Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Wenn sie bey seinem schweren StandJhm alle Treu pflag zu erweisen/ Und durch viel Wartung und viel Mühen/ Sein Heil wolt ihrem Heil und Leben gar vorziehen. Es sey daß Artemisia Deß Ehmanns Asche hat getruncken; Ach sein Gedächtnüß stehet da Jn ihrer Seelen unentsuncken/ Herr Polens Leib ist nur begraben Er wird in ihrem Hertz stets einen Tempel haben. Sein Name blüht bey vielen noch Die ihm durch Freundschafft sind verbunden/ Betrübtste Frau/ sie gönn' ihm doch Daß er so seelig überwunden. Er kan in reiner Freyheit schweben Da wir im Fleisch und Blut hier als Gefangne leben. Der angräntzende Tod/ DU letzte Nachbarin von diesen Tugend-Frauen/Bey Beerdigung Fr. D. K. g. M. den 9. Junii 1679. entworffen. So meine Kindheit noch als Mutter hat gekennt/ Soll diese schwache Hand dir auch ein Denckmal bauen Das nicht der Neid verhönt/ und keine Zeit zertrennt? Ach ja! indem die Welt umb ihre Gräntzen streitet/ Und durch der Waffen Recht sie zu erweitern denckt/ Hat dich der blasse Tod so in ein Haus geleitet/ Das Raum die Fülle hat und keine Gräntz umbschrenckt. Du tauscht dein grünes Hauß mit einer schwartzen Kammer/ Das kommt zwar der Vernunfft arg und erschrecklich für: Alleine/ wer erwägt/ wie aller Schmertz und Jammer Durch dieses Wechsels Schluß entschläfft zugleich mit dir/ Der heist es wolgethan/ und wird die Welt beklagen/ Daß sie/ die Thörichte/ von keinen Gräntzen weiß/ Und läst sich bald den Geitz durch wilde Wellen jagen/ Bald Hochmuth führen an auff ein gefährlich Eiß; Daß sie mehr haben will/ als sie vor kan besitzen/ Daß den Begierden auch die Erde viel zu klein. Daß sie nur Schätze sucht/ die nicht der Seele nützen/ Und bey der letzten Farth elende Tröster seyn. Daß
Leichen-Gedichte. Wenn ſie bey ſeinem ſchweren StandJhm alle Treu pflag zu erweiſen/ Und durch viel Wartung und viel Muͤhen/ Sein Heil wolt ihrem Heil und Leben gar vorziehen. Es ſey daß Artemiſia Deß Ehmanns Aſche hat getruncken; Ach ſein Gedaͤchtnuͤß ſtehet da Jn ihrer Seelen unentſuncken/ Herr Polens Leib iſt nur begraben Er wird in ihrem Hertz ſtets einen Tempel haben. Sein Name bluͤht bey vielen noch Die ihm durch Freundſchafft ſind verbunden/ Betruͤbtſte Frau/ ſie goͤnn’ ihm doch Daß er ſo ſeelig uͤberwunden. Er kan in reiner Freyheit ſchweben Da wir im Fleiſch und Blut hier als Gefangne leben. Der angraͤntzende Tod/ DU letzte Nachbarin von dieſen Tugend-Frauen/Bey Beerdigung Fr. D. K. g. M. den 9. Junii 1679. entworffen. So meine Kindheit noch als Mutter hat gekennt/ Soll dieſe ſchwache Hand dir auch ein Denckmal bauen Das nicht der Neid verhoͤnt/ und keine Zeit zertrennt? Ach ja! indem die Welt umb ihre Graͤntzen ſtreitet/ Und durch der Waffen Recht ſie zu erweitern denckt/ Hat dich der blaſſe Tod ſo in ein Haus geleitet/ Das Raum die Fuͤlle hat und keine Graͤntz umbſchrenckt. Du tauſcht dein gruͤnes Hauß mit einer ſchwartzen Kammer/ Das kommt zwar der Vernunfft arg und erſchrecklich fuͤr: Alleine/ wer erwaͤgt/ wie aller Schmertz und Jammer Durch dieſes Wechſels Schluß entſchlaͤfft zugleich mit dir/ Der heiſt es wolgethan/ und wird die Welt beklagen/ Daß ſie/ die Thoͤrichte/ von keinen Graͤntzen weiß/ Und laͤſt ſich bald den Geitz durch wilde Wellen jagen/ Bald Hochmuth fuͤhren an auff ein gefaͤhrlich Eiß; Daß ſie mehr haben will/ als ſie vor kan beſitzen/ Daß den Begierden auch die Erde viel zu klein. Daß ſie nur Schaͤtze ſucht/ die nicht der Seele nuͤtzen/ Und bey der letzten Farth elende Troͤſter ſeyn. Daß
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Leichen-Gedichte.
Wenn ſie bey ſeinem ſchweren Stand
Jhm alle Treu pflag zu erweiſen/
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Sein Heil wolt ihrem Heil und Leben gar vorziehen.
Es ſey daß Artemiſia
Deß Ehmanns Aſche hat getruncken;
Ach ſein Gedaͤchtnuͤß ſtehet da
Jn ihrer Seelen unentſuncken/
Herr Polens Leib iſt nur begraben
Er wird in ihrem Hertz ſtets einen Tempel haben.
Sein Name bluͤht bey vielen noch
Die ihm durch Freundſchafft ſind verbunden/
Betruͤbtſte Frau/ ſie goͤnn’ ihm doch
Daß er ſo ſeelig uͤberwunden.
Er kan in reiner Freyheit ſchweben
Da wir im Fleiſch und Blut hier als Gefangne leben.
Der angraͤntzende Tod/
Bey Beerdigung Fr. D. K. g. M. den 9.
Junii 1679. entworffen.
DU letzte Nachbarin von dieſen Tugend-Frauen/
So meine Kindheit noch als Mutter hat gekennt/
Soll dieſe ſchwache Hand dir auch ein Denckmal bauen
Das nicht der Neid verhoͤnt/ und keine Zeit zertrennt?
Ach ja! indem die Welt umb ihre Graͤntzen ſtreitet/
Und durch der Waffen Recht ſie zu erweitern denckt/
Hat dich der blaſſe Tod ſo in ein Haus geleitet/
Das Raum die Fuͤlle hat und keine Graͤntz umbſchrenckt.
Du tauſcht dein gruͤnes Hauß mit einer ſchwartzen Kammer/
Das kommt zwar der Vernunfft arg und erſchrecklich fuͤr:
Alleine/ wer erwaͤgt/ wie aller Schmertz und Jammer
Durch dieſes Wechſels Schluß entſchlaͤfft zugleich mit dir/
Der heiſt es wolgethan/ und wird die Welt beklagen/
Daß ſie/ die Thoͤrichte/ von keinen Graͤntzen weiß/
Und laͤſt ſich bald den Geitz durch wilde Wellen jagen/
Bald Hochmuth fuͤhren an auff ein gefaͤhrlich Eiß;
Daß ſie mehr haben will/ als ſie vor kan beſitzen/
Daß den Begierden auch die Erde viel zu klein.
Daß ſie nur Schaͤtze ſucht/ die nicht der Seele nuͤtzen/
Und bey der letzten Farth elende Troͤſter ſeyn.
Daß
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