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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Es schloß die Fruchtbarkeit an Oelbaum ihre Reben:
Nimm/ sagte Morta mir/ diß Traurspiel wol in acht/
Göttinnen haben sich umb diesen Sarg gemacht.
Der Abgestorbnen Ruhm und Tugend zu erheben.
Und wo dein Auge nicht in den Gemälden treugt/
So mercke wessen Tod die dunckle Deutung zeugt:
Die Wort' erweckten mir noch immer mehr Begierden/
Als an der nächsten Wand ein Sinnen-Bild erschien/
Der Monde so verblast/ mit Beyschrifft: Es ist hin
Deß Hauses heller Glantz samt aller Stralen Zierden.
Nicht unweit stand ein Baum auff dessen dürren Ast
Die Turteltaub: Allein. Zum Sinnbild abgefast.
Dort sanck die Lilie verwelcket zu der Erden.
Mit Thränen geh ich auf/ mit Thränen geh ich ein/
Mit Thränen muß ich auch im Tode fruchtbar seyn.
Zwey Lauten so sonst nie getrennet können werden/
Die lagen gantz entzwey/ die Seiten sprungen ab (Grab.
Der Wahlspruch drüber war: Den Klang zerstört das
Unweit sah ich ein Hertz in vollem Blute schwimmen
Durch dessen Mittel-Punct ein spitzig Demant fuhr
Mit Beysatz: Diese Wundheilt ferner keine Cur.
Und weiter wuchs Corall ins Meeres tieffen Krümmen
Die Uberschrifft kam so: Jch lebe nur in Fluth/ (Gut.
Und bittres Thränen-Saltz ist jetzt mein höchstes
Jch eilte furchtsam fort mehr Sprüche nachzulesen/
Als meine Führerin den Vorsatz unterbrach/
Und rieff: Ach sinne doch den Sachen tieffer nach
Versteh/ durch meine Gunst wer diese sey gewesen/
Die jetzt Herr Reusch auß Pflicht mit tausend Thränen netzt
Und die die gantze Stadt deß Lebens würdig schätzt.
Es hat die Sonne noch den Thier-Kreiß nicht durchrennet/
Als diese Gratie und schönster Nymfen Zier/
Des Himmels Meisterstück/ der Freundligkeit Saphier
Von reiner Liebes-Glut Herr Reuschens angebrennet/
Durch das hochheilge Band der Eh sich ihm vermählt |
Und nichts als Freud und Lust in diesem Stand gezehlt.
Ach aber ach! wie spielt das himmlische Geschicke/
Und mischt die Aloe deß Lebens-Zucker ein!
Ach daß der Monden sol so bald verdunckelt seyn!
Und sich sein Silber-Glantz verkehrt in Leichen-Blicke!
Der
Leichen-Gedichte.
Es ſchloß die Fruchtbarkeit an Oelbaum ihre Reben:
Nimm/ ſagte Morta mir/ diß Traurſpiel wol in acht/
Goͤttinnen haben ſich umb dieſen Sarg gemacht.
Der Abgeſtorbnen Ruhm und Tugend zu erheben.
Und wo dein Auge nicht in den Gemaͤlden treugt/
So mercke weſſen Tod die dunckle Deutung zeugt:
Die Wort’ erweckten mir noch immer mehr Begierden/
Als an der naͤchſten Wand ein Sinnen-Bild erſchien/
Der Monde ſo verblaſt/ mit Beyſchrifft: Es iſt hin
Deß Hauſes heller Glantz ſamt aller Stralen Zierden.
Nicht unweit ſtand ein Baum auff deſſen duͤrren Aſt
Die Turteltaub: Allein. Zum Sinnbild abgefaſt.
Dort ſanck die Lilie verwelcket zu der Erden.
Mit Thraͤnen geh ich auf/ mit Thraͤnen geh ich ein/
Mit Thraͤnen muß ich auch im Tode fruchtbar ſeyn.
Zwey Lauten ſo ſonſt nie getrennet koͤnnen werden/
Die lagen gantz entzwey/ die Seiten ſprungen ab (Grab.
Der Wahlſpruch druͤber war: Den Klang zerſtoͤrt das
Unweit ſah ich ein Hertz in vollem Blute ſchwimmen
Durch deſſen Mittel-Punct ein ſpitzig Demant fuhr
Mit Beyſatz: Dieſe Wundheilt ferner keine Cur.
Und weiter wuchs Corall ins Meeres tieffen Kruͤmmen
Die Uberſchrifft kam ſo: Jch lebe nur in Fluth/ (Gut.
Und bittres Thraͤnen-Saltz iſt jetzt mein hoͤchſtes
Jch eilte furchtſam fort mehr Spruͤche nachzuleſen/
Als meine Fuͤhrerin den Vorſatz unterbrach/
Und rieff: Ach ſinne doch den Sachen tieffer nach
Verſteh/ durch meine Gunſt wer dieſe ſey geweſen/
Die jetzt Herr Reuſch auß Pflicht mit tauſend Thraͤnen netzt
Und die die gantze Stadt deß Lebens wuͤrdig ſchaͤtzt.
Es hat die Sonne noch den Thier-Kreiß nicht durchrennet/
Als dieſe Gratie und ſchoͤnſter Nymfen Zier/
Des Himmels Meiſterſtuͤck/ der Freundligkeit Saphier
Von reiner Liebes-Glut Herr Reuſchens angebrennet/
Durch das hochheilge Band der Eh ſich ihm vermaͤhlt |
Und nichts als Freud und Luſt in dieſem Stand gezehlt.
Ach aber ach! wie ſpielt das himmliſche Geſchicke/
Und miſcht die Aloe deß Lebens-Zucker ein!
Ach daß der Monden ſol ſo bald verdunckelt ſeyn!
Und ſich ſein Silber-Glantz verkehrt in Leichen-Blicke!
Der
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[236/0468] Leichen-Gedichte. Es ſchloß die Fruchtbarkeit an Oelbaum ihre Reben: Nimm/ ſagte Morta mir/ diß Traurſpiel wol in acht/ Goͤttinnen haben ſich umb dieſen Sarg gemacht. Der Abgeſtorbnen Ruhm und Tugend zu erheben. Und wo dein Auge nicht in den Gemaͤlden treugt/ So mercke weſſen Tod die dunckle Deutung zeugt: Die Wort’ erweckten mir noch immer mehr Begierden/ Als an der naͤchſten Wand ein Sinnen-Bild erſchien/ Der Monde ſo verblaſt/ mit Beyſchrifft: Es iſt hin Deß Hauſes heller Glantz ſamt aller Stralen Zierden. Nicht unweit ſtand ein Baum auff deſſen duͤrren Aſt Die Turteltaub: Allein. Zum Sinnbild abgefaſt. Dort ſanck die Lilie verwelcket zu der Erden. Mit Thraͤnen geh ich auf/ mit Thraͤnen geh ich ein/ Mit Thraͤnen muß ich auch im Tode fruchtbar ſeyn. Zwey Lauten ſo ſonſt nie getrennet koͤnnen werden/ Die lagen gantz entzwey/ die Seiten ſprungen ab (Grab. Der Wahlſpruch druͤber war: Den Klang zerſtoͤrt das Unweit ſah ich ein Hertz in vollem Blute ſchwimmen Durch deſſen Mittel-Punct ein ſpitzig Demant fuhr Mit Beyſatz: Dieſe Wundheilt ferner keine Cur. Und weiter wuchs Corall ins Meeres tieffen Kruͤmmen Die Uberſchrifft kam ſo: Jch lebe nur in Fluth/ (Gut. Und bittres Thraͤnen-Saltz iſt jetzt mein hoͤchſtes Jch eilte furchtſam fort mehr Spruͤche nachzuleſen/ Als meine Fuͤhrerin den Vorſatz unterbrach/ Und rieff: Ach ſinne doch den Sachen tieffer nach Verſteh/ durch meine Gunſt wer dieſe ſey geweſen/ Die jetzt Herr Reuſch auß Pflicht mit tauſend Thraͤnen netzt Und die die gantze Stadt deß Lebens wuͤrdig ſchaͤtzt. Es hat die Sonne noch den Thier-Kreiß nicht durchrennet/ Als dieſe Gratie und ſchoͤnſter Nymfen Zier/ Des Himmels Meiſterſtuͤck/ der Freundligkeit Saphier Von reiner Liebes-Glut Herr Reuſchens angebrennet/ Durch das hochheilge Band der Eh ſich ihm vermaͤhlt | Und nichts als Freud und Luſt in dieſem Stand gezehlt. Ach aber ach! wie ſpielt das himmliſche Geſchicke/ Und miſcht die Aloe deß Lebens-Zucker ein! Ach daß der Monden ſol ſo bald verdunckelt ſeyn! Und ſich ſein Silber-Glantz verkehrt in Leichen-Blicke! Der

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/468>, abgerufen am 22.11.2024.