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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Es gönnt dir Feur und Herd/ worbey du solst erwarmen/
Und wil das Stadt-Vogts-Ampt bedächtig dir vertraun.
Die Wahl ist wol geschehn. Du hast Gericht gesessen/
Gleich wie ein Richter pflegt der von Begierden frey/
Du hast der Sachen Grund und Umbstand wol ermessen/
Es hat dich nie verblendt Geschenck und Heucheley.
Der Themis Augen sind vergebens nicht verbunden/
Dieweil ein Richter soll gantz unpartheyisch seyn.
Drumb hat der Alten Witz die Wageschaal erfunden/
Daß die Gerechtigkeit auff jeden Gran treffein.
Es nennt es GOttes Mund selbst eine hohe Würde/
Gesetze legen aus und sprechen in dem Recht;
Allein was war es auch vor eine schwere Bürde/
Die dir/ offt Seeliger/ Leib und Gemüth geschwächt.
Doch hast du mit Gedult und Sanfftmuth übertragen
Die Boßheit/ so die List der Menschen ausersinnt.
Jetz hörst du ferner nicht die angestrengten Klagen/
Und auff was für Beweiß das Gegentheil sich gründt.
Der Höchste spricht dich srey vom Ampt das du geführet/
Unb seine Vater-Hand nimmt alle Schmertzen weg/
Die deinen siechen Leib so grausam hier berühret/
Daß man an ihm gesehn der schärffsten Martern Zweck.
Jsts nicht Erbarmens werth/ daß Menschen steinern werden/
Daß sich ihr Fleisch und Blut in harten Grieß verkehrt?
Kein Redner auff der Welt erzehlet die Beschwerden/
Die grimme Hencker-Pein/ so hier den Leib verzehrt.
Es ist Jrions Rad mit nichten zu vergleichen/
Noch wenn Prometheus Hertz ein Rabe täglich frist;
Es würde Tytius mit seinen Qualen weichen?
Weil Angst am Blasen-Stein der gröste Schmertz nur ist.
Den Ubelthäter kan die Folter so nicht spannen/
Den Leib so dehnen aus/ als Seelge[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] dir geschehn.
Und ließ die Angst was Raum sich wieder zu ermannen/
Sah man sie hefftiger in kurtzer Frist andrehn.
Wie hat dein Seuffzen nicht des Himmels Burg durchdrungen?
Wie hast du Märtyrer Erlösung nicht gehofft?
Und mitten in der Qual mit Davids Mund gesungen:
Mein Schöpffer führe mich zu meiner Väter Grufft.
Jch bin nur Haut und Bein ich bin zerknickt wie Scherben;
Ach/ daß so langsam doch der Lebens-Faden reist!

Komm/

Leichen-Gedichte.
Es goͤnnt dir Feur und Herd/ worbey du ſolſt erwarmen/
Und wil das Stadt-Vogts-Ampt bedaͤchtig dir vertraun.
Die Wahl iſt wol geſchehn. Du haſt Gericht geſeſſen/
Gleich wie ein Richter pflegt der von Begierden frey/
Du haſt der Sachen Grund und Umbſtand wol ermeſſen/
Es hat dich nie verblendt Geſchenck und Heucheley.
Der Themis Augen ſind vergebens nicht verbunden/
Dieweil ein Richter ſoll gantz unpartheyiſch ſeyn.
Drumb hat der Alten Witz die Wageſchaal erfunden/
Daß die Gerechtigkeit auff jeden Gran treffein.
Es nennt es GOttes Mund ſelbſt eine hohe Wuͤrde/
Geſetze legen aus und ſprechen in dem Recht;
Allein was war es auch vor eine ſchwere Buͤrde/
Die dir/ offt Seeliger/ Leib und Gemuͤth geſchwaͤcht.
Doch haſt du mit Gedult und Sanfftmuth uͤbertragen
Die Boßheit/ ſo die Liſt der Menſchen auserſinnt.
Jetz hoͤrſt du ferner nicht die angeſtrengten Klagen/
Und auff was fuͤr Beweiß das Gegentheil ſich gruͤndt.
Der Hoͤchſte ſpricht dich ſrey vom Ampt das du gefuͤhret/
Unb ſeine Vater-Hand nimmt alle Schmertzen weg/
Die deinen ſiechen Leib ſo grauſam hier beruͤhret/
Daß man an ihm geſehn der ſchaͤrffſten Martern Zweck.
Jſts nicht Erbarmens werth/ daß Menſchen ſteinern werden/
Daß ſich ihr Fleiſch und Blut in harten Grieß verkehrt?
Kein Redner auff der Welt erzehlet die Beſchwerden/
Die grimme Hencker-Pein/ ſo hier den Leib verzehrt.
Es iſt Jrions Rad mit nichten zu vergleichen/
Noch wenn Prometheus Hertz ein Rabe taͤglich friſt;
Es wuͤrde Tytius mit ſeinen Qualen weichen?
Weil Angſt am Blaſen-Stein der groͤſte Schmertz nur iſt.
Den Ubelthaͤter kan die Folter ſo nicht ſpannen/
Den Leib ſo dehnen aus/ als Seelge[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] dir geſchehn.
Und ließ die Angſt was Raum ſich wieder zu ermannen/
Sah man ſie hefftiger in kurtzer Friſt andrehn.
Wie hat dein Seuffzen nicht des Himmels Burg durchdrungen?
Wie haſt du Maͤrtyrer Erloͤſung nicht gehofft?
Und mitten in der Qual mit Davids Mund geſungen:
Mein Schoͤpffer fuͤhre mich zu meiner Vaͤter Grufft.
Jch bin nur Haut und Bein ich bin zerknickt wie Scherben;
Ach/ daß ſo langſam doch der Lebens-Faden reiſt!

Komm/
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[216/0448] Leichen-Gedichte. Es goͤnnt dir Feur und Herd/ worbey du ſolſt erwarmen/ Und wil das Stadt-Vogts-Ampt bedaͤchtig dir vertraun. Die Wahl iſt wol geſchehn. Du haſt Gericht geſeſſen/ Gleich wie ein Richter pflegt der von Begierden frey/ Du haſt der Sachen Grund und Umbſtand wol ermeſſen/ Es hat dich nie verblendt Geſchenck und Heucheley. Der Themis Augen ſind vergebens nicht verbunden/ Dieweil ein Richter ſoll gantz unpartheyiſch ſeyn. Drumb hat der Alten Witz die Wageſchaal erfunden/ Daß die Gerechtigkeit auff jeden Gran treffein. Es nennt es GOttes Mund ſelbſt eine hohe Wuͤrde/ Geſetze legen aus und ſprechen in dem Recht; Allein was war es auch vor eine ſchwere Buͤrde/ Die dir/ offt Seeliger/ Leib und Gemuͤth geſchwaͤcht. Doch haſt du mit Gedult und Sanfftmuth uͤbertragen Die Boßheit/ ſo die Liſt der Menſchen auserſinnt. Jetz hoͤrſt du ferner nicht die angeſtrengten Klagen/ Und auff was fuͤr Beweiß das Gegentheil ſich gruͤndt. Der Hoͤchſte ſpricht dich ſrey vom Ampt das du gefuͤhret/ Unb ſeine Vater-Hand nimmt alle Schmertzen weg/ Die deinen ſiechen Leib ſo grauſam hier beruͤhret/ Daß man an ihm geſehn der ſchaͤrffſten Martern Zweck. Jſts nicht Erbarmens werth/ daß Menſchen ſteinern werden/ Daß ſich ihr Fleiſch und Blut in harten Grieß verkehrt? Kein Redner auff der Welt erzehlet die Beſchwerden/ Die grimme Hencker-Pein/ ſo hier den Leib verzehrt. Es iſt Jrions Rad mit nichten zu vergleichen/ Noch wenn Prometheus Hertz ein Rabe taͤglich friſt; Es wuͤrde Tytius mit ſeinen Qualen weichen? Weil Angſt am Blaſen-Stein der groͤſte Schmertz nur iſt. Den Ubelthaͤter kan die Folter ſo nicht ſpannen/ Den Leib ſo dehnen aus/ als Seelge_ dir geſchehn. Und ließ die Angſt was Raum ſich wieder zu ermannen/ Sah man ſie hefftiger in kurtzer Friſt andrehn. Wie hat dein Seuffzen nicht des Himmels Burg durchdrungen? Wie haſt du Maͤrtyrer Erloͤſung nicht gehofft? Und mitten in der Qual mit Davids Mund geſungen: Mein Schoͤpffer fuͤhre mich zu meiner Vaͤter Grufft. Jch bin nur Haut und Bein ich bin zerknickt wie Scherben; Ach/ daß ſo langſam doch der Lebens-Faden reiſt! Komm/

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/448>, abgerufen am 23.11.2024.