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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Da heist der Seelen Durst sich nach den Brunnen sehnen/
Woraus der Gnaden-Strom der Himmels Freuden quillt.
Es kan Herrn Sommersburg numehr entseelte Leiche
Des Lebens Flüchtigkeit beweglich Beyspiel seyn/
Das nicht das Alter nur der grimme Tod bestreiche/
Nein/ er scharrt offt den Kern der grünen Jugend ein.
Wer hätte diß vermeynt/ daß bey so frischen Tagen
Und Jahren/ derer Zahl auff viertzig nicht gebracht/
Wir unsern Sommerburg zu Grabe solten tragen
Da ihn im besten Flor das Glück hat angelacht?
Jedoch seiu Christenthum darinnen er gepriesen
Hat diesen Lehr-Spruch ihm schon längst ins Hertz gelegt:
Daß alles Fleisch wie Heu und Blumen auff den Wiesen
Und daß der Mensch bey sich den Tod im Busen trägt.
Daher er nachgefolgt der göldnen Sonnen-Wende
Wie die sich eintzig nur nach ihrer Sonne kehrt;
So hielt Herr Sommersburg biß an sein selig Ende
Den Retter aller Welt/ die Lebens-Sonne wehrt.
Und wie er vor gewohnt bey seinen Handlungs-Reisen
Mit Vorrath auff den Weg sich heilsam zu versehn;
So ließ er sich auch hier das Brod des Lebens speisen/
Eh' als die letzte Noth bey ihm fing an zu drehn.
Nach dem mit diesem Pfand sein Glaube war versiegelt/
So kont er wolgemuth den bittern Kampff bestehn/
Und zu der Sternen-Burg mit Andacht wie geflügelt/
Trotz aller Finsternüß/ durchs Thal des Todes gehn.
Allein/ Betrübtste Frau/ ich weiß/ daß dieses Scheiden
Der allzufrühe Tod/ ihr tieff zu Hertzen steigt/
Und daß ein solcher Schmertz die Seele kan durch schneiden/
Den besten Trost aus schlägt/ die Geister nieder beugt.
Jch weiß ihr treues Hertz und Auge schwimmt in Zähren/
Nun ihres Hauptes Kron und Kleinod fällt dahin.
Nun in den Winter sich ihr Sommer muß verkehren/
Und ihre Lilien der Liebe so verblühn.
Nun nichts als Einsamkeit ihr an der Seite lieget/
Und/ was sie vor ergetzt/ itzt hefftiger betrübt.
Nun jeder Blick und Ort ihr neues Leid zufüget
Bevor wenn sie erwegt/ wie treu er sie geliebt.
Jedoch/ Geehrte Frau/ das Göttliche Geschicke
Kan hier des Traurens Ziel/ der Schmertzen Pflaster seyn/
Denn
O o o 2
Leichen-Gedichte.
Da heiſt der Seelen Durſt ſich nach den Brunnen ſehnen/
Woraus der Gnaden-Strom der Himmels Freuden quillt.
Es kan Herrn Sommersburg numehr entſeelte Leiche
Des Lebens Fluͤchtigkeit beweglich Beyſpiel ſeyn/
Das nicht das Alter nur der grimme Tod beſtreiche/
Nein/ er ſcharrt offt den Kern der gruͤnen Jugend ein.
Wer haͤtte diß vermeynt/ daß bey ſo friſchen Tagen
Und Jahren/ derer Zahl auff viertzig nicht gebracht/
Wir unſern Sommerburg zu Grabe ſolten tragen
Da ihn im beſten Flor das Gluͤck hat angelacht?
Jedoch ſeiu Chriſtenthum darinnen er geprieſen
Hat dieſen Lehr-Spruch ihm ſchon laͤngſt ins Hertz gelegt:
Daß alles Fleiſch wie Heu und Blumen auff den Wieſen
Und daß der Menſch bey ſich den Tod im Buſen traͤgt.
Daher er nachgefolgt der goͤldnen Sonnen-Wende
Wie die ſich eintzig nur nach ihrer Sonne kehrt;
So hielt Herr Sommersburg biß an ſein ſelig Ende
Den Retter aller Welt/ die Lebens-Sonne wehrt.
Und wie er vor gewohnt bey ſeinen Handlungs-Reiſen
Mit Vorrath auff den Weg ſich heilſam zu verſehn;
So ließ er ſich auch hier das Brod des Lebens ſpeiſen/
Eh’ als die letzte Noth bey ihm fing an zu drehn.
Nach dem mit dieſem Pfand ſein Glaube war verſiegelt/
So kont er wolgemuth den bittern Kampff beſtehn/
Und zu der Sternen-Burg mit Andacht wie gefluͤgelt/
Trotz aller Finſternuͤß/ durchs Thal des Todes gehn.
Allein/ Betruͤbtſte Frau/ ich weiß/ daß dieſes Scheiden
Der allzufruͤhe Tod/ ihr tieff zu Hertzen ſteigt/
Und daß ein ſolcher Schmertz die Seele kan durch ſchneiden/
Den beſten Troſt aus ſchlaͤgt/ die Geiſter nieder beugt.
Jch weiß ihr treues Hertz und Auge ſchwimmt in Zaͤhren/
Nun ihres Hauptes Kron und Kleinod faͤllt dahin.
Nun in den Winter ſich ihr Sommer muß verkehren/
Und ihre Lilien der Liebe ſo verbluͤhn.
Nun nichts als Einſamkeit ihr an der Seite lieget/
Und/ was ſie vor ergetzt/ itzt hefftiger betruͤbt.
Nun jeder Blick und Ort ihr neues Leid zufuͤget
Bevor wenn ſie erwegt/ wie treu er ſie geliebt.
Jedoch/ Geehrte Frau/ das Goͤttliche Geſchicke
Kan hier des Traurens Ziel/ der Schmertzen Pflaſter ſeyn/
Denn
O o o 2
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[211/0443] Leichen-Gedichte. Da heiſt der Seelen Durſt ſich nach den Brunnen ſehnen/ Woraus der Gnaden-Strom der Himmels Freuden quillt. Es kan Herrn Sommersburg numehr entſeelte Leiche Des Lebens Fluͤchtigkeit beweglich Beyſpiel ſeyn/ Das nicht das Alter nur der grimme Tod beſtreiche/ Nein/ er ſcharrt offt den Kern der gruͤnen Jugend ein. Wer haͤtte diß vermeynt/ daß bey ſo friſchen Tagen Und Jahren/ derer Zahl auff viertzig nicht gebracht/ Wir unſern Sommerburg zu Grabe ſolten tragen Da ihn im beſten Flor das Gluͤck hat angelacht? Jedoch ſeiu Chriſtenthum darinnen er geprieſen Hat dieſen Lehr-Spruch ihm ſchon laͤngſt ins Hertz gelegt: Daß alles Fleiſch wie Heu und Blumen auff den Wieſen Und daß der Menſch bey ſich den Tod im Buſen traͤgt. Daher er nachgefolgt der goͤldnen Sonnen-Wende Wie die ſich eintzig nur nach ihrer Sonne kehrt; So hielt Herr Sommersburg biß an ſein ſelig Ende Den Retter aller Welt/ die Lebens-Sonne wehrt. Und wie er vor gewohnt bey ſeinen Handlungs-Reiſen Mit Vorrath auff den Weg ſich heilſam zu verſehn; So ließ er ſich auch hier das Brod des Lebens ſpeiſen/ Eh’ als die letzte Noth bey ihm fing an zu drehn. Nach dem mit dieſem Pfand ſein Glaube war verſiegelt/ So kont er wolgemuth den bittern Kampff beſtehn/ Und zu der Sternen-Burg mit Andacht wie gefluͤgelt/ Trotz aller Finſternuͤß/ durchs Thal des Todes gehn. Allein/ Betruͤbtſte Frau/ ich weiß/ daß dieſes Scheiden Der allzufruͤhe Tod/ ihr tieff zu Hertzen ſteigt/ Und daß ein ſolcher Schmertz die Seele kan durch ſchneiden/ Den beſten Troſt aus ſchlaͤgt/ die Geiſter nieder beugt. Jch weiß ihr treues Hertz und Auge ſchwimmt in Zaͤhren/ Nun ihres Hauptes Kron und Kleinod faͤllt dahin. Nun in den Winter ſich ihr Sommer muß verkehren/ Und ihre Lilien der Liebe ſo verbluͤhn. Nun nichts als Einſamkeit ihr an der Seite lieget/ Und/ was ſie vor ergetzt/ itzt hefftiger betruͤbt. Nun jeder Blick und Ort ihr neues Leid zufuͤget Bevor wenn ſie erwegt/ wie treu er ſie geliebt. Jedoch/ Geehrte Frau/ das Goͤttliche Geſchicke Kan hier des Traurens Ziel/ der Schmertzen Pflaſter ſeyn/ Denn O o o 2

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/443>, abgerufen am 23.11.2024.