Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Doch weil wir nicht zum EigenthumeDas Leben/ noch umb Geld gepacht. So räume sie dem Ober-HErren Sein Erbgut ungezwungen ein. Wenn sich der Mensch zu sehr wil sperren/ So folgt nur grösser Straff und Pein. 7. Gesetzt daß sie auff diesem GartenDer Welt anmuthig fortgeblüht/ Und sich gleich Blumen schönster Arten Umb Zucht und Tugend höchst bemüht. Wie gar bald kommt ein Wind aus Norden Und reist das beste Blum-Werck ein? Nun ist sie eine Jris worden/ Jn unerschöpffter Klarheit-Schein. 8. Wie bey dem warmen Frühlings-WetterDie so berühmte Jris gläntzt/ Und durch die Himmel-blaue Blätter Des glatten Stengels Haupt bekräntzt/ Drey Blätter zu der Erden neiget/ Und meldet daß sie flüchtig ist; Hergegen drey der Sonne zeiget/ Die sie ihr eintzig auserkiest. 9. So hat die seel'ge JulianeGleich einer Jris hier geblüht/ Und weil man auffdem Erden Plane Nichts/ was beständig bleibet/ sieht/ So hat sie ihre zarte Glieder Als Blätter in den Sand gestreut/ Biß sie des Lebens-Sonne wieder Jm Himmel-blauen Schmuck verneut. 10. Die Blätter aber ihrer SeeleBlühn unverwest in GOttes Hand/ Es decket ja des Grabes Höle Nur eine Hand-voll Staub und Sand. Und wie der Jris Wurtzel riechen Die Lebens-Geister recht erquickt; So S s s 3
Leichen-Gedichte. Doch weil wir nicht zum EigenthumeDas Leben/ noch umb Geld gepacht. So raͤume ſie dem Ober-HErren Sein Erbgut ungezwungen ein. Wenn ſich der Menſch zu ſehr wil ſperren/ So folgt nur groͤſſer Straff und Pein. 7. Geſetzt daß ſie auff dieſem GartenDer Welt anmuthig fortgebluͤht/ Und ſich gleich Blumen ſchoͤnſter Arten Umb Zucht und Tugend hoͤchſt bemuͤht. Wie gar bald kommt ein Wind aus Norden Und reiſt das beſte Blum-Werck ein? Nun iſt ſie eine Jris worden/ Jn unerſchoͤpffter Klarheit-Schein. 8. Wie bey dem warmen Fruͤhlings-WetterDie ſo beruͤhmte Jris glaͤntzt/ Und durch die Himmel-blaue Blaͤtter Des glatten Stengels Haupt bekraͤntzt/ Drey Blaͤtter zu der Erden neiget/ Und meldet daß ſie fluͤchtig iſt; Hergegen drey der Sonne zeiget/ Die ſie ihr eintzig auserkieſt. 9. So hat die ſeel’ge JulianeGleich einer Jris hier gebluͤht/ Und weil man auffdem Erden Plane Nichts/ was beſtaͤndig bleibet/ ſieht/ So hat ſie ihre zarte Glieder Als Blaͤtter in den Sand geſtreut/ Biß ſie des Lebens-Sonne wieder Jm Himmel-blauen Schmuck verneut. 10. Die Blaͤtter aber ihrer SeeleBluͤhn unverweſt in GOttes Hand/ Es decket ja des Grabes Hoͤle Nur eine Hand-voll Staub und Sand. Und wie der Jris Wurtzel riechen Die Lebens-Geiſter recht erquickt; So S ſ ſ 3
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Leichen-Gedichte.
Doch weil wir nicht zum Eigenthume
Das Leben/ noch umb Geld gepacht.
So raͤume ſie dem Ober-HErren
Sein Erbgut ungezwungen ein.
Wenn ſich der Menſch zu ſehr wil ſperren/
So folgt nur groͤſſer Straff und Pein.
7.
Geſetzt daß ſie auff dieſem Garten
Der Welt anmuthig fortgebluͤht/
Und ſich gleich Blumen ſchoͤnſter Arten
Umb Zucht und Tugend hoͤchſt bemuͤht.
Wie gar bald kommt ein Wind aus Norden
Und reiſt das beſte Blum-Werck ein?
Nun iſt ſie eine Jris worden/
Jn unerſchoͤpffter Klarheit-Schein.
8.
Wie bey dem warmen Fruͤhlings-Wetter
Die ſo beruͤhmte Jris glaͤntzt/
Und durch die Himmel-blaue Blaͤtter
Des glatten Stengels Haupt bekraͤntzt/
Drey Blaͤtter zu der Erden neiget/
Und meldet daß ſie fluͤchtig iſt;
Hergegen drey der Sonne zeiget/
Die ſie ihr eintzig auserkieſt.
9.
So hat die ſeel’ge Juliane
Gleich einer Jris hier gebluͤht/
Und weil man auffdem Erden Plane
Nichts/ was beſtaͤndig bleibet/ ſieht/
So hat ſie ihre zarte Glieder
Als Blaͤtter in den Sand geſtreut/
Biß ſie des Lebens-Sonne wieder
Jm Himmel-blauen Schmuck verneut.
10.
Die Blaͤtter aber ihrer Seele
Bluͤhn unverweſt in GOttes Hand/
Es decket ja des Grabes Hoͤle
Nur eine Hand-voll Staub und Sand.
Und wie der Jris Wurtzel riechen
Die Lebens-Geiſter recht erquickt;
So
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