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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Wie stärckt dich nicht der Thau der Weyrauch-Hügel?
Trotz diesem der dich von der Ruh erweckt.
Denn auff sein Hertz hat als ein theures Sigel
Aus Lieb und Huld dein JEsus dich gesteckt.

8.
Wie rufft jemand? kehr umb als wie ein Rehe/
Als wie ein Hirsch von Scheide-Bergen kömmt.
Diß ruffen fällt nicht von der lichten Höhe/
Die Stimm ist gantz mit Ach und Weh verstimmt.
Des Vatern Schmertz/ der Mutter Seelen Wunden/
Die Thränen-Fluth/ so das Geschwister geust/
Vergrössern sich/ sie seuffzen alle Stunden
Zu früh/ ach Sohn! ach Bruder! weggereist.
9.
Als wie ein Reh' im güldnen Lentzen springet/
So warst du auch voll Leben/ Geist und Muth.
Und wie ein Lamm dem Hirten Freude bringet/
So warst du auch der Eltern Schatz und Gut.
An Reinigkeit wie eine Turtel-Taube/
Die Einfalt nur mit ihrer Unschuld ziert/
Von solchem Stamm ein angenehme Traube
Der blosen Schmack der Tugend in sich führt.
10.
So muß die Bluhm' offt in der Knospe sterben/
Eh sie noch gantz den Purpur ausgebreit.
Es fängt sich kaum die Nelck an recht zu färben/
So faltet sich und bricht ihr Atlas-Kleid.
Euch ist die Flucht/ O Eltern/ all zu bitter/
Die schlechter Trost nicht überzuckern mag.
Der Kinder Tod bleibt nur ein Ungewitter/
Das nach sich zeucht den schwersten Donnerschlag.
11.
Doch soll der Schmertz den Sieg nicht gar behalten/
Der Sohn ist ja bey seinem besten Freund.
Die Gunst der Welt muß kalten und veralten/
Der ist getreu/ der ihn mit sich vereint.
Er ist nicht todt/ wie ihr wol meynt und dencket/
Er schläffet nur/ umb frölich auffzustehn.
Da wird er euch/ in Thränen itzt versencket/
Von Hügeln dort mit Lust entgegen gehn.
12. Drumb
D d d d 4

Leichen-Gedichte.
Wie ſtaͤrckt dich nicht der Thau der Weyrauch-Huͤgel?
Trotz dieſem der dich von der Ruh erweckt.
Denn auff ſein Hertz hat als ein theures Sigel
Aus Lieb und Huld dein JEſus dich geſteckt.

8.
Wie rufft jemand? kehr umb als wie ein Rehe/
Als wie ein Hirſch von Scheide-Bergen koͤmmt.
Diß ruffen faͤllt nicht von der lichten Hoͤhe/
Die Stimm iſt gantz mit Ach und Weh verſtimmt.
Des Vatern Schmertz/ der Mutter Seelen Wunden/
Die Thraͤnen-Fluth/ ſo das Geſchwiſter geuſt/
Vergroͤſſern ſich/ ſie ſeuffzen alle Stunden
Zu fruͤh/ ach Sohn! ach Bruder! weggereiſt.
9.
Als wie ein Reh’ im guͤldnen Lentzen ſpringet/
So warſt du auch voll Leben/ Geiſt und Muth.
Und wie ein Lamm dem Hirten Freude bringet/
So warſt du auch der Eltern Schatz und Gut.
An Reinigkeit wie eine Turtel-Taube/
Die Einfalt nur mit ihrer Unſchuld ziert/
Von ſolchem Stamm ein angenehme Traube
Der bloſen Schmack der Tugend in ſich fuͤhrt.
10.
So muß die Bluhm’ offt in der Knoſpe ſterben/
Eh ſie noch gantz den Purpur ausgebreit.
Es faͤngt ſich kaum die Nelck an recht zu faͤrben/
So faltet ſich und bricht ihr Atlas-Kleid.
Euch iſt die Flucht/ O Eltern/ all zu bitter/
Die ſchlechter Troſt nicht uͤberzuckern mag.
Der Kinder Tod bleibt nur ein Ungewitter/
Das nach ſich zeucht den ſchwerſten Donnerſchlag.
11.
Doch ſoll der Schmertz den Sieg nicht gar behalten/
Der Sohn iſt ja bey ſeinem beſten Freund.
Die Gunſt der Welt muß kalten und veralten/
Der iſt getreu/ der ihn mit ſich vereint.
Er iſt nicht todt/ wie ihr wol meynt und dencket/
Er ſchlaͤffet nur/ umb froͤlich auffzuſtehn.
Da wird er euch/ in Thraͤnen itzt verſencket/
Von Huͤgeln dort mit Luſt entgegen gehn.
12. Drumb
D d d d 4
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[423/0655] Leichen-Gedichte. Wie ſtaͤrckt dich nicht der Thau der Weyrauch-Huͤgel? Trotz dieſem der dich von der Ruh erweckt. Denn auff ſein Hertz hat als ein theures Sigel Aus Lieb und Huld dein JEſus dich geſteckt. 8. Wie rufft jemand? kehr umb als wie ein Rehe/ Als wie ein Hirſch von Scheide-Bergen koͤmmt. Diß ruffen faͤllt nicht von der lichten Hoͤhe/ Die Stimm iſt gantz mit Ach und Weh verſtimmt. Des Vatern Schmertz/ der Mutter Seelen Wunden/ Die Thraͤnen-Fluth/ ſo das Geſchwiſter geuſt/ Vergroͤſſern ſich/ ſie ſeuffzen alle Stunden Zu fruͤh/ ach Sohn! ach Bruder! weggereiſt. 9. Als wie ein Reh’ im guͤldnen Lentzen ſpringet/ So warſt du auch voll Leben/ Geiſt und Muth. Und wie ein Lamm dem Hirten Freude bringet/ So warſt du auch der Eltern Schatz und Gut. An Reinigkeit wie eine Turtel-Taube/ Die Einfalt nur mit ihrer Unſchuld ziert/ Von ſolchem Stamm ein angenehme Traube Der bloſen Schmack der Tugend in ſich fuͤhrt. 10. So muß die Bluhm’ offt in der Knoſpe ſterben/ Eh ſie noch gantz den Purpur ausgebreit. Es faͤngt ſich kaum die Nelck an recht zu faͤrben/ So faltet ſich und bricht ihr Atlas-Kleid. Euch iſt die Flucht/ O Eltern/ all zu bitter/ Die ſchlechter Troſt nicht uͤberzuckern mag. Der Kinder Tod bleibt nur ein Ungewitter/ Das nach ſich zeucht den ſchwerſten Donnerſchlag. 11. Doch ſoll der Schmertz den Sieg nicht gar behalten/ Der Sohn iſt ja bey ſeinem beſten Freund. Die Gunſt der Welt muß kalten und veralten/ Der iſt getreu/ der ihn mit ſich vereint. Er iſt nicht todt/ wie ihr wol meynt und dencket/ Er ſchlaͤffet nur/ umb froͤlich auffzuſtehn. Da wird er euch/ in Thraͤnen itzt verſencket/ Von Huͤgeln dort mit Luſt entgegen gehn. 12. Drumb D d d d 4

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/655>, abgerufen am 22.11.2024.