Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Und weiter sind sie auch ein kennbahr Liebes-Zeichen/So Angesipptes Blut einander setzen sol/ Wer weiß nicht wie so hoch Egyptens Säulen reichen Und was vor Schrifften trug das göldne Capitol/ Wir Ertz und Marmel noch die reine Treu benennen Uhrhebern ihrer Zier beharrlich danckbar seyn/ Wie man die Liebe sieht noch auß der Asche brennen Und wo sonst nichts mehr redt/ so redt der Leichenstein. Hoch-edle/ wenn ihr nun mit Adlichem Gepränge (ster ehrt Nach Stand und nach Gebühr itzt Muhm und Schwe- So ists der Ahnen Ruhm und ihrer Tugend Mänge Die euch/ den werthen Sarch zu schmücken hat gelehrt. Jhr keuscher Jungfern-Krantz sucht diß zum Eigenthume/ Wozu die Gottes-Furcht die weisse Seiden schenckt/ Die Engel heissen sie itzt auserwehlte Muhme/ Die an die Lust der Welt ihr Hertze nie gelenckt. Was ist die Keuschheit selbst? Ein Zweig vom Paradiese/ Ein Kleinod das den Leib doch mehr die Seele ziert. Ein Purpur deß Geschlechts und Blumen-volle Wiese Die in die Nachbarschafft der Engel uns eiuführt. Die auff der Erden noch uus diesen Vorschmack giebet Der in dem Himmel sonst die Heiligen erquickt. Ein Glaube/ der bezeigt/ wie hoch er GOtt geliebet/ Ein Uhr-Werck/ das niemals auß dem Gewichte rückt. Jn solcher Einsamkeit und Engel-gleichem Stande/ Beschloß die Seelige den Rest der schnellen Zeit/ Gekränckt von keiner Noth/ gequält von keinem Brande Den der Begierden Feur und Flamme von sich streut/ Jhr Garten war ein Feld Gottseeliger Gedancken/ Wo eintzig nur geblüht der Tugend Ehren-Preiß. Jhr Leben Schnecken-gleich/ das vorgesetzte Schrancken Und feines Hauses Dach nie zu verlassen weiß. Sie kante nicht die Welt/ und ihre schlaue Rencke/ Wie unter einem Kuß Gifft der Verleumbdung steckt/ Wie an dem Seil der Lust ein Garn deß Todeshencke/ Und die Verstellungs-Kunst der Menschen Sitten deckt. So offt der Frühling sich gezeigt mit seinen Schätzen/ Den Bäumen Amber-Schnee/ den Blumen Purpur gab/ So konte sich ihr Aug an diesem Schmuck ergetzen/ Und brach die Erstlinge von Chloris Kindern ab. Ließ
Leichen-Gedichte. Und weiter ſind ſie auch ein kennbahr Liebes-Zeichen/So Angeſipptes Blut einander ſetzen ſol/ Wer weiß nicht wie ſo hoch Egyptens Saͤulen reichen Und was vor Schrifften trug das goͤldne Capitol/ Wir Ertz und Marmel noch die reine Treu benennen Uhrhebern ihrer Zier beharꝛlich danckbar ſeyn/ Wie man die Liebe ſieht noch auß der Aſche brennen Und wo ſonſt nichts mehr redt/ ſo redt der Leichenſtein. Hoch-edle/ wenn ihr nun mit Adlichem Gepraͤnge (ſter ehrt Nach Stand und nach Gebuͤhr itzt Muhm und Schwe- So iſts der Ahnen Ruhm und ihrer Tugend Maͤnge Die euch/ den werthen Sarch zu ſchmuͤcken hat gelehrt. Jhr keuſcher Jungfern-Krantz ſucht diß zum Eigenthume/ Wozu die Gottes-Furcht die weiſſe Seiden ſchenckt/ Die Engel heiſſen ſie itzt auserwehlte Muhme/ Die an die Luſt der Welt ihr Hertze nie gelenckt. Was iſt die Keuſchheit ſelbſt? Ein Zweig vom Paradieſe/ Ein Kleinod das den Leib doch mehr die Seele ziert. Ein Purpur deß Geſchlechts und Blumen-volle Wieſe Die in die Nachbarſchafft der Engel uns eiufuͤhrt. Die auff der Erden noch uus dieſen Vorſchmack giebet Der in dem Himmel ſonſt die Heiligen erquickt. Ein Glaube/ der bezeigt/ wie hoch er GOtt geliebet/ Ein Uhr-Werck/ das niemals auß dem Gewichte ruͤckt. Jn ſolcher Einſamkeit und Engel-gleichem Stande/ Beſchloß die Seelige den Reſt der ſchnellen Zeit/ Gekraͤnckt von keiner Noth/ gequaͤlt von keinem Brande Den der Begierden Feur und Flamme von ſich ſtreut/ Jhr Garten war ein Feld Gottſeeliger Gedancken/ Wo eintzig nur gebluͤht der Tugend Ehren-Preiß. Jhr Leben Schnecken-gleich/ das vorgeſetzte Schrancken Und feines Hauſes Dach nie zu verlaſſen weiß. Sie kante nicht die Welt/ und ihre ſchlaue Rencke/ Wie unter einem Kuß Gifft der Verleumbdung ſteckt/ Wie an dem Seil der Luſt ein Garn deß Todeshencke/ Und die Verſtellungs-Kunſt der Menſchen Sitten deckt. So offt der Fruͤhling ſich gezeigt mit ſeinen Schaͤtzen/ Den Baͤumen Amber-Schnee/ den Blumen Purpur gab/ So konte ſich ihr Aug an dieſem Schmuck ergetzen/ Und brach die Erſtlinge von Chloris Kindern ab. Ließ
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Leichen-Gedichte.
Und weiter ſind ſie auch ein kennbahr Liebes-Zeichen/
So Angeſipptes Blut einander ſetzen ſol/
Wer weiß nicht wie ſo hoch Egyptens Saͤulen reichen
Und was vor Schrifften trug das goͤldne Capitol/
Wir Ertz und Marmel noch die reine Treu benennen
Uhrhebern ihrer Zier beharꝛlich danckbar ſeyn/
Wie man die Liebe ſieht noch auß der Aſche brennen
Und wo ſonſt nichts mehr redt/ ſo redt der Leichenſtein.
Hoch-edle/ wenn ihr nun mit Adlichem Gepraͤnge (ſter ehrt
Nach Stand und nach Gebuͤhr itzt Muhm und Schwe-
So iſts der Ahnen Ruhm und ihrer Tugend Maͤnge
Die euch/ den werthen Sarch zu ſchmuͤcken hat gelehrt.
Jhr keuſcher Jungfern-Krantz ſucht diß zum Eigenthume/
Wozu die Gottes-Furcht die weiſſe Seiden ſchenckt/
Die Engel heiſſen ſie itzt auserwehlte Muhme/
Die an die Luſt der Welt ihr Hertze nie gelenckt.
Was iſt die Keuſchheit ſelbſt? Ein Zweig vom Paradieſe/
Ein Kleinod das den Leib doch mehr die Seele ziert.
Ein Purpur deß Geſchlechts und Blumen-volle Wieſe
Die in die Nachbarſchafft der Engel uns eiufuͤhrt.
Die auff der Erden noch uus dieſen Vorſchmack giebet
Der in dem Himmel ſonſt die Heiligen erquickt.
Ein Glaube/ der bezeigt/ wie hoch er GOtt geliebet/
Ein Uhr-Werck/ das niemals auß dem Gewichte ruͤckt.
Jn ſolcher Einſamkeit und Engel-gleichem Stande/
Beſchloß die Seelige den Reſt der ſchnellen Zeit/
Gekraͤnckt von keiner Noth/ gequaͤlt von keinem Brande
Den der Begierden Feur und Flamme von ſich ſtreut/
Jhr Garten war ein Feld Gottſeeliger Gedancken/
Wo eintzig nur gebluͤht der Tugend Ehren-Preiß.
Jhr Leben Schnecken-gleich/ das vorgeſetzte Schrancken
Und feines Hauſes Dach nie zu verlaſſen weiß.
Sie kante nicht die Welt/ und ihre ſchlaue Rencke/
Wie unter einem Kuß Gifft der Verleumbdung ſteckt/
Wie an dem Seil der Luſt ein Garn deß Todeshencke/
Und die Verſtellungs-Kunſt der Menſchen Sitten deckt.
So offt der Fruͤhling ſich gezeigt mit ſeinen Schaͤtzen/
Den Baͤumen Amber-Schnee/ den Blumen Purpur gab/
So konte ſich ihr Aug an dieſem Schmuck ergetzen/
Und brach die Erſtlinge von Chloris Kindern ab.
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Zitationshilfe: | Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/520>, abgerufen am 16.02.2025. |