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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Sie nimmt auch den getrost von ihres Schöpffers Händen
Und bringt in Einsamkeit die Zeit deß Lebens zu/
Traut dem/ der Vater ist und Retter der Elenden
Sucht bloß in seinem Wort Trost/ Hoffnung/ Fried/ und Ruh.
Kein Unfall zog ihr Hertz von den gestirnten Höhen/
Sie blieb der Hanna gleich dem Himmel zugewand.
Was nicht zu ändern war/ ließ sie vernünfftig gehen
Und seufftzte Tag und Nacht nach jenem Vaterland.
Jetzt ist ihr Wunsch erfüllt. Der Tod ein treuer Weiser
Führt diese Pilgramin/ wo Milch und Honig fleust/
Sie sieht Jerusalem und dessen Friedens-Häuser
Wird mit deß Himmels-Brod/ und Lebens-Brunn gespeist.
Jetzt weiß sie daß die Welt ein ungeheure Wüste/
Worinn gleich einem Schaf der Mensch sich oft verirrt.
Daß ihre gantze Pracht/ ihr Ansehn/ Ehr' und Lüste
Der armen Pilgramin der Seelen Last und Bürd':
Und daß sie allzu lang in Mesech hat gesessen/
Wie köstlich auch der Mensch ein hohes Alter schätzt.
Ja was vor Freuden uns sonst Glück und Zeit zumessen
Daß es mit nichten gleicht dem/ was sie jetzt ergetzt.
Darumb so glauben sie/ Betrübteste/ der Frauen/
Das beste Vaterland holt die Frau Mutter ein:
Deun wenn wir umb und an des Lebens Ziel beschauen
So wird der Anfang Noth/ das Ende Sterben seyn.
Trauer-Ode/
Uber dem frühen Absterben Jungf. A. D. B.
den 6. April 1678.
1.
DEin Freund ist wie ein Püschel Myrrhen
Das zwischen deinen Brüsten liegt.
Du hast satt auß den Angst-Geschirren
Verblichnes Jungfer-Bild gekriegt;
Die Aloe war nur zu bitter
Die dir dein Leben abgezehrt/
Und durch der Kranckheit Ungewitter
Jn eine Leiche dich verkehrt.
2.
Allein da alle dich verlassen/
Und niemand mehr mit Hülff erscheint/
So
Leichen-Gedichte.
Sie nimmt auch den getroſt von ihres Schoͤpffers Haͤnden
Und bringt in Einſamkeit die Zeit deß Lebens zu/
Traut dem/ der Vater iſt und Retter der Elenden
Sucht bloß in ſeinem Wort Troſt/ Hoffnung/ Fried/ und Ruh.
Kein Unfall zog ihr Hertz von den geſtirnten Hoͤhen/
Sie blieb der Hanna gleich dem Himmel zugewand.
Was nicht zu aͤndern war/ ließ ſie vernuͤnfftig gehen
Und ſeufftzte Tag und Nacht nach jenem Vaterland.
Jetzt iſt ihr Wunſch erfuͤllt. Der Tod ein treuer Weiſer
Fuͤhrt dieſe Pilgramin/ wo Milch und Honig fleuſt/
Sie ſieht Jeruſalem und deſſen Friedens-Haͤuſer
Wird mit deß Himmels-Brod/ und Lebens-Brunn geſpeiſt.
Jetzt weiß ſie daß die Welt ein ungeheure Wuͤſte/
Worinn gleich einem Schaf der Menſch ſich oft verirrt.
Daß ihre gantze Pracht/ ihr Anſehn/ Ehr’ und Luͤſte
Der armen Pilgramin der Seelen Laſt und Buͤrd’:
Und daß ſie allzu lang in Meſech hat geſeſſen/
Wie koͤſtlich auch der Menſch ein hohes Alter ſchaͤtzt.
Ja was vor Freuden uns ſonſt Gluͤck und Zeit zumeſſen
Daß es mit nichten gleicht dem/ was ſie jetzt ergetzt.
Darumb ſo glauben ſie/ Betrübteſte/ der Frauen/
Das beſte Vaterland holt die Frau Mutter ein:
Deun wenn wir umb und an des Lebens Ziel beſchauen
So wird der Anfang Noth/ das Ende Sterben ſeyn.
Trauer-Ode/
Uber dem fruͤhen Abſterben Jungf. A. D. B.
den 6. April 1678.
1.
DEin Freund iſt wie ein Puͤſchel Myrrhen
Das zwiſchen deinen Bruͤſten liegt.
Du haſt ſatt auß den Angſt-Geſchirren
Verblichnes Jungfer-Bild gekriegt;
Die Aloe war nur zu bitter
Die dir dein Leben abgezehrt/
Und durch der Kranckheit Ungewitter
Jn eine Leiche dich verkehrt.
2.
Allein da alle dich verlaſſen/
Und niemand mehr mit Huͤlff erſcheint/
So
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[331/0563] Leichen-Gedichte. Sie nimmt auch den getroſt von ihres Schoͤpffers Haͤnden Und bringt in Einſamkeit die Zeit deß Lebens zu/ Traut dem/ der Vater iſt und Retter der Elenden Sucht bloß in ſeinem Wort Troſt/ Hoffnung/ Fried/ und Ruh. Kein Unfall zog ihr Hertz von den geſtirnten Hoͤhen/ Sie blieb der Hanna gleich dem Himmel zugewand. Was nicht zu aͤndern war/ ließ ſie vernuͤnfftig gehen Und ſeufftzte Tag und Nacht nach jenem Vaterland. Jetzt iſt ihr Wunſch erfuͤllt. Der Tod ein treuer Weiſer Fuͤhrt dieſe Pilgramin/ wo Milch und Honig fleuſt/ Sie ſieht Jeruſalem und deſſen Friedens-Haͤuſer Wird mit deß Himmels-Brod/ und Lebens-Brunn geſpeiſt. Jetzt weiß ſie daß die Welt ein ungeheure Wuͤſte/ Worinn gleich einem Schaf der Menſch ſich oft verirrt. Daß ihre gantze Pracht/ ihr Anſehn/ Ehr’ und Luͤſte Der armen Pilgramin der Seelen Laſt und Buͤrd’: Und daß ſie allzu lang in Meſech hat geſeſſen/ Wie koͤſtlich auch der Menſch ein hohes Alter ſchaͤtzt. Ja was vor Freuden uns ſonſt Gluͤck und Zeit zumeſſen Daß es mit nichten gleicht dem/ was ſie jetzt ergetzt. Darumb ſo glauben ſie/ Betrübteſte/ der Frauen/ Das beſte Vaterland holt die Frau Mutter ein: Deun wenn wir umb und an des Lebens Ziel beſchauen So wird der Anfang Noth/ das Ende Sterben ſeyn. Trauer-Ode/ Uber dem fruͤhen Abſterben Jungf. A. D. B. den 6. April 1678. 1. DEin Freund iſt wie ein Puͤſchel Myrrhen Das zwiſchen deinen Bruͤſten liegt. Du haſt ſatt auß den Angſt-Geſchirren Verblichnes Jungfer-Bild gekriegt; Die Aloe war nur zu bitter Die dir dein Leben abgezehrt/ Und durch der Kranckheit Ungewitter Jn eine Leiche dich verkehrt. 2. Allein da alle dich verlaſſen/ Und niemand mehr mit Huͤlff erſcheint/ So

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/563>, abgerufen am 22.11.2024.