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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Es sey Hesperien der Garten nun gepriesen/
Da wo sich Lybien in so viel Krümmen senckt:
Es sey das Mohrenland/ der Tingitaner Wiesen/
Des Gartens Kostbarkeit zum Eigenthum geschenckt;
Und Atlas mag allda den Himmel unterstützen/
Damit dem Fabelwerck die Schmincke gar nicht fehlt:
Ein ungeheurer Drach' ob diesen Aepffeln sitzen/
Der bey den Bäumen ligt und alle Früchte zehlt.
Jedweder Zweigsey Gold/ der Stamm aus Gold entsprossen/
Damit kein Hercules was von den Schätzen raubt.
So sinds dem Heydenthum nur angenehme Pössen/
Die unser kluge Welt verlachet und nicht glaubt.
Denn was am Cedern-Holtz und an Citronen-Aesten
Von Arten und Gestalt ist bißhieher nicht klar;
Rathgeber der Natur/ du wustest diß am besten
Dem ihrer Heimlichkeit Schatzkammer offenbar.
Was hat nicht deine Hand gepflantzet und beschnitten?
Welch Saamen und Gewächs ist nicht durch dich erbaut?
Wie weit die Neuen von den Alten abgeschritten/
Gab uns dein Garten offt zu sehn an jedem Kraut.
Was will denn Aegle nun vorstellen an Citronen?
Dich selbst Machaons Sohn/ der weisen Aertzte Zier.
Nichts ist verächtlicher als die gemahlten Bohnen/
Hier zieht der Werth der Frucht sie güldnen Aepffeln für.
Wie schön ist die Gestalt? so ein gelehrt Gemüthe?
Der Apffel länglicht rund? So ein erfahrner Mann?
Er nutzet über all durch seiner Gaben Güte
Und Kunst und Wissenschafft zeugt auch die Rundung an.
Was wird das Auge mehr ergetzen als Citronen?
Gekrönter Häupter Mahl sucht ihre Zier und Glantz.
Wo Weisheit und Verstand in einer Seele wohnen/
Da windet auch der Ruhm den schönsten Ehren-Krantz.
Nun/ untersuchen wir/ den Ursprung wie sie heissen
Der Artzney Apffel mag ein Lebens-Apffel seyn.
Als Evens Vorwitz pflag den Apffel anzubeissen/
So büste sie darob den Baum des Lebens ein.
Biß daß ein ander Holtz das wieder uns geschencket.
Ach seelig wer allhier ermuntert seinen Geist/
Und für den Juden an die Lauberhütten dencket/
So mit Citronen sonst ihr Wahn noch feyren heist.
Was
Leichen-Gedichte.
Es ſey Heſperien der Garten nun geprieſen/
Da wo ſich Lybien in ſo viel Kruͤmmen ſenckt:
Es ſey das Mohrenland/ der Tingitaner Wieſen/
Des Gartens Koſtbarkeit zum Eigenthum geſchenckt;
Und Atlas mag allda den Himmel unterſtuͤtzen/
Damit dem Fabelwerck die Schmincke gar nicht fehlt:
Ein ungeheurer Drach’ ob dieſen Aepffeln ſitzen/
Der bey den Baͤumen ligt und alle Fruͤchte zehlt.
Jedweder Zweigſey Gold/ der Stamm aus Gold entſproſſen/
Damit kein Hercules was von den Schaͤtzen raubt.
So ſinds dem Heydenthum nur angenehme Poͤſſen/
Die unſer kluge Welt verlachet und nicht glaubt.
Denn was am Cedern-Holtz und an Citronen-Aeſten
Von Arten und Geſtalt iſt bißhieher nicht klar;
Rathgeber der Natur/ du wuſteſt diß am beſten
Dem ihrer Heimlichkeit Schatzkammer offenbar.
Was hat nicht deine Hand gepflantzet und beſchnitten?
Welch Saamen und Gewaͤchs iſt nicht durch dich erbaut?
Wie weit die Neuen von den Alten abgeſchritten/
Gab uns dein Garten offt zu ſehn an jedem Kraut.
Was will denn Aegle nun vorſtellen an Citronen?
Dich ſelbſt Machaons Sohn/ der weiſen Aertzte Zier.
Nichts iſt veraͤchtlicher als die gemahlten Bohnen/
Hier zieht der Werth der Frucht ſie guͤldnen Aepffeln fuͤr.
Wie ſchoͤn iſt die Geſtalt? ſo ein gelehrt Gemuͤthe?
Der Apffel laͤnglicht rund? So ein erfahrner Mann?
Er nutzet uͤber all durch ſeiner Gaben Guͤte
Und Kunſt und Wiſſenſchafft zeugt auch die Rundung an.
Was wird das Auge mehr ergetzen als Citronen?
Gekroͤnter Haͤupter Mahl ſucht ihre Zier und Glantz.
Wo Weisheit und Verſtand in einer Seele wohnen/
Da windet auch der Ruhm den ſchoͤnſten Ehren-Krantz.
Nun/ unterſuchen wir/ den Urſprung wie ſie heiſſen
Der Artzney Apffel mag ein Lebens-Apffel ſeyn.
Als Evens Vorwitz pflag den Apffel anzubeiſſen/
So buͤſte ſie darob den Baum des Lebens ein.
Biß daß ein ander Holtz das wieder uns geſchencket.
Ach ſeelig wer allhier ermuntert ſeinen Geiſt/
Und fuͤr den Juden an die Lauberhuͤtten dencket/
So mit Citronen ſonſt ihr Wahn noch feyren heiſt.
Was
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[445/0677] Leichen-Gedichte. Es ſey Heſperien der Garten nun geprieſen/ Da wo ſich Lybien in ſo viel Kruͤmmen ſenckt: Es ſey das Mohrenland/ der Tingitaner Wieſen/ Des Gartens Koſtbarkeit zum Eigenthum geſchenckt; Und Atlas mag allda den Himmel unterſtuͤtzen/ Damit dem Fabelwerck die Schmincke gar nicht fehlt: Ein ungeheurer Drach’ ob dieſen Aepffeln ſitzen/ Der bey den Baͤumen ligt und alle Fruͤchte zehlt. Jedweder Zweigſey Gold/ der Stamm aus Gold entſproſſen/ Damit kein Hercules was von den Schaͤtzen raubt. So ſinds dem Heydenthum nur angenehme Poͤſſen/ Die unſer kluge Welt verlachet und nicht glaubt. Denn was am Cedern-Holtz und an Citronen-Aeſten Von Arten und Geſtalt iſt bißhieher nicht klar; Rathgeber der Natur/ du wuſteſt diß am beſten Dem ihrer Heimlichkeit Schatzkammer offenbar. Was hat nicht deine Hand gepflantzet und beſchnitten? Welch Saamen und Gewaͤchs iſt nicht durch dich erbaut? Wie weit die Neuen von den Alten abgeſchritten/ Gab uns dein Garten offt zu ſehn an jedem Kraut. Was will denn Aegle nun vorſtellen an Citronen? Dich ſelbſt Machaons Sohn/ der weiſen Aertzte Zier. Nichts iſt veraͤchtlicher als die gemahlten Bohnen/ Hier zieht der Werth der Frucht ſie guͤldnen Aepffeln fuͤr. Wie ſchoͤn iſt die Geſtalt? ſo ein gelehrt Gemuͤthe? Der Apffel laͤnglicht rund? So ein erfahrner Mann? Er nutzet uͤber all durch ſeiner Gaben Guͤte Und Kunſt und Wiſſenſchafft zeugt auch die Rundung an. Was wird das Auge mehr ergetzen als Citronen? Gekroͤnter Haͤupter Mahl ſucht ihre Zier und Glantz. Wo Weisheit und Verſtand in einer Seele wohnen/ Da windet auch der Ruhm den ſchoͤnſten Ehren-Krantz. Nun/ unterſuchen wir/ den Urſprung wie ſie heiſſen Der Artzney Apffel mag ein Lebens-Apffel ſeyn. Als Evens Vorwitz pflag den Apffel anzubeiſſen/ So buͤſte ſie darob den Baum des Lebens ein. Biß daß ein ander Holtz das wieder uns geſchencket. Ach ſeelig wer allhier ermuntert ſeinen Geiſt/ Und fuͤr den Juden an die Lauberhuͤtten dencket/ So mit Citronen ſonſt ihr Wahn noch feyren heiſt. Was

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/677>, abgerufen am 22.11.2024.