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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Und dieser Fall der heist zugleich zwey Seelen sterben/
Alcyone verlangt nicht mehr der Sonnen Schein.
Es stellt die trübe Nacht/ wenn sie jetzt Träume säet/
Und mit vergnügter Ruh die müden Glieder speist
Wie für der Liebsten Bett Ceycis seufftzt und flehet/
Und seinen Untergang durch einen Schatten weist.
Was thut Alcyone? Sie laufft an das Gestade
Denckt an den letzten Kuß/ den sie zum Abschied gab/
Rufft: Find ich Himmel denn nicht weiter mehr Genade?
So mach ein gleicher Tod uns doch ein gleiches Grab.
Ach Muster voller Zucht und Spiegel reiner Sitten!
Ja der vermählten Lieb' unschätzbar Ebenbild!
Als unsre Schmettaum von dieser Welt geschritten/
Hat sie mit gleichem Ruhm des Lebens Ziel erfüllt.
Woledler/ seinen Schmertz lebhafftig vorzustellen
Muß wol Alcyone das beste Vorbild seyn
Es sey ein Mensch ein Fels/ bey solchen Trauer-Fällen
Reist die Bestürtzung nur den besten Rathschlag ein.
Ein Artzt/ der vielen offt die Schmertzen hat geheilet/
Weiß/ wenn er selber liegt/ für seine Noth nicht Rath.
Wenn so ein Donnerschlag die Sinnen übereilet/
So glaubt/ daß Seneca auch nicht mehr Pflaster hat.
War diß der letzte Kuß/ war diß das letzte Reisen
Als ihn Alcyone auß ihren Armen ließ?
Versprach sie nicht mehr Lust in künfftig zu erweisen?
Als Leid er jetzt empfind bey solchem Seelen-Rieß.
War seine Wiederkunfft nicht nur ihr eintzig hoffen?
Wer hätte doch geglaubt den Wechsel voller Noth?
Daß so ein Ungelück sein Hertz und Haus betroffen/
Und diese Post erschallt: Alcyone ist tod.
Jch weiß/ daß sein Gemüt/ Woledler Herr/ bewähret/
Jedoch aus langem Trost nur einen Eckel spürt.
Durch Reden wird die Zeit/ gar nicht das Leid verzehret/
Weil oft das schönste Wort die Wunde nicht mehr rührt.
Die werthste Seelige/ verdient viel tausend Thränen/
Dergleichen Ehgemahl ist seltzam auf der Welt.
Es kan sich Orpheus nicht so nach der Liebsten sehnen/
Daß ihm wol seine Treu nicht gleiche Wage hält.
Man mag den Schmertzen auch mit allen Farben mahlen/
Das innre Seelen-Leid nimmt keinen Pinsel an.
Drumb
T t t 5
Leichen-Gedichte.
Und dieſer Fall der heiſt zugleich zwey Seelen ſterben/
Alcyone verlangt nicht mehr der Sonnen Schein.
Es ſtellt die truͤbe Nacht/ wenn ſie jetzt Traͤume ſaͤet/
Und mit vergnuͤgter Ruh die muͤden Glieder ſpeiſt
Wie fuͤr der Liebſten Bett Ceycis ſeufftzt und flehet/
Und ſeinen Untergang durch einen Schatten weiſt.
Was thut Alcyone? Sie laufft an das Geſtade
Denckt an den letzten Kuß/ den ſie zum Abſchied gab/
Rufft: Find ich Himmel denn nicht weiter mehr Genade?
So mach ein gleicher Tod uns doch ein gleiches Grab.
Ach Muſter voller Zucht und Spiegel reiner Sitten!
Ja der vermaͤhlten Lieb’ unſchaͤtzbar Ebenbild!
Als unſre Schmettaum von dieſer Welt geſchritten/
Hat ſie mit gleichem Ruhm des Lebens Ziel erfuͤllt.
Woledler/ ſeinen Schmertz lebhafftig vorzuſtellen
Muß wol Alcyone das beſte Vorbild ſeyn
Es ſey ein Menſch ein Fels/ bey ſolchen Trauer-Faͤllen
Reiſt die Beſtuͤrtzung nur den beſten Rathſchlag ein.
Ein Artzt/ der vielen offt die Schmertzen hat geheilet/
Weiß/ wenn er ſelber liegt/ fuͤr ſeine Noth nicht Rath.
Wenn ſo ein Donnerſchlag die Sinnen uͤbereilet/
So glaubt/ daß Seneca auch nicht mehr Pflaſter hat.
War diß der letzte Kuß/ war diß das letzte Reiſen
Als ihn Alcyone auß ihren Armen ließ?
Verſprach ſie nicht mehr Luſt in kuͤnfftig zu erweiſen?
Als Leid er jetzt empfind bey ſolchem Seelen-Rieß.
War ſeine Wiederkunfft nicht nur ihr eintzig hoffen?
Wer haͤtte doch geglaubt den Wechſel voller Noth?
Daß ſo ein Ungeluͤck ſein Hertz und Haus betroffen/
Und dieſe Poſt erſchallt: Alcyone iſt tod.
Jch weiß/ daß ſein Gemuͤt/ Woledler Herr/ bewaͤhret/
Jedoch aus langem Troſt nur einen Eckel ſpuͤrt.
Durch Reden wird die Zeit/ gar nicht das Leid verzehret/
Weil oft das ſchoͤnſte Wort die Wunde nicht mehr ruͤhrt.
Die werthſte Seelige/ verdient viel tauſend Thraͤnen/
Dergleichen Ehgemahl iſt ſeltzam auf der Welt.
Es kan ſich Orpheus nicht ſo nach der Liebſten ſehnen/
Daß ihm wol ſeine Treu nicht gleiche Wage haͤlt.
Man mag den Schmertzen auch mit allen Farben mahlen/
Das innre Seelen-Leid nimmt keinen Pinſel an.
Drumb
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[297/0529] Leichen-Gedichte. Und dieſer Fall der heiſt zugleich zwey Seelen ſterben/ Alcyone verlangt nicht mehr der Sonnen Schein. Es ſtellt die truͤbe Nacht/ wenn ſie jetzt Traͤume ſaͤet/ Und mit vergnuͤgter Ruh die muͤden Glieder ſpeiſt Wie fuͤr der Liebſten Bett Ceycis ſeufftzt und flehet/ Und ſeinen Untergang durch einen Schatten weiſt. Was thut Alcyone? Sie laufft an das Geſtade Denckt an den letzten Kuß/ den ſie zum Abſchied gab/ Rufft: Find ich Himmel denn nicht weiter mehr Genade? So mach ein gleicher Tod uns doch ein gleiches Grab. Ach Muſter voller Zucht und Spiegel reiner Sitten! Ja der vermaͤhlten Lieb’ unſchaͤtzbar Ebenbild! Als unſre Schmettaum von dieſer Welt geſchritten/ Hat ſie mit gleichem Ruhm des Lebens Ziel erfuͤllt. Woledler/ ſeinen Schmertz lebhafftig vorzuſtellen Muß wol Alcyone das beſte Vorbild ſeyn Es ſey ein Menſch ein Fels/ bey ſolchen Trauer-Faͤllen Reiſt die Beſtuͤrtzung nur den beſten Rathſchlag ein. Ein Artzt/ der vielen offt die Schmertzen hat geheilet/ Weiß/ wenn er ſelber liegt/ fuͤr ſeine Noth nicht Rath. Wenn ſo ein Donnerſchlag die Sinnen uͤbereilet/ So glaubt/ daß Seneca auch nicht mehr Pflaſter hat. War diß der letzte Kuß/ war diß das letzte Reiſen Als ihn Alcyone auß ihren Armen ließ? Verſprach ſie nicht mehr Luſt in kuͤnfftig zu erweiſen? Als Leid er jetzt empfind bey ſolchem Seelen-Rieß. War ſeine Wiederkunfft nicht nur ihr eintzig hoffen? Wer haͤtte doch geglaubt den Wechſel voller Noth? Daß ſo ein Ungeluͤck ſein Hertz und Haus betroffen/ Und dieſe Poſt erſchallt: Alcyone iſt tod. Jch weiß/ daß ſein Gemuͤt/ Woledler Herr/ bewaͤhret/ Jedoch aus langem Troſt nur einen Eckel ſpuͤrt. Durch Reden wird die Zeit/ gar nicht das Leid verzehret/ Weil oft das ſchoͤnſte Wort die Wunde nicht mehr ruͤhrt. Die werthſte Seelige/ verdient viel tauſend Thraͤnen/ Dergleichen Ehgemahl iſt ſeltzam auf der Welt. Es kan ſich Orpheus nicht ſo nach der Liebſten ſehnen/ Daß ihm wol ſeine Treu nicht gleiche Wage haͤlt. Man mag den Schmertzen auch mit allen Farben mahlen/ Das innre Seelen-Leid nimmt keinen Pinſel an. Drumb T t t 5

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/529>, abgerufen am 22.11.2024.