß iſt der Uberreſt was ich zu Grabe fuͤhr’
Und noch zuletzt die Aſch’ aus Treu und Pflicht beruͤhr.
Die Nachwelt.
Es ſey/ du lieferſt ja nur bloß des Leibes Schalen/
Der Seelen himmliſch Fener blitzt unter Sternen ſchon.
Jetzt geb ich billich ihm den laͤngſt erworb’nen Lohn
Und will den Ritters-Mann der wolgepruͤft abmahlen/
Reiß meinen Vorſatz nicht durch deine Thraͤnen ein/
Diß Opffer fuͤhlt er nicht/ nur bloß der Leichenſtein.
Rom
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[447/0679] Leichen-Gedichte. Die du den Urtheil-Spruch von unſern Thaten ſag’ſt/ Und frey die Tugend lobſt und an die Laſter klag’ſt. Die man ſucht uͤberall und nirgend doch kan finden/ Dem der dir nachgeſetzt/ pflegſtu nur zu entfliehn/ Du wirſt bey Hochmuth nicht und Eitelkeit einziehn Den Sitz mehr auff ein Grab als Thron und Cronen gruͤnden/ Wo dir mein Aug’ als Blut/ mein Mund erſcheint als Bley/ So dencke daß mein Schmertz gewiß hoͤchſtklagbar ſey. Die Nachwelt. Betruͤbtſte/ was iſt das? welch grauſam Ungewitter Blitzt uͤber deinem Kopff/ zerbricht dir Helm und Schild/ Zerreiſt die Sieges-Fahn/ und hat ſchon eingehuͤllt Ach Schmertz! ins Leichen-Tuch den hochgebornen Ritter? Der einem Atlas gleich das Land hat unterſtuͤtzt. Gemeines Heil geliebt und deinen Ruhm beſchuͤtzt. Nein Schweſter dencke nicht das Poſer gantz kan ſterben. Als aus dem Coͤrper nur entwich der edle Geiſt/ Und ſeinem Urſprung nach den Sternen zugereiſt/ Hieß die Unſterblichkeit ein ewig Lob ihn erben. Ertheilte mir Befehl/ daß ich durch meinen Klang Verkuͤndigte dein Ruhm bey Auf- und Untergang. Der Adel. Mein ſchoͤnſtes Kleinod iſt aus meinem Ring gefallen/ Er war in meiner Cron ein mehr als edler Stein/ Wie offt hat mich erquickt der Tugend Sonnen-Schein/ Ach daß doch Cedern auch gleich andern Baͤumen fallen! So gibt der werthe Mund mir ferner keinen Rath Der Perlen ausgeſchuͤtt’t und Gold geregnet hat. Sein Stam̃baum der geprangt mit Ruhm und Sieges-Kraͤntze/ Schenckt keinen Phoͤnix mehr zu Nutz und Troſt der Welt. Die Wurtzel iſt verletzt/ die Aeſte ſind gefaͤllt/ Was einmal ſchon entzwey kan Chiron nicht ergaͤntzen. Diß iſt der Uberreſt was ich zu Grabe fuͤhr’ Und noch zuletzt die Aſch’ aus Treu und Pflicht beruͤhr. Die Nachwelt. Es ſey/ du lieferſt ja nur bloß des Leibes Schalen/ Der Seelen himmliſch Fener blitzt unter Sternen ſchon. Jetzt geb ich billich ihm den laͤngſt erworb’nen Lohn Und will den Ritters-Mann der wolgepruͤft abmahlen/ Reiß meinen Vorſatz nicht durch deine Thraͤnen ein/ Diß Opffer fuͤhlt er nicht/ nur bloß der Leichenſtein. Rom

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/679>, abgerufen am 24.07.2024.