Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Du hast deß Todes-Angst von mir gantz weggetrieben/Deß Lebens End ist ja ein Aufgang jener Freud Und ob der Leib allhier als wie im Schlafe blieben So weckt ihn dermaleins der Schall der Ewigkeit. Was du aus Erden hast gebaut/ ach nimm es wieder/ Und scharr es in die Erd als sein Behältnis ein! Jch weiß doch daß der Leib und die verwelckten Glieder Von dir mit neuem Glantz verkläret werden seyn. Gedencke meiner doch/ O HErr! in deinem Reiche/ Jch kreutzige mein Fleisch/ und fürchte dein Gericht: Gib daß nach diesem Tod und daß nach dieser Leiche Jch mög unendlich sehn dein herrlich Angesicht; Ach Martha voller Witz/ Maria voller Glauben! Jm Leben Martha hier/ Maria in dem Tod. O seelig/ wer so wol den Trost ihm ein kan schrauben Und wer so fest/ als du/ sein Hoffen setzt auf GOtt. Unmöglich ists daß hier nicht Thränen solten rinnen/ Und daß der Kinder Hertz sey ohn Empfindlichkeit. So eine Tugend-Frau von dem Verstand und Sinnen/ Von Witz und von Vernunfft beschert nicht jede Zeit. Jedoch/ Wohlwürdiger/ er kennt des Himmels Willen/ Und sein erläuchter Geist weiß wie zu sprechen sey. Was GOtt schafft und befiehlt das muß man nur erfüllen Es bleibt doch Noth und Tod der Christen Lieberey. Erblaste Corallen/ ACh höchstbetrübtste Frau wer kan ihr Leyd ermessen?Jungf. E. R. von B. den 19. Febr. 1679. Und die Empsindlichkeit der Schmertzen stellen für? Es sey/ daß Niobe als wie ein Fels gesessen/ Wie sie beraubet war der Söhn' und Töchter Zier. So glaub ich daß ihr Hertz hat bessern Fug zu klagen/ Je weit gerechter noch der Thränen Ursprung ist. Jch seh' ein gantzes Meer des Jammers auf sie schlagen Und Freund und Zusprach giebt hier nicht den Seufftzern Frist. Nach zweyer Kinder Tod/ der unaufhörlich kräncket Und Wunden hat gemacht/ die nicht die Zeit geheilt/ Sieht sie zum letzten noch die Tochter eingesencket/ Mit welcher sie ihr Hertz und Seele hat getheilt. Kein
Leichen-Gedichte. Du haſt deß Todes-Angſt von mir gantz weggetrieben/Deß Lebens End iſt ja ein Aufgang jener Freud Und ob der Leib allhier als wie im Schlafe blieben So weckt ihn dermaleins der Schall der Ewigkeit. Was du aus Erden haſt gebaut/ ach nimm es wieder/ Und ſcharr es in die Erd als ſein Behaͤltnis ein! Jch weiß doch daß der Leib und die verwelckten Glieder Von dir mit neuem Glantz verklaͤret werden ſeyn. Gedencke meiner doch/ O HErr! in deinem Reiche/ Jch kreutzige mein Fleiſch/ und fuͤrchte dein Gericht: Gib daß nach dieſem Tod und daß nach dieſer Leiche Jch moͤg unendlich ſehn dein herrlich Angeſicht; Ach Martha voller Witz/ Maria voller Glauben! Jm Leben Martha hier/ Maria in dem Tod. O ſeelig/ wer ſo wol den Troſt ihm ein kan ſchrauben Und wer ſo feſt/ als du/ ſein Hoffen ſetzt auf GOtt. Unmoͤglich iſts daß hier nicht Thraͤnen ſolten rinnen/ Und daß der Kinder Hertz ſey ohn Empfindlichkeit. So eine Tugend-Frau von dem Verſtand und Sinnen/ Von Witz und von Vernunfft beſchert nicht jede Zeit. Jedoch/ Wohlwuͤrdiger/ er kennt des Himmels Willen/ Und ſein erlaͤuchter Geiſt weiß wie zu ſprechen ſey. Was GOtt ſchafft und befiehlt das muß man nur erfuͤllen Es bleibt doch Noth und Tod der Chriſten Lieberey. Erblaſte Corallen/ ACh hoͤchſtbetruͤbtſte Frau wer kan ihr Leyd ermeſſen?Jungf. E. R. von B. den 19. Febr. 1679. Und die Empſindlichkeit der Schmertzen ſtellen fuͤr? Es ſey/ daß Niobe als wie ein Fels geſeſſen/ Wie ſie beraubet war der Soͤhn’ und Toͤchter Zier. So glaub ich daß ihr Hertz hat beſſern Fug zu klagen/ Je weit gerechter noch der Thraͤnen Urſprung iſt. Jch ſeh’ ein gantzes Meer des Jammers auf ſie ſchlagen Und Freund und Zuſprach giebt hier nicht den Seufftzern Friſt. Nach zweyer Kinder Tod/ der unaufhoͤrlich kraͤncket Und Wunden hat gemacht/ die nicht die Zeit geheilt/ Sieht ſie zum letzten noch die Tochter eingeſencket/ Mit welcher ſie ihr Hertz und Seele hat getheilt. Kein
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Leichen-Gedichte.
Du haſt deß Todes-Angſt von mir gantz weggetrieben/
Deß Lebens End iſt ja ein Aufgang jener Freud
Und ob der Leib allhier als wie im Schlafe blieben
So weckt ihn dermaleins der Schall der Ewigkeit.
Was du aus Erden haſt gebaut/ ach nimm es wieder/
Und ſcharr es in die Erd als ſein Behaͤltnis ein!
Jch weiß doch daß der Leib und die verwelckten Glieder
Von dir mit neuem Glantz verklaͤret werden ſeyn.
Gedencke meiner doch/ O HErr! in deinem Reiche/
Jch kreutzige mein Fleiſch/ und fuͤrchte dein Gericht:
Gib daß nach dieſem Tod und daß nach dieſer Leiche
Jch moͤg unendlich ſehn dein herrlich Angeſicht;
Ach Martha voller Witz/ Maria voller Glauben!
Jm Leben Martha hier/ Maria in dem Tod.
O ſeelig/ wer ſo wol den Troſt ihm ein kan ſchrauben
Und wer ſo feſt/ als du/ ſein Hoffen ſetzt auf GOtt.
Unmoͤglich iſts daß hier nicht Thraͤnen ſolten rinnen/
Und daß der Kinder Hertz ſey ohn Empfindlichkeit.
So eine Tugend-Frau von dem Verſtand und Sinnen/
Von Witz und von Vernunfft beſchert nicht jede Zeit.
Jedoch/ Wohlwuͤrdiger/ er kennt des Himmels Willen/
Und ſein erlaͤuchter Geiſt weiß wie zu ſprechen ſey.
Was GOtt ſchafft und befiehlt das muß man nur erfuͤllen
Es bleibt doch Noth und Tod der Chriſten Lieberey.
Erblaſte Corallen/
Jungf. E. R. von B. den 19. Febr. 1679.
ACh hoͤchſtbetruͤbtſte Frau wer kan ihr Leyd ermeſſen?
Und die Empſindlichkeit der Schmertzen ſtellen fuͤr?
Es ſey/ daß Niobe als wie ein Fels geſeſſen/
Wie ſie beraubet war der Soͤhn’ und Toͤchter Zier.
So glaub ich daß ihr Hertz hat beſſern Fug zu klagen/
Je weit gerechter noch der Thraͤnen Urſprung iſt.
Jch ſeh’ ein gantzes Meer des Jammers auf ſie ſchlagen
Und Freund und Zuſprach giebt hier nicht den Seufftzern Friſt.
Nach zweyer Kinder Tod/ der unaufhoͤrlich kraͤncket
Und Wunden hat gemacht/ die nicht die Zeit geheilt/
Sieht ſie zum letzten noch die Tochter eingeſencket/
Mit welcher ſie ihr Hertz und Seele hat getheilt.
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