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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Worinn er Todte hat der Parcen Netz entrissen/
Ließ die betrübte Wort aus seinem Munde fliessen:
Umbsonst hat Griechenland Altäre mir gebaut/
Der Tempel-Raum mit Gold und Marmel ausgezieret;
Umbsonst hat mich ein Schiff der Tyber zugeführet/
Und da zu erst als Schlang hernach als GOtt geschaut:
Umbsonst hab ich das Reich der Höllen überzwungen/
Die Todten auferweckt/ den Cerberus verdrungen/
Nun mir noch dieser Ort ein Schau Platz herber Pein
Jn Traur-Gerüste soll der höchsten Schmertzen werden/
Flog mein unsterblich Ruhm nicht durch den Kreis der Erden/
Zog die Gesund heit nicht und aller Segen ein/
Wohin ich mich gekehrt/ und unter meinen Söhnen
Sah ich die Tugend selbst ihr' edle Häupter krönen.
Jetzt aber seh' ich mich mit Leichen fast versetzt/
Nicht daß unmöglich sey daß Menschen können sterben;
Diß klag' ich/ wenn ein Mann gleich andern muß verderben
Den doch der gantze Chor der Musen werth geschätzt/
Daß er gemeinem Heil zu Trost auf ewig lebte/
Und mit Verstand und Kunst den Seuchen widerstrebte.
Unschätzbarer Verlust/ nun mein Martini tod.
Der Fürsten Rath und Artzt/ der Heimligkeit Ergründer/
So die Natur versteckt/ ein neuer Kunst-Erfinder/
Der auch den Hippocras und den Galen macht roth
Mit seinem schönen Buch/ so er vom Harn geschrieben/
Das noch die kluge Welt als einen Schatz muß lieben.
Deß Leidens Hefftigkeit schloß Aesculapens Mund.
Jch der begierig war/ die Ursach außzufragen/
Seh' unter Ach und Weh die edle Leiche tragen/
Und wie ein grosses Volck sie zu beklagen stund.
Als zwey in weissem Flor verkleidete Göttinnen
Den letzten Trauer-Dienst und Liebes-Pflicht beginnen.
Ja wo ich nicht geirrt must' es die Tugend seyn/
Jhr ungebundnes Haar trug eine Lorber-Krone/
Die Hand dem Palmen-Zweig/ und als sie für dem Throne/
Aesclapens sich gebeugt/ den nun ein grösser Schein
Der Majestät beschwang/ sprach sie mit holer Stimme/
Wehr'st du O Lebens-Fürst nicht jetzt des Todes Grimme?
Der Zeiten Ruhm und Preiß Martini liegt erblast/
Der mich von Kindheit an zu seinem Schutz erwehlet/
Und
Leichen-Gedichte.
Worinn er Todte hat der Parcen Netz entriſſen/
Ließ die betruͤbte Wort aus ſeinem Munde flieſſen:
Umbſonſt hat Griechenland Altaͤre mir gebaut/
Der Tempel-Raum mit Gold und Marmel ausgezieret;
Umbſonſt hat mich ein Schiff der Tyber zugefuͤhret/
Und da zu erſt als Schlang hernach als GOtt geſchaut:
Umbſonſt hab ich das Reich der Hoͤllen uͤberzwungen/
Die Todten auferweckt/ den Cerberus verdrungen/
Nun mir noch dieſer Ort ein Schau Platz herber Pein
Jn Traur-Geruͤſte ſoll der hoͤchſten Schmertzen werden/
Flog mein unſterblich Ruhm nicht durch den Kreis der Erden/
Zog die Geſund heit nicht und aller Segen ein/
Wohin ich mich gekehrt/ und unter meinen Soͤhnen
Sah ich die Tugend ſelbſt ihr’ edle Haͤupter kroͤnen.
Jetzt aber ſeh’ ich mich mit Leichen faſt verſetzt/
Nicht daß unmoͤglich ſey daß Menſchen koͤnnen ſterben;
Diß klag’ ich/ wenn ein Mann gleich andern muß verderben
Den doch der gantze Chor der Muſen werth geſchaͤtzt/
Daß er gemeinem Heil zu Troſt auf ewig lebte/
Und mit Verſtand und Kunſt den Seuchen widerſtrebte.
Unſchaͤtzbarer Verluſt/ nun mein Martini tod.
Der Fuͤrſten Rath und Artzt/ der Heimligkeit Ergruͤnder/
So die Natur verſteckt/ ein neuer Kunſt-Erfinder/
Der auch den Hippocras und den Galen macht roth
Mit ſeinem ſchoͤnen Buch/ ſo er vom Harn geſchrieben/
Das noch die kluge Welt als einen Schatz muß lieben.
Deß Leidens Hefftigkeit ſchloß Aeſculapens Mund.
Jch der begierig war/ die Urſach außzufragen/
Seh’ unter Ach und Weh die edle Leiche tragen/
Und wie ein groſſes Volck ſie zu beklagen ſtund.
Als zwey in weiſſem Flor verkleidete Goͤttinnen
Den letzten Trauer-Dienſt und Liebes-Pflicht beginnen.
Ja wo ich nicht geirrt muſt’ es die Tugend ſeyn/
Jhr ungebundnes Haar trug eine Lorber-Krone/
Die Hand dem Palmen-Zweig/ und als ſie fuͤr dem Throne/
Aeſclapens ſich gebeugt/ den nun ein groͤſſer Schein
Der Majeſtaͤt beſchwang/ ſprach ſie mit holer Stimme/
Wehr’ſt du O Lebens-Fuͤrſt nicht jetzt des Todes Grimme?
Der Zeiten Ruhm und Preiß Martini liegt erblaſt/
Der mich von Kindheit an zu ſeinem Schutz erwehlet/
Und
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[202/0434] Leichen-Gedichte. Worinn er Todte hat der Parcen Netz entriſſen/ Ließ die betruͤbte Wort aus ſeinem Munde flieſſen: Umbſonſt hat Griechenland Altaͤre mir gebaut/ Der Tempel-Raum mit Gold und Marmel ausgezieret; Umbſonſt hat mich ein Schiff der Tyber zugefuͤhret/ Und da zu erſt als Schlang hernach als GOtt geſchaut: Umbſonſt hab ich das Reich der Hoͤllen uͤberzwungen/ Die Todten auferweckt/ den Cerberus verdrungen/ Nun mir noch dieſer Ort ein Schau Platz herber Pein Jn Traur-Geruͤſte ſoll der hoͤchſten Schmertzen werden/ Flog mein unſterblich Ruhm nicht durch den Kreis der Erden/ Zog die Geſund heit nicht und aller Segen ein/ Wohin ich mich gekehrt/ und unter meinen Soͤhnen Sah ich die Tugend ſelbſt ihr’ edle Haͤupter kroͤnen. Jetzt aber ſeh’ ich mich mit Leichen faſt verſetzt/ Nicht daß unmoͤglich ſey daß Menſchen koͤnnen ſterben; Diß klag’ ich/ wenn ein Mann gleich andern muß verderben Den doch der gantze Chor der Muſen werth geſchaͤtzt/ Daß er gemeinem Heil zu Troſt auf ewig lebte/ Und mit Verſtand und Kunſt den Seuchen widerſtrebte. Unſchaͤtzbarer Verluſt/ nun mein Martini tod. Der Fuͤrſten Rath und Artzt/ der Heimligkeit Ergruͤnder/ So die Natur verſteckt/ ein neuer Kunſt-Erfinder/ Der auch den Hippocras und den Galen macht roth Mit ſeinem ſchoͤnen Buch/ ſo er vom Harn geſchrieben/ Das noch die kluge Welt als einen Schatz muß lieben. Deß Leidens Hefftigkeit ſchloß Aeſculapens Mund. Jch der begierig war/ die Urſach außzufragen/ Seh’ unter Ach und Weh die edle Leiche tragen/ Und wie ein groſſes Volck ſie zu beklagen ſtund. Als zwey in weiſſem Flor verkleidete Goͤttinnen Den letzten Trauer-Dienſt und Liebes-Pflicht beginnen. Ja wo ich nicht geirrt muſt’ es die Tugend ſeyn/ Jhr ungebundnes Haar trug eine Lorber-Krone/ Die Hand dem Palmen-Zweig/ und als ſie fuͤr dem Throne/ Aeſclapens ſich gebeugt/ den nun ein groͤſſer Schein Der Majeſtaͤt beſchwang/ ſprach ſie mit holer Stimme/ Wehr’ſt du O Lebens-Fuͤrſt nicht jetzt des Todes Grimme? Der Zeiten Ruhm und Preiß Martini liegt erblaſt/ Der mich von Kindheit an zu ſeinem Schutz erwehlet/ Und

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/434>, abgerufen am 24.11.2024.