Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Wril nun in deß Himmels-ZimmernEngel ihm zur Seiten stehn/ Auß der Wiegen in die Erden Hat er früh' den Lauff vollbracht/ Und soll einst verkläret werden Jn der schönsten Sternen-Pracht. 11. Last die Thränen minder fliessen/Nennt den Tod ja nicht Verlust/ Weil er jetzund kan geniessen/ Statt der süssen Mutter-Brust/ Jsraels beliebte Quellen/ Die sein höchstes Labsall seyn/ Die sein Unschulds-Kleid erhellen/ Daß es wie die Lilgen rein. 12. Gleich wie nur auß schlechter ErdenUnser Anherr war erbaut/ Und durch Sünde muste werden Wieder ihrer Schoß vertraut: So soll auch/ was Mensch ist/ sterben/ Doch nicht ewig untergehn; Denn es wird mit Christo erben Und lebendig aufferstehn. Das Sterbe-Kleid/ JSt diß der letzte Schmuck/ du wertheste der Frauen/Bey Beerdigung Fr. E. P. g. W. betrachtet/ den 17. Julii 1675. Der deinen kalten Leib nunmehr bekleiden soll? Jch weiter Seelige/ kein Anmuth mehr zu schauen? Gefällt ein Leinen Tuch für andern dir so wol? Und wünscht du eintzig nur diß Kleid bald anzulegen/ Hingegen Fleisch und Blut die Hülle wegzuthun? So sag ich diese Tracht bringt dir mehr Nutz zu wegen/ Als wenn du sonst auf Sammt und Purpur würdest ruhn. Diß ist nicht ungemein daß bey verstrichnen Zeiten Sich schon die alte Welt zum Sterben hat geschickt/ Daß
Leichen-Gedichte. Wril nun in deß Himmels-ZimmernEngel ihm zur Seiten ſtehn/ Auß der Wiegen in die Erden Hat er fruͤh’ den Lauff vollbracht/ Und ſoll einſt verklaͤret werden Jn der ſchoͤnſten Sternen-Pracht. 11. Laſt die Thraͤnen minder flieſſen/Nennt den Tod ja nicht Verluſt/ Weil er jetzund kan genieſſen/ Statt der ſuͤſſen Mutter-Bruſt/ Jſraels beliebte Quellen/ Die ſein hoͤchſtes Labſall ſeyn/ Die ſein Unſchulds-Kleid erhellen/ Daß es wie die Lilgen rein. 12. Gleich wie nur auß ſchlechter ErdenUnſer Anherr war erbaut/ Und durch Suͤnde muſte werden Wieder ihrer Schoß vertraut: So ſoll auch/ was Menſch iſt/ ſterben/ Doch nicht ewig untergehn; Denn es wird mit Chriſto erben Und lebendig aufferſtehn. Das Sterbe-Kleid/ JSt diß der letzte Schmuck/ du wertheſte der Frauen/Bey Beerdigung Fr. E. P. g. W. betrachtet/ den 17. Julii 1675. Der deinen kalten Leib nunmehr bekleiden ſoll? Jch weiter Seelige/ kein Anmuth mehr zu ſchauen? Gefaͤllt ein Leinen Tuch fuͤr andern dir ſo wol? Und wuͤnſcht du eintzig nur diß Kleid bald anzulegen/ Hingegen Fleiſch und Blut die Huͤlle wegzuthun? So ſag ich dieſe Tracht bringt dir mehr Nutz zu wegen/ Als wenn du ſonſt auf Sammt und Purpur wuͤrdeſt ruhn. Diß iſt nicht ungemein daß bey verſtrichnen Zeiten Sich ſchon die alte Welt zum Sterben hat geſchickt/ Daß
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Leichen-Gedichte.
Wril nun in deß Himmels-Zimmern
Engel ihm zur Seiten ſtehn/
Auß der Wiegen in die Erden
Hat er fruͤh’ den Lauff vollbracht/
Und ſoll einſt verklaͤret werden
Jn der ſchoͤnſten Sternen-Pracht.
11.
Laſt die Thraͤnen minder flieſſen/
Nennt den Tod ja nicht Verluſt/
Weil er jetzund kan genieſſen/
Statt der ſuͤſſen Mutter-Bruſt/
Jſraels beliebte Quellen/
Die ſein hoͤchſtes Labſall ſeyn/
Die ſein Unſchulds-Kleid erhellen/
Daß es wie die Lilgen rein.
12.
Gleich wie nur auß ſchlechter Erden
Unſer Anherr war erbaut/
Und durch Suͤnde muſte werden
Wieder ihrer Schoß vertraut:
So ſoll auch/ was Menſch iſt/ ſterben/
Doch nicht ewig untergehn;
Denn es wird mit Chriſto erben
Und lebendig aufferſtehn.
Das Sterbe-Kleid/
Bey Beerdigung Fr. E. P. g. W. betrachtet/
den 17. Julii 1675.
JSt diß der letzte Schmuck/ du wertheſte der Frauen/
Der deinen kalten Leib nunmehr bekleiden ſoll?
Jch weiter Seelige/ kein Anmuth mehr zu ſchauen?
Gefaͤllt ein Leinen Tuch fuͤr andern dir ſo wol?
Und wuͤnſcht du eintzig nur diß Kleid bald anzulegen/
Hingegen Fleiſch und Blut die Huͤlle wegzuthun?
So ſag ich dieſe Tracht bringt dir mehr Nutz zu wegen/
Als wenn du ſonſt auf Sammt und Purpur wuͤrdeſt ruhn.
Diß iſt nicht ungemein daß bey verſtrichnen Zeiten
Sich ſchon die alte Welt zum Sterben hat geſchickt/
Daß
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