Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. So seufftzt sie/ Liselis hat wüssen Erde werdenDer Tugend Conterfey/ der Jungfern Ruhm und Zier. Sie wird auch ihren Witz und Vorsicht sonst entrathen Der bangen Einsamkeit verfall'nen Stern und Licht. Doch sey sie nur getrost/ weil auch auß Wolck und Schatten Deß Höchsten Gnaden-Glantz mit grössern Stralen bricht. Sie ist auff kurtze Zeit jetzt nur voran gegangen/ Beschleust deß Lebens End und Elend in der Zeit/ Sie wird ein neues Jahr/ und Jubel-Jahr anfangen Wenn uns im neuen Jahr noch drücket altes Leid. Ehren-Gedächtnüß/ HOchedle/ daß ihr itzt mit anverwantem Klagen/Jungf. A. S. v. J. den 31. Jenner 1677. Den letzten Ehren-Dienst und Liebes-Pflicht legt ab Und Muhm' und Schwester last mit Ruhm von hin- nen tragen Und schickt die kalte Leich'/ ins Haus der Ruh/ das Grab/ Verdient nicht schlechtes Lob. Es heischt es das Gesetze/ So GOtt und die Natur uns in die Brust gelegt/ Daß man der Seinen Sarch mit heissen Thränen netze/ Und daß in Seel und Hertz man ihr Gedächtnüß trägt. Es ist ein toller Wahn von den verdammten Heyden/ Die die Beerdigung am wenigsten geacht/ Und nichts darnach gefragt/ ob brennen/ reissen/ schneiden Hat auß dem todten Leib ein lauter nichts gemacht. Nein/ Gottes Eben-Bild und seiner Hand Geschöpffe Muß nicht wie schlechter Staub seyn in die Lufft gestreut/ Hat das noch blinde Rom geehrt sein' Aschen-Töpffe Und gar das Grab genennt ein Haus der Ewigkeit: Wie vielmehr sollen wir die abgelebten Glieder/ Der allgemeinen Schoß der Erden anvertraun. Gesichert durch den Trost/ der Höchste giebt sie wieder/ Die Hütte/ die er bricht/ die kan er neu auffbann. Denn sind die Gräber auch ein Denckmahl unsrer Ehren/ Wobey ein ewig Ruhm mit hellen Augen wacht/ Wo offt die Tugend pflegt den Wanders-Mann zu lehren/ Daß hoher Thaten Preiß nicht fault ins Grabes Nacht. Und
Leichen-Gedichte. So ſeufftzt ſie/ Liſelis hat wuͤſſen Erde werdenDer Tugend Conterfey/ der Jungfern Ruhm und Zier. Sie wird auch ihren Witz und Vorſicht ſonſt entrathen Der bangen Einſamkeit verfall’nen Stern und Licht. Doch ſey ſie nur getroſt/ weil auch auß Wolck und Schatten Deß Hoͤchſten Gnaden-Glantz mit groͤſſern Stralen bricht. Sie iſt auff kurtze Zeit jetzt nur voran gegangen/ Beſchleuſt deß Lebens End und Elend in der Zeit/ Sie wird ein neues Jahr/ und Jubel-Jahr anfangen Wenn uns im neuen Jahr noch druͤcket altes Leid. Ehren-Gedaͤchtnuͤß/ HOchedle/ daß ihr itzt mit anverwantem Klagen/Jungf. A. S. v. J. den 31. Jenner 1677. Den letzten Ehren-Dienſt und Liebes-Pflicht legt ab Und Muhm’ und Schweſter laſt mit Ruhm von hin- nen tragen Und ſchickt die kalte Leich’/ ins Haus der Ruh/ das Grab/ Verdient nicht ſchlechtes Lob. Es heiſcht es das Geſetze/ So GOtt und die Natur uns in die Bruſt gelegt/ Daß man der Seinen Sarch mit heiſſen Thraͤnen netze/ Und daß in Seel und Hertz man ihr Gedaͤchtnuͤß traͤgt. Es iſt ein toller Wahn von den verdammten Heyden/ Die die Beerdigung am wenigſten geacht/ Und nichts darnach gefragt/ ob brennen/ reiſſen/ ſchneiden Hat auß dem todten Leib ein lauter nichts gemacht. Nein/ Gottes Eben-Bild und ſeiner Hand Geſchoͤpffe Muß nicht wie ſchlechter Staub ſeyn in die Lufft geſtreut/ Hat das noch blinde Rom geehrt ſein’ Aſchen-Toͤpffe Und gar das Grab genennt ein Haus der Ewigkeit: Wie vielmehr ſollen wir die abgelebten Glieder/ Der allgemeinen Schoß der Erden anvertraun. Geſichert durch den Troſt/ der Hoͤchſte giebt ſie wieder/ Die Huͤtte/ die er bricht/ die kan er neu auffbann. Denn ſind die Graͤber auch ein Denckmahl unſrer Ehren/ Wobey ein ewig Ruhm mit hellen Augen wacht/ Wo offt die Tugend pflegt den Wanders-Mann zu lehren/ Daß hoher Thaten Preiß nicht fault ins Grabes Nacht. Und
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Leichen-Gedichte.
So ſeufftzt ſie/ Liſelis hat wuͤſſen Erde werden
Der Tugend Conterfey/ der Jungfern Ruhm und Zier.
Sie wird auch ihren Witz und Vorſicht ſonſt entrathen
Der bangen Einſamkeit verfall’nen Stern und Licht.
Doch ſey ſie nur getroſt/ weil auch auß Wolck und Schatten
Deß Hoͤchſten Gnaden-Glantz mit groͤſſern Stralen bricht.
Sie iſt auff kurtze Zeit jetzt nur voran gegangen/
Beſchleuſt deß Lebens End und Elend in der Zeit/
Sie wird ein neues Jahr/ und Jubel-Jahr anfangen
Wenn uns im neuen Jahr noch druͤcket altes Leid.
Ehren-Gedaͤchtnuͤß/
Jungf. A. S. v. J. den 31. Jenner 1677.
HOchedle/ daß ihr itzt mit anverwantem Klagen/
Den letzten Ehren-Dienſt und Liebes-Pflicht legt ab
Und Muhm’ und Schweſter laſt mit Ruhm von hin-
nen tragen
Und ſchickt die kalte Leich’/ ins Haus der Ruh/ das Grab/
Verdient nicht ſchlechtes Lob. Es heiſcht es das Geſetze/
So GOtt und die Natur uns in die Bruſt gelegt/
Daß man der Seinen Sarch mit heiſſen Thraͤnen netze/
Und daß in Seel und Hertz man ihr Gedaͤchtnuͤß traͤgt.
Es iſt ein toller Wahn von den verdammten Heyden/
Die die Beerdigung am wenigſten geacht/
Und nichts darnach gefragt/ ob brennen/ reiſſen/ ſchneiden
Hat auß dem todten Leib ein lauter nichts gemacht.
Nein/ Gottes Eben-Bild und ſeiner Hand Geſchoͤpffe
Muß nicht wie ſchlechter Staub ſeyn in die Lufft geſtreut/
Hat das noch blinde Rom geehrt ſein’ Aſchen-Toͤpffe
Und gar das Grab genennt ein Haus der Ewigkeit:
Wie vielmehr ſollen wir die abgelebten Glieder/
Der allgemeinen Schoß der Erden anvertraun.
Geſichert durch den Troſt/ der Hoͤchſte giebt ſie wieder/
Die Huͤtte/ die er bricht/ die kan er neu auffbann.
Denn ſind die Graͤber auch ein Denckmahl unſrer Ehren/
Wobey ein ewig Ruhm mit hellen Augen wacht/
Wo offt die Tugend pflegt den Wanders-Mann zu lehren/
Daß hoher Thaten Preiß nicht fault ins Grabes Nacht.
Und
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