Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

Bild:
<< vorherige Seite
Leichen-Gedichte.
Jhn machet Geist und Sinnen loß
Daß er die Last kaum kan ertragen.
Er muß/ Ach Myrrhen-bittre Pflicht!
Der treusten Liebsten Augen-Licht
Mit Zittern und mit Thränen schliessen.
Er siebt die Jene von sich ziehn/
Durch die sein Wohlstand konte blühn/
Und er den besten Trost geniessen.
Die/ wie er bey der Krancken-Schaar/
Hinwieder Rath und Artztin war/
Sorgfältig seiner hat gepfleget/
Durch Witz und durch Bescheidenheit
Offt seiner Schmertzen Bitterkeit
Und andre Sorgen hingeleget.
Die auff dem Schau-Platz dieser Welt
Der Welt sich nie mals gleich gestellt/
Und Frömmigkeit ihr Kleinod nannte.
Es war ihr schon gepflantzt ins Blut
Daß ihrer Sinnen heilge Glut
Nur in der Himmels-Liebe brandte.
Sie macht ihr auch den Tod bekand
Eh' sich derselbe zu ihr fand/
Und harrte seiner sonder Schrecken;
Sie nam der Kranckheit Boten an/
Und wuste daß zur letzten Bahn
Sie als Gefehrten solten wecken.
Und darumb war sie jederzeit
Jm Geist gerüstet und bereit/
Sah' in Gedult dieselben kommen/
GOtt kürtzte ihres Leidens-Qual
Und hat sie auß dem Thränen-Thal/
Durch seine Hand hinweg genommen.
Jhm fällt es peinlich/ und nicht ihr/
Betrübtster Freund/ der Pallas Zier/
Daß nun in langen Einsamkeiten
Er seine Zeit beschliessen muß.
Wer aber will des Himmels-Schluß/
Und seiner Satzung wieder streiten?
Er weiß durch seine Kunst genau/
Daß unsers siechen Leibes Bau
Geht
Leichen-Gedichte.
Jhn machet Geiſt und Sinnen loß
Daß er die Laſt kaum kan ertragen.
Er muß/ Ach Myrrhen-bittre Pflicht!
Der treuſten Liebſten Augen-Licht
Mit Zittern und mit Thraͤnen ſchlieſſen.
Er ſiebt die Jene von ſich ziehn/
Durch die ſein Wohlſtand konte bluͤhn/
Und er den beſten Troſt genieſſen.
Die/ wie er bey der Krancken-Schaar/
Hinwieder Rath und Artztin war/
Sorgfaͤltig ſeiner hat gepfleget/
Durch Witz und durch Beſcheidenheit
Offt ſeiner Schmertzen Bitterkeit
Und andre Sorgen hingeleget.
Die auff dem Schau-Platz dieſer Welt
Der Welt ſich nie mals gleich geſtellt/
Und Froͤmmigkeit ihr Kleinod nannte.
Es war ihr ſchon gepflantzt ins Blut
Daß ihrer Sinnen heilge Glut
Nur in der Himmels-Liebe brandte.
Sie macht ihr auch den Tod bekand
Eh’ ſich derſelbe zu ihr fand/
Und harrte ſeiner ſonder Schrecken;
Sie nam der Kranckheit Boten an/
Und wuſte daß zur letzten Bahn
Sie als Gefehrten ſolten wecken.
Und darumb war ſie jederzeit
Jm Geiſt geruͤſtet und bereit/
Sah’ in Gedult dieſelben kommen/
GOtt kuͤrtzte ihres Leidens-Qual
Und hat ſie auß dem Thraͤnen-Thal/
Durch ſeine Hand hinweg genommen.
Jhm faͤllt es peinlich/ und nicht ihr/
Betruͤbtſter Freund/ der Pallas Zier/
Daß nun in langen Einſamkeiten
Er ſeine Zeit beſchlieſſen muß.
Wer aber will des Himmels-Schluß/
Und ſeiner Satzung wieder ſtreiten?
Er weiß durch ſeine Kunſt genau/
Daß unſers ſiechen Leibes Bau
Geht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0597" n="365"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Jhn machet <hi rendition="#fr">G</hi>ei&#x017F;t und Sinnen loß</l><lb/>
          <l>Daß er die La&#x017F;t kaum kan ertragen.</l><lb/>
          <l>Er muß/ Ach Myrrhen-bittre Pflicht!</l><lb/>
          <l>Der treu&#x017F;ten Lieb&#x017F;ten Augen-Licht</l><lb/>
          <l>Mit Zittern und mit Thra&#x0364;nen &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Er &#x017F;iebt die Jene von &#x017F;ich ziehn/</l><lb/>
          <l>Durch die &#x017F;ein Wohl&#x017F;tand konte blu&#x0364;hn/</l><lb/>
          <l>Und er den be&#x017F;ten Tro&#x017F;t genie&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Die/ wie er bey der Krancken-Schaar/</l><lb/>
          <l>Hinwieder Rath und Artztin war/</l><lb/>
          <l>Sorgfa&#x0364;ltig &#x017F;einer hat gepfleget/</l><lb/>
          <l>Durch Witz und durch Be&#x017F;cheidenheit</l><lb/>
          <l>Offt &#x017F;einer Schmertzen Bitterkeit</l><lb/>
          <l>Und andre Sorgen hingeleget.</l><lb/>
          <l>Die auff dem Schau-Platz die&#x017F;er Welt</l><lb/>
          <l>Der Welt &#x017F;ich nie mals gleich ge&#x017F;tellt/</l><lb/>
          <l>Und Fro&#x0364;mmigkeit ihr Kleinod nannte.</l><lb/>
          <l>Es war ihr &#x017F;chon gepflantzt ins Blut</l><lb/>
          <l>Daß ihrer Sinnen heilge Glut</l><lb/>
          <l>Nur in der Himmels-Liebe brandte.</l><lb/>
          <l>Sie macht ihr auch den Tod bekand</l><lb/>
          <l>Eh&#x2019; &#x017F;ich der&#x017F;elbe zu ihr fand/</l><lb/>
          <l>Und harrte &#x017F;einer &#x017F;onder Schrecken;</l><lb/>
          <l>Sie nam der Kranckheit Boten an/</l><lb/>
          <l>Und wu&#x017F;te daß zur letzten Bahn</l><lb/>
          <l>Sie als Gefehrten &#x017F;olten wecken.</l><lb/>
          <l>Und darumb war &#x017F;ie jederzeit</l><lb/>
          <l>Jm Gei&#x017F;t geru&#x0364;&#x017F;tet und bereit/</l><lb/>
          <l>Sah&#x2019; in Gedult die&#x017F;elben kommen/</l><lb/>
          <l>GOtt ku&#x0364;rtzte ihres Leidens-Qual</l><lb/>
          <l>Und hat &#x017F;ie auß dem Thra&#x0364;nen-Thal/</l><lb/>
          <l>Durch &#x017F;eine Hand hinweg genommen.</l><lb/>
          <l>Jhm fa&#x0364;llt es peinlich/ und nicht ihr/</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">Betru&#x0364;bt&#x017F;ter Freund/</hi> der Pallas Zier/</l><lb/>
          <l>Daß nun in langen Ein&#x017F;amkeiten</l><lb/>
          <l>Er &#x017F;eine Zeit be&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en muß.</l><lb/>
          <l>Wer aber will des Himmels-Schluß/</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;einer Satzung wieder &#x017F;treiten?</l><lb/>
          <l>Er weiß durch &#x017F;eine Kun&#x017F;t genau/</l><lb/>
          <l>Daß un&#x017F;ers &#x017F;iechen Leibes Bau</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Geht</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[365/0597] Leichen-Gedichte. Jhn machet Geiſt und Sinnen loß Daß er die Laſt kaum kan ertragen. Er muß/ Ach Myrrhen-bittre Pflicht! Der treuſten Liebſten Augen-Licht Mit Zittern und mit Thraͤnen ſchlieſſen. Er ſiebt die Jene von ſich ziehn/ Durch die ſein Wohlſtand konte bluͤhn/ Und er den beſten Troſt genieſſen. Die/ wie er bey der Krancken-Schaar/ Hinwieder Rath und Artztin war/ Sorgfaͤltig ſeiner hat gepfleget/ Durch Witz und durch Beſcheidenheit Offt ſeiner Schmertzen Bitterkeit Und andre Sorgen hingeleget. Die auff dem Schau-Platz dieſer Welt Der Welt ſich nie mals gleich geſtellt/ Und Froͤmmigkeit ihr Kleinod nannte. Es war ihr ſchon gepflantzt ins Blut Daß ihrer Sinnen heilge Glut Nur in der Himmels-Liebe brandte. Sie macht ihr auch den Tod bekand Eh’ ſich derſelbe zu ihr fand/ Und harrte ſeiner ſonder Schrecken; Sie nam der Kranckheit Boten an/ Und wuſte daß zur letzten Bahn Sie als Gefehrten ſolten wecken. Und darumb war ſie jederzeit Jm Geiſt geruͤſtet und bereit/ Sah’ in Gedult dieſelben kommen/ GOtt kuͤrtzte ihres Leidens-Qual Und hat ſie auß dem Thraͤnen-Thal/ Durch ſeine Hand hinweg genommen. Jhm faͤllt es peinlich/ und nicht ihr/ Betruͤbtſter Freund/ der Pallas Zier/ Daß nun in langen Einſamkeiten Er ſeine Zeit beſchlieſſen muß. Wer aber will des Himmels-Schluß/ Und ſeiner Satzung wieder ſtreiten? Er weiß durch ſeine Kunſt genau/ Daß unſers ſiechen Leibes Bau Geht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/597
Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/597>, abgerufen am 25.11.2024.