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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Wie sol denn ein Gefäß von Thon aus schlechter Erden/
Auf dieser Unter-Welt beständig können seyn.
Wie lieblich der Smaragd/ wie schön er immer blincket
So hat Gebrechlichkeit bey ihm die Oberhand:
Wenn itzt der Jahre May mit göldnen Blumen wincket/
So kömmt ein raucher Nord und stürtzt sie in den Sand.
Wir sehn bey der Geburt schon Tod und Leben streiten/
Und Auff- und Untergang verknüpfft beysammen stehn.
Wie langsam die Natur uns pfleget zubereiten/
So schnelle heist der Tod uns aus dem Leben gehn.
Der Eingang ist gemein/ nur daß auf tausend Arten
Ein jeder Augen-Blick den Menschen fällen kan.
Man darf nicht auf den Tod/ er wird auf uns schon warten/
Greifft offt ein Wiegen-Kind für einen Alten an.
Und scheint/ betrübtste Frau/ es der Natur zuwieder/
Daß sie dem liebsten Sohn die Augen drücket zu/
Da sie wol eh gemeint/ daß ihre müden Glieder
Er solt aus Kindes Pflicht begleiten zu der Ruh:
Fällt so viel Hoffnung weg/ verschwinden so viel Freuden
Versincket so viel Trost durch zweyer Augen-Schluß:
So dencke sie doch nach: vom HErren kommt das Leiden
Wer hier nicht folgen wil/ der hört ein Wort: Man muß.
Wil diß noch schwerer seyn/ daß er so früh gestorben
Die Seele/ die GOtt liebt/ wird zeitlich Kercker frey.
Wie mancher ist hernach in Sünden erst verdorben
Wenn schon des Alters Last ihm Schnee geleget bey?
Wie wol und nicht wie lang urtheilen wir das Leben:
Der allerliebste Sohn hat schon viel Jahr erreicht.
Nun sieht er umb sich her die Eherubinen schweben/
Und lebt in solcher Lust der keine Freude gleicht.
Man pflegt ja den Smaragd in reines Gold zusetzen
Damit er grösser Licht und Liebligkeit gewinnt:
Wohl-Edle/ den Smaragd legt GOtt zu seinen Schätzen/
Die nicht wie edle Stein allhier gebrechlich sind.
Und hat auf Arons Brust dort ein Smaragd geglissen/
So gläntzet auch ihr Sohn nun in der Ewigkeit.
Er ist zur Freyheits-Burg durch Band und Strick gerissen/
Und gibt der Grufft nicht mehr als nur der Seele Kleid.
Er dient itzt für dem Stuel und schaut den Regen-Bogen/
Der schön als ein Smaragd/ mit grossen Wundern an/
Und
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Leichen-Gedichte.
Wie ſol denn ein Gefaͤß von Thon aus ſchlechter Erden/
Auf dieſer Unter-Welt beſtaͤndig koͤnnen ſeyn.
Wie lieblich der Smaragd/ wie ſchoͤn er immer blincket
So hat Gebrechlichkeit bey ihm die Oberhand:
Wenn itzt der Jahre May mit goͤldnen Blumen wincket/
So koͤmmt ein raucher Nord und ſtuͤrtzt ſie in den Sand.
Wir ſehn bey der Geburt ſchon Tod und Leben ſtreiten/
Und Auff- und Untergang verknuͤpfft beyſammen ſtehn.
Wie langſam die Natur uns pfleget zubereiten/
So ſchnelle heiſt der Tod uns aus dem Leben gehn.
Der Eingang iſt gemein/ nur daß auf tauſend Arten
Ein jeder Augen-Blick den Menſchen faͤllen kan.
Man darf nicht auf den Tod/ er wird auf uns ſchon warten/
Greifft offt ein Wiegen-Kind fuͤr einen Alten an.
Und ſcheint/ betruͤbtſte Frau/ es der Natur zuwieder/
Daß ſie dem liebſten Sohn die Augen druͤcket zu/
Da ſie wol eh gemeint/ daß ihre muͤden Glieder
Er ſolt aus Kindes Pflicht begleiten zu der Ruh:
Faͤllt ſo viel Hoffnung weg/ verſchwinden ſo viel Freuden
Verſincket ſo viel Troſt durch zweyer Augen-Schluß:
So dencke ſie doch nach: vom HErren kommt das Leiden
Wer hier nicht folgen wil/ der hoͤrt ein Wort: Man muß.
Wil diß noch ſchwerer ſeyn/ daß er ſo fruͤh geſtorben
Die Seele/ die GOtt liebt/ wird zeitlich Kercker frey.
Wie mancher iſt hernach in Suͤnden erſt verdorben
Wenn ſchon des Alters Laſt ihm Schnee geleget bey?
Wie wol und nicht wie lang urtheilen wir das Leben:
Der allerliebſte Sohn hat ſchon viel Jahr erreicht.
Nun ſieht er umb ſich her die Eherubinen ſchweben/
Und lebt in ſolcher Luſt der keine Freude gleicht.
Man pflegt ja den Smaragd in reines Gold zuſetzen
Damit er groͤſſer Licht und Liebligkeit gewinnt:
Wohl-Edle/ den Smaragd legt GOtt zu ſeinen Schaͤtzen/
Die nicht wie edle Stein allhier gebrechlich ſind.
Und hat auf Arons Bruſt dort ein Smaragd gegliſſen/
So glaͤntzet auch ihr Sohn nun in der Ewigkeit.
Er iſt zur Freyheits-Burg durch Band und Strick geriſſen/
Und gibt der Grufft nicht mehr als nur der Seele Kleid.
Er dient itzt fuͤr dem Stuel und ſchaut den Regen-Bogen/
Der ſchoͤn als ein Smaragd/ mit groſſen Wundern an/
Und
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[307/0539] Leichen-Gedichte. Wie ſol denn ein Gefaͤß von Thon aus ſchlechter Erden/ Auf dieſer Unter-Welt beſtaͤndig koͤnnen ſeyn. Wie lieblich der Smaragd/ wie ſchoͤn er immer blincket So hat Gebrechlichkeit bey ihm die Oberhand: Wenn itzt der Jahre May mit goͤldnen Blumen wincket/ So koͤmmt ein raucher Nord und ſtuͤrtzt ſie in den Sand. Wir ſehn bey der Geburt ſchon Tod und Leben ſtreiten/ Und Auff- und Untergang verknuͤpfft beyſammen ſtehn. Wie langſam die Natur uns pfleget zubereiten/ So ſchnelle heiſt der Tod uns aus dem Leben gehn. Der Eingang iſt gemein/ nur daß auf tauſend Arten Ein jeder Augen-Blick den Menſchen faͤllen kan. Man darf nicht auf den Tod/ er wird auf uns ſchon warten/ Greifft offt ein Wiegen-Kind fuͤr einen Alten an. Und ſcheint/ betruͤbtſte Frau/ es der Natur zuwieder/ Daß ſie dem liebſten Sohn die Augen druͤcket zu/ Da ſie wol eh gemeint/ daß ihre muͤden Glieder Er ſolt aus Kindes Pflicht begleiten zu der Ruh: Faͤllt ſo viel Hoffnung weg/ verſchwinden ſo viel Freuden Verſincket ſo viel Troſt durch zweyer Augen-Schluß: So dencke ſie doch nach: vom HErren kommt das Leiden Wer hier nicht folgen wil/ der hoͤrt ein Wort: Man muß. Wil diß noch ſchwerer ſeyn/ daß er ſo fruͤh geſtorben Die Seele/ die GOtt liebt/ wird zeitlich Kercker frey. Wie mancher iſt hernach in Suͤnden erſt verdorben Wenn ſchon des Alters Laſt ihm Schnee geleget bey? Wie wol und nicht wie lang urtheilen wir das Leben: Der allerliebſte Sohn hat ſchon viel Jahr erreicht. Nun ſieht er umb ſich her die Eherubinen ſchweben/ Und lebt in ſolcher Luſt der keine Freude gleicht. Man pflegt ja den Smaragd in reines Gold zuſetzen Damit er groͤſſer Licht und Liebligkeit gewinnt: Wohl-Edle/ den Smaragd legt GOtt zu ſeinen Schaͤtzen/ Die nicht wie edle Stein allhier gebrechlich ſind. Und hat auf Arons Bruſt dort ein Smaragd gegliſſen/ So glaͤntzet auch ihr Sohn nun in der Ewigkeit. Er iſt zur Freyheits-Burg durch Band und Strick geriſſen/ Und gibt der Grufft nicht mehr als nur der Seele Kleid. Er dient itzt fuͤr dem Stuel und ſchaut den Regen-Bogen/ Der ſchoͤn als ein Smaragd/ mit groſſen Wundern an/ Und U u u 2

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/539>, abgerufen am 25.11.2024.