Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Die zu End gelauffene Lebens-Frist Hn. C. K. J. U. L. den 16. May 1675. WOl/ Hochgelahrter Kühn/ die Frist ist nun geendet/ Es setzt die Angst der Welt dir keinen Tag mehr an. Die Ursach die du hast erheblich eingewendet/ Gilt vor dem Richter-Stuhl der alle richten kan. Es sind die Ferien zu ruhen eingefallen/ Die du so lange Zeit so sehnlich hast gehofft. Ruh' wol/ biß dermaleinst wird GOttes Stimm erschallen/ Und dich aus deinem Grab zum grossen Richt-Tag rufft. Zwar wollen wir auch hier dein Richter-Ampt noch preisen/ Das zu gemeinem Heyl du rühmlich hast geführt/ Wir wollen unsre Pflicht und letzten Dienst erweisen/ Nachdencken auff ein Lied das deine Leiche ziert. Und ob die Tugend zwar in eignen Ehren-Kronen/ Und lichtem Purpur-Kleid' als eine Fürstin prangt/ Kan durch die Treffligkeit der Thaten selbst ihr lohnen/ Und weitgesuchten Ruhm noch Farben nicht verlangt; So mutz doch unser Grab von beyden eines dulden/ Wen frey den Urtheils-Spruch die kluge Nachwelt spricht/ Und wir entnommen sind/ Verfolgung/ Neid und Hulden/ Daß sie Verdienst' erhebt und Laster sträfflich richt. Hochwerther Seeliger/ gewiß daß dir zu Ehren Astraea Klage fuhrt und sich in Flor verhüllt/ Die Musen im Parnaß ihr Beyleid lassen hören/ Und Hippocrenens Brunn voll Jammer-Fluthen quillt. Es zeugt noch Leucoris wie embsig du gewesen Wie du umb den Verstand der Rechte dich bemüht/ Biß dein gehäuffter Fleiß und unauffhörlich Lesen/ Den Lorbeer-Krantz erzielt der unverweßlich blüht. Als dir die Themis nun den Tempel auffgeschlossen/ Jn ihrem Heiligthum zum Priester dich geweyht. Du ihrer Würden Preiß/ der Grossen Gunst genossen/ Und das gelehrte Haupt der Purpur-Hut erfreut/ Lockt dich das Vaterland in seine Schoß und Armen/ Daläst du wol vergnügt der Weißheit Früchte schaun. Es O o o 4
Leichen-Gedichte. Die zu End gelauffene Lebens-Friſt Hn. C. K. J. U. L. den 16. May 1675. WOl/ Hochgelahrter Kuͤhn/ die Friſt iſt nun geendet/ Es ſetzt die Angſt der Welt dir keinen Tag mehr an. Die Urſach die du haſt erheblich eingewendet/ Gilt vor dem Richter-Stuhl der alle richten kan. Es ſind die Ferien zu ruhen eingefallen/ Die du ſo lange Zeit ſo ſehnlich haſt gehofft. Ruh’ wol/ biß dermaleinſt wird GOttes Stimm erſchallen/ Und dich aus deinem Grab zum groſſen Richt-Tag rufft. Zwar wollen wir auch hier dein Richter-Ampt noch preiſen/ Das zu gemeinem Heyl du ruͤhmlich haſt gefuͤhrt/ Wir wollen unſre Pflicht und letzten Dienſt erweiſen/ Nachdencken auff ein Lied das deine Leiche ziert. Und ob die Tugend zwar in eignen Ehren-Kronen/ Und lichtem Purpur-Kleid’ als eine Fuͤrſtin prangt/ Kan durch die Treffligkeit der Thaten ſelbſt ihr lohnen/ Und weitgeſuchten Ruhm noch Farben nicht verlangt; So mutz doch unſer Grab von beyden eines dulden/ Wen frey den Urtheils-Spruch die kluge Nachwelt ſpricht/ Und wir entnommen ſind/ Verfolgung/ Neid und Hulden/ Daß ſie Verdienſt’ erhebt und Laſter ſtraͤfflich richt. Hochwerther Seeliger/ gewiß daß dir zu Ehren Aſtræa Klage fuhrt und ſich in Flor verhuͤllt/ Die Muſen im Parnaß ihr Beyleid laſſen hoͤren/ Und Hippocrenens Brunn voll Jammer-Fluthen quillt. Es zeugt noch Leucoris wie embſig du geweſen Wie du umb den Verſtand der Rechte dich bemuͤht/ Biß dein gehaͤuffter Fleiß und unauffhoͤrlich Leſen/ Den Lorbeer-Krantz erzielt der unverweßlich bluͤht. Als dir die Themis nun den Tempel auffgeſchloſſen/ Jn ihrem Heiligthum zum Prieſter dich geweyht. Du ihrer Wuͤrden Preiß/ der Groſſen Gunſt genoſſen/ Und das gelehrte Haupt der Purpur-Hut erfreut/ Lockt dich das Vaterland in ſeine Schoß und Armen/ Dalaͤſt du wol vergnuͤgt der Weißheit Fruͤchte ſchaun. Es O o o 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0447" n="215"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#c">Die zu End gelauffene Lebens-Friſt<lb/><hi rendition="#fr">Hn. C. K.</hi> <hi rendition="#aq">J. U. L.</hi> <hi rendition="#fr">den 16. May 1675.</hi></hi> </head><lb/> <lg> <l><hi rendition="#in">W</hi>Ol/ Hochgelahrter <hi rendition="#fr">Kuͤhn/</hi> die Friſt iſt nun geendet/</l><lb/> <l>Es ſetzt die Angſt der Welt dir keinen Tag mehr an.</l><lb/> <l>Die Urſach die du haſt erheblich eingewendet/</l><lb/> <l>Gilt vor dem Richter-Stuhl der alle richten kan.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Es ſind die Ferien zu ruhen eingefallen/</l><lb/> <l>Die du ſo lange Zeit ſo ſehnlich haſt gehofft.</l><lb/> <l>Ruh’ wol/ biß dermaleinſt wird GOttes Stimm erſchallen/</l><lb/> <l>Und dich aus deinem Grab zum groſſen Richt-Tag rufft.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Zwar wollen wir auch hier dein Richter-Ampt noch preiſen/</l><lb/> <l>Das zu gemeinem Heyl du ruͤhmlich haſt gefuͤhrt/</l><lb/> <l>Wir wollen unſre Pflicht und letzten Dienſt erweiſen/</l><lb/> <l>Nachdencken auff ein Lied das deine Leiche ziert.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Und ob die Tugend zwar in eignen Ehren-Kronen/</l><lb/> <l>Und lichtem Purpur-Kleid’ als eine Fuͤrſtin prangt/</l><lb/> <l>Kan durch die Treffligkeit der Thaten ſelbſt ihr lohnen/</l><lb/> <l>Und weitgeſuchten Ruhm noch Farben nicht verlangt;</l> </lg><lb/> <lg> <l>So mutz doch unſer Grab von beyden eines dulden/</l><lb/> <l>Wen frey den Urtheils-Spruch die kluge Nachwelt ſpricht/</l><lb/> <l>Und wir entnommen ſind/ Verfolgung/ Neid und Hulden/</l><lb/> <l>Daß ſie Verdienſt’ erhebt und Laſter ſtraͤfflich richt.</l> </lg><lb/> <lg> <l><hi rendition="#fr">Hochwerther Seeliger/</hi> gewiß daß dir zu Ehren</l><lb/> <l>Aſtr<hi rendition="#aq">æ</hi>a Klage fuhrt und ſich in Flor verhuͤllt/</l><lb/> <l>Die Muſen im Parnaß ihr Beyleid laſſen hoͤren/</l><lb/> <l>Und Hippocrenens Brunn voll Jammer-Fluthen quillt.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Es zeugt noch Leucoris wie embſig du geweſen</l><lb/> <l>Wie du umb den Verſtand der Rechte dich bemuͤht/</l><lb/> <l>Biß dein gehaͤuffter Fleiß und unauffhoͤrlich Leſen/</l><lb/> <l>Den Lorbeer-Krantz erzielt der unverweßlich bluͤht.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Als dir die Themis nun den Tempel auffgeſchloſſen/</l><lb/> <l>Jn ihrem Heiligthum zum Prieſter dich geweyht.</l><lb/> <l>Du ihrer Wuͤrden Preiß/ der Groſſen Gunſt genoſſen/</l><lb/> <l>Und das gelehrte Haupt der Purpur-Hut erfreut/</l><lb/> <l>Lockt dich das Vaterland in ſeine Schoß und Armen/</l><lb/> <l>Dalaͤſt du wol vergnuͤgt der Weißheit Fruͤchte ſchaun.</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">O o o 4</fw> <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [215/0447]
Leichen-Gedichte.
Die zu End gelauffene Lebens-Friſt
Hn. C. K. J. U. L. den 16. May 1675.
WOl/ Hochgelahrter Kuͤhn/ die Friſt iſt nun geendet/
Es ſetzt die Angſt der Welt dir keinen Tag mehr an.
Die Urſach die du haſt erheblich eingewendet/
Gilt vor dem Richter-Stuhl der alle richten kan.
Es ſind die Ferien zu ruhen eingefallen/
Die du ſo lange Zeit ſo ſehnlich haſt gehofft.
Ruh’ wol/ biß dermaleinſt wird GOttes Stimm erſchallen/
Und dich aus deinem Grab zum groſſen Richt-Tag rufft.
Zwar wollen wir auch hier dein Richter-Ampt noch preiſen/
Das zu gemeinem Heyl du ruͤhmlich haſt gefuͤhrt/
Wir wollen unſre Pflicht und letzten Dienſt erweiſen/
Nachdencken auff ein Lied das deine Leiche ziert.
Und ob die Tugend zwar in eignen Ehren-Kronen/
Und lichtem Purpur-Kleid’ als eine Fuͤrſtin prangt/
Kan durch die Treffligkeit der Thaten ſelbſt ihr lohnen/
Und weitgeſuchten Ruhm noch Farben nicht verlangt;
So mutz doch unſer Grab von beyden eines dulden/
Wen frey den Urtheils-Spruch die kluge Nachwelt ſpricht/
Und wir entnommen ſind/ Verfolgung/ Neid und Hulden/
Daß ſie Verdienſt’ erhebt und Laſter ſtraͤfflich richt.
Hochwerther Seeliger/ gewiß daß dir zu Ehren
Aſtræa Klage fuhrt und ſich in Flor verhuͤllt/
Die Muſen im Parnaß ihr Beyleid laſſen hoͤren/
Und Hippocrenens Brunn voll Jammer-Fluthen quillt.
Es zeugt noch Leucoris wie embſig du geweſen
Wie du umb den Verſtand der Rechte dich bemuͤht/
Biß dein gehaͤuffter Fleiß und unauffhoͤrlich Leſen/
Den Lorbeer-Krantz erzielt der unverweßlich bluͤht.
Als dir die Themis nun den Tempel auffgeſchloſſen/
Jn ihrem Heiligthum zum Prieſter dich geweyht.
Du ihrer Wuͤrden Preiß/ der Groſſen Gunſt genoſſen/
Und das gelehrte Haupt der Purpur-Hut erfreut/
Lockt dich das Vaterland in ſeine Schoß und Armen/
Dalaͤſt du wol vergnuͤgt der Weißheit Fruͤchte ſchaun.
Es
O o o 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/447 |
Zitationshilfe: | Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/447>, abgerufen am 24.07.2024. |