Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Die vergrünten Linden/ Bey Absterben Hn. P. von der L. den 14. Septembr. 1679. 1. DEr Wälder Zier die hohen Linden/Der Nymfen Lust- und Sommer-Hauß/ Die sich so herrlich breiten aus Daß man kan kühlen Schatten finden/ Wenn alles fast für Hitze schmacht/ So webt der Blätter grüne Nacht Den Fürhang/ drein die Westen spielen/ Daß man wirdsüss' Erfrischung fühlen. 2. Die sind den Göttern längst geweyhetUnd wurden Tempeln beygesetzt/ Das Opffer-Vieh da abgemetzt/ Der Seher hat da propheceyet/ Kurtz: man ließ gar des Weyrauchs-Flamm An dem bejahrtem Linden-Stamm/ Biß an die blauen Wolcken steigen/ Damit die Andacht zu bezeugen. 3. Die Tichter wissen mehr zu sagen/Sie melden wie das schöne Weib Die Philyra/ nachdem ihr Leib Den Pferd-Mensch Chiron hat getragen/ Verwandelt sey in diesen Baum/ Weil ihrem Bitten statt und Raum Der grosse Jupiter gegeben/ Sie solt' in Zweigen künfftig leben. 4. Als nun der Götzen-Dienst verschwunden/Hat doch der Linde Schätzbarkeit/ Weil sie der Menschen Hertz erfreut/ Noch immer hohes Lob gefunden: Sie
Leichen-Gedichte. Die vergruͤnten Linden/ Bey Abſterben Hn. P. von der L. den 14. Septembr. 1679. 1. DEr Waͤlder Zier die hohen Linden/Der Nymfen Luſt- und Sommer-Hauß/ Die ſich ſo herrlich breiten aus Daß man kan kuͤhlen Schatten finden/ Wenn alles faſt fuͤr Hitze ſchmacht/ So webt der Blaͤtter gruͤne Nacht Den Fuͤrhang/ drein die Weſten ſpielen/ Daß man wirdſuͤſſ’ Erfriſchung fuͤhlen. 2. Die ſind den Goͤttern laͤngſt geweyhetUnd wurden Tempeln beygeſetzt/ Das Opffer-Vieh da abgemetzt/ Der Seher hat da propheceyet/ Kurtz: man ließ gar des Weyrauchs-Flamm An dem bejahrtem Linden-Stamm/ Biß an die blauen Wolcken ſteigen/ Damit die Andacht zu bezeugen. 3. Die Tichter wiſſen mehr zu ſagen/Sie melden wie das ſchoͤne Weib Die Philyra/ nachdem ihr Leib Den Pferd-Menſch Chiron hat getragen/ Verwandelt ſey in dieſen Baum/ Weil ihrem Bitten ſtatt und Raum Der groſſe Jupiter gegeben/ Sie ſolt’ in Zweigen kuͤnfftig leben. 4. Als nun der Goͤtzen-Dienſt verſchwunden/Hat doch der Linde Schaͤtzbarkeit/ Weil ſie der Menſchen Hertz erfreut/ Noch immer hohes Lob gefunden: Sie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0638" n="406"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Die vergruͤnten Linden/<lb/> Bey Abſterben Hn. P. von der L. den 14.<lb/> Septembr. 1679.</hi> </hi> </head><lb/> <lg n="1"> <head> <hi rendition="#c">1.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">D</hi>Er Waͤlder Zier die hohen Linden/</l><lb/> <l>Der Nymfen Luſt- und Sommer-Hauß/</l><lb/> <l>Die ſich ſo herrlich breiten aus</l><lb/> <l>Daß man kan kuͤhlen Schatten finden/</l><lb/> <l>Wenn alles faſt fuͤr Hitze ſchmacht/</l><lb/> <l>So webt der Blaͤtter gruͤne Nacht</l><lb/> <l>Den Fuͤrhang/ drein die Weſten ſpielen/</l><lb/> <l>Daß man wirdſuͤſſ’ Erfriſchung fuͤhlen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <head> <hi rendition="#c">2.</hi> </head><lb/> <l>Die ſind den Goͤttern laͤngſt geweyhet</l><lb/> <l>Und wurden Tempeln beygeſetzt/</l><lb/> <l>Das Opffer-Vieh da abgemetzt/</l><lb/> <l>Der Seher hat da propheceyet/</l><lb/> <l>Kurtz: man ließ gar des Weyrauchs-Flamm</l><lb/> <l>An dem bejahrtem Linden-Stamm/</l><lb/> <l>Biß an die blauen Wolcken ſteigen/</l><lb/> <l>Damit die Andacht zu bezeugen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <head> <hi rendition="#c">3.</hi> </head><lb/> <l>Die Tichter wiſſen mehr zu ſagen/</l><lb/> <l>Sie melden wie das ſchoͤne Weib</l><lb/> <l>Die Philyra/ nachdem ihr Leib</l><lb/> <l>Den Pferd-Menſch Chiron hat getragen/</l><lb/> <l>Verwandelt ſey in dieſen Baum/</l><lb/> <l>Weil ihrem Bitten ſtatt und Raum</l><lb/> <l>Der groſſe Jupiter gegeben/</l><lb/> <l>Sie ſolt’ in Zweigen kuͤnfftig leben.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <head> <hi rendition="#c">4.</hi> </head><lb/> <l>Als nun der Goͤtzen-Dienſt verſchwunden/</l><lb/> <l>Hat doch der Linde Schaͤtzbarkeit/</l><lb/> <l>Weil ſie der Menſchen Hertz erfreut/</l><lb/> <l>Noch immer hohes Lob gefunden:</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [406/0638]
Leichen-Gedichte.
Die vergruͤnten Linden/
Bey Abſterben Hn. P. von der L. den 14.
Septembr. 1679.
1.
DEr Waͤlder Zier die hohen Linden/
Der Nymfen Luſt- und Sommer-Hauß/
Die ſich ſo herrlich breiten aus
Daß man kan kuͤhlen Schatten finden/
Wenn alles faſt fuͤr Hitze ſchmacht/
So webt der Blaͤtter gruͤne Nacht
Den Fuͤrhang/ drein die Weſten ſpielen/
Daß man wirdſuͤſſ’ Erfriſchung fuͤhlen.
2.
Die ſind den Goͤttern laͤngſt geweyhet
Und wurden Tempeln beygeſetzt/
Das Opffer-Vieh da abgemetzt/
Der Seher hat da propheceyet/
Kurtz: man ließ gar des Weyrauchs-Flamm
An dem bejahrtem Linden-Stamm/
Biß an die blauen Wolcken ſteigen/
Damit die Andacht zu bezeugen.
3.
Die Tichter wiſſen mehr zu ſagen/
Sie melden wie das ſchoͤne Weib
Die Philyra/ nachdem ihr Leib
Den Pferd-Menſch Chiron hat getragen/
Verwandelt ſey in dieſen Baum/
Weil ihrem Bitten ſtatt und Raum
Der groſſe Jupiter gegeben/
Sie ſolt’ in Zweigen kuͤnfftig leben.
4.
Als nun der Goͤtzen-Dienſt verſchwunden/
Hat doch der Linde Schaͤtzbarkeit/
Weil ſie der Menſchen Hertz erfreut/
Noch immer hohes Lob gefunden:
Sie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/638 |
Zitationshilfe: | Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/638>, abgerufen am 24.07.2024. |