Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Das sie zu letzt dir in tieffster Wehmuth geben/Wiewol du ewig sollst bey ihnen seyn und leben. Grab/ das die Tugend selbst mit ihren Lorbeern deckt! Grab/ wo Aufrichtigkeit ist wesendlich begraben! Grab/ das gar selten wird so treue Diener haben! Grab/ das der Liebsten Leyd unendlich noch erweckt! Grab/ das verlachen kan Schmaragden und Rubinen/ Weil hier die Todten-Bein auch wieder sollen grünen! Die unausbleibende Hülffe GOttes/ WAs ist des Menschen Hertz? ein Meer voll von Gedancke/Bey Beerdigung Fr. D. L. g. H. den 15. Octobr. 1679. Wie jenes von dem Schaum erzürnter Wellen braust/ So müssen sich allhier stets die Begierden zancken/ Wenn schon der Regungen erboster Nordwind saust. Die See und auch das Hertz wird wol niemand ergründen/ Sie blehen sich zugleich vom stoltzen Hochmuth auff: So ist bey Beyden nicht Beständigkeit zu finden/ Es ändert Well und Hertz im Augenblick den Lauff. Bald scheinen sie so klar als ein polirter Spiegel/ Und kurtz verstellet sie ein ungeheure Nacht/ Bald halten sie das Ziel/ und lieben Schloß und Riegel/ Biß sie ein neuer Sturm eydbrüchig wieder macht. So viel hägt nicht das Meer liebkosende Sirenen/ Als mit viel Lüsten ist verzaubert unser Hertz; So kan sich Triton nicht mit Perl und Muscheln krönen/ Als dieses sich bekräntzt mit Wollust/ Spiel und Schertz. Hingegen schlägt auch nicht mit so viel Donner-Keulen Des Himmels starcker Arm in Amphitritens Schaum; Als unser Hertze wird durchbohrt von Kummer-Pfeilen/ So daß es brechen muß und reget sich noch kaum. Die See ist niemals treu: das Hertze/ weil wir leben/ Bleibt immer tückisch arg mit Tollheit angefüllt/ Und wenn es trotzig sich wird an die Sterne heben/ So hat Kleinmüthigkeit bald die Geschwulst gestillt. Drumb ist von Anbegin all unser Thun und Tichten Verkehrt/ und irriger als wol ein Labyrinth. Wie klug wir auff der Welt auch unsre Wege richten/ So glaubt doch/ daß es nicht des HErren Wege sind. Wir
Leichen-Gedichte. Das ſie zu letzt dir in tieffſter Wehmuth geben/Wiewol du ewig ſollſt bey ihnen ſeyn und leben. Grab/ das die Tugend ſelbſt mit ihren Lorbeern deckt! Grab/ wo Aufrichtigkeit iſt weſendlich begraben! Grab/ das gar ſelten wird ſo treue Diener haben! Grab/ das der Liebſten Leyd unendlich noch erweckt! Grab/ das verlachen kan Schmaragden und Rubinen/ Weil hier die Todten-Bein auch wieder ſollen gruͤnen! Die unausbleibende Huͤlffe GOttes/ WAs iſt des Menſchen Hertz? ein Meer voll von Gedanckē/Bey Beerdigung Fr. D. L. g. H. den 15. Octobr. 1679. Wie jenes von dem Schaum eꝛzuͤrnter Wellen brauſt/ So muͤſſen ſich allhier ſtets die Begierden zancken/ Wenn ſchon der Regungen erboſter Nordwind ſauſt. Die See und auch das Hertz wird wol niemand ergruͤnden/ Sie blehen ſich zugleich vom ſtoltzen Hochmuth auff: So iſt bey Beyden nicht Beſtaͤndigkeit zu finden/ Es aͤndert Well und Hertz im Augenblick den Lauff. Bald ſcheinen ſie ſo klar als ein polirter Spiegel/ Und kurtz verſtellet ſie ein ungeheure Nacht/ Bald halten ſie das Ziel/ und lieben Schloß und Riegel/ Biß ſie ein neuer Sturm eydbruͤchig wieder macht. So viel haͤgt nicht das Meer liebkoſende Sirenen/ Als mit viel Luͤſten iſt verzaubert unſer Hertz; So kan ſich Triton nicht mit Perl und Muſcheln kroͤnen/ Als dieſes ſich bekraͤntzt mit Wolluſt/ Spiel und Schertz. Hingegen ſchlaͤgt auch nicht mit ſo viel Donner-Keulen Des Himmels ſtarcker Arm in Amphitritens Schaum; Als unſer Hertze wird durchbohrt von Kummer-Pfeilen/ So daß es brechen muß und reget ſich noch kaum. Die See iſt niemals treu: das Hertze/ weil wir leben/ Bleibt immer tuͤckiſch arg mit Tollheit angefuͤllt/ Und wenn es trotzig ſich wird an die Sterne heben/ So hat Kleinmuͤthigkeit bald die Geſchwulſt geſtillt. Drumb iſt von Anbegin all unſer Thun und Tichten Verkehrt/ und irriger als wol ein Labyrinth. Wie klug wir auff der Welt auch unſre Wege richten/ So glaubt doch/ daß es nicht des HErren Wege ſind. Wir
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Leichen-Gedichte.
Das ſie zu letzt dir in tieffſter Wehmuth geben/
Wiewol du ewig ſollſt bey ihnen ſeyn und leben.
Grab/ das die Tugend ſelbſt mit ihren Lorbeern deckt!
Grab/ wo Aufrichtigkeit iſt weſendlich begraben!
Grab/ das gar ſelten wird ſo treue Diener haben!
Grab/ das der Liebſten Leyd unendlich noch erweckt!
Grab/ das verlachen kan Schmaragden und Rubinen/
Weil hier die Todten-Bein auch wieder ſollen gruͤnen!
Die unausbleibende Huͤlffe GOttes/
Bey Beerdigung Fr. D. L. g. H. den 15.
Octobr. 1679.
WAs iſt des Menſchen Hertz? ein Meer voll von Gedanckē/
Wie jenes von dem Schaum eꝛzuͤrnter Wellen brauſt/
So muͤſſen ſich allhier ſtets die Begierden zancken/
Wenn ſchon der Regungen erboſter Nordwind ſauſt.
Die See und auch das Hertz wird wol niemand ergruͤnden/
Sie blehen ſich zugleich vom ſtoltzen Hochmuth auff:
So iſt bey Beyden nicht Beſtaͤndigkeit zu finden/
Es aͤndert Well und Hertz im Augenblick den Lauff.
Bald ſcheinen ſie ſo klar als ein polirter Spiegel/
Und kurtz verſtellet ſie ein ungeheure Nacht/
Bald halten ſie das Ziel/ und lieben Schloß und Riegel/
Biß ſie ein neuer Sturm eydbruͤchig wieder macht.
So viel haͤgt nicht das Meer liebkoſende Sirenen/
Als mit viel Luͤſten iſt verzaubert unſer Hertz;
So kan ſich Triton nicht mit Perl und Muſcheln kroͤnen/
Als dieſes ſich bekraͤntzt mit Wolluſt/ Spiel und Schertz.
Hingegen ſchlaͤgt auch nicht mit ſo viel Donner-Keulen
Des Himmels ſtarcker Arm in Amphitritens Schaum;
Als unſer Hertze wird durchbohrt von Kummer-Pfeilen/
So daß es brechen muß und reget ſich noch kaum.
Die See iſt niemals treu: das Hertze/ weil wir leben/
Bleibt immer tuͤckiſch arg mit Tollheit angefuͤllt/
Und wenn es trotzig ſich wird an die Sterne heben/
So hat Kleinmuͤthigkeit bald die Geſchwulſt geſtillt.
Drumb iſt von Anbegin all unſer Thun und Tichten
Verkehrt/ und irriger als wol ein Labyrinth.
Wie klug wir auff der Welt auch unſre Wege richten/
So glaubt doch/ daß es nicht des HErren Wege ſind.
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