Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Daß wenn gleich Erd' und Himmel krachet/Du kanst des Himmels Erbin seyn. 5. Es gläntzen auch berühmt LilgenJn einer rothen Purpur-Gluth. Was konte deine Flecken tilgen/ Als CHristus roth-vergoßnes Blut? Durch diß bist du so rein gewaschen/ Als wol ein unbetretner Schnee. Diß führt dich/ nun der Leib ist Aschen/ Auch zu der Licht-gestirnten Höh'. 6. Zuweilen lassen sich im GoldeDie Deutungs-volle Lilgen sehn. Wer lebt und schwebt in GOttes Holde/ Wie wol ist diesem doch geschehn! Du zartes Kind/ GOtt wil dich läutern/ Und machen/ wie ein Gold bewehrt/ Daß wenn die Welt gleich geht zu scheitern/ Dein Leib wird herrlich seyn verklährt. 7. Der Spanier nennt die Lilgen bitter;Ach freylich nichts als Bitterkeit/ Und Tage voller Ungewitter Beschliessen unsre Lebens-Zeit. Wer wünscht ihm nicht die Welt zu lassen/ Den Kärcker aller Angst und Noth/ Und dort in Salems Frieden-Gassen Zu siegen über Zeit und Tod? 8. Es hat der Höchste mit den SeinenDoch allzeit was besonders für. O seelig/ wer mit solchen Kleinen Eingehen kan zur Lebens-Thür! Eh' ihn die Welt noch mehr beschmitzet/ Die sich in lauter Unflat wäscht/ Und von dem Ehrgeitz angehitzet/ Den Durst mit eignem Blute lescht. 9. Ver-
Leichen-Gedichte. Daß wenn gleich Erd’ und Himmel krachet/Du kanſt des Himmels Erbin ſeyn. 5. Es glaͤntzen auch beruͤhmt LilgenJn einer rothen Purpur-Gluth. Was konte deine Flecken tilgen/ Als CHriſtus roth-vergoßnes Blut? Durch diß biſt du ſo rein gewaſchen/ Als wol ein unbetretner Schnee. Diß fuͤhrt dich/ nun der Leib iſt Aſchen/ Auch zu der Licht-geſtirnten Hoͤh’. 6. Zuweilen laſſen ſich im GoldeDie Deutungs-volle Lilgen ſehn. Wer lebt und ſchwebt in GOttes Holde/ Wie wol iſt dieſem doch geſchehn! Du zartes Kind/ GOtt wil dich laͤutern/ Und machen/ wie ein Gold bewehrt/ Daß wenn die Welt gleich geht zu ſcheitern/ Dein Leib wird herrlich ſeyn verklaͤhrt. 7. Der Spanier nennt die Lilgen bitter;Ach freylich nichts als Bitterkeit/ Und Tage voller Ungewitter Beſchlieſſen unſre Lebens-Zeit. Wer wuͤnſcht ihm nicht die Welt zu laſſen/ Den Kaͤrcker aller Angſt und Noth/ Und dort in Salems Frieden-Gaſſen Zu ſiegen uͤber Zeit und Tod? 8. Es hat der Hoͤchſte mit den SeinenDoch allzeit was beſonders fuͤr. O ſeelig/ wer mit ſolchen Kleinen Eingehen kan zur Lebens-Thuͤr! Eh’ ihn die Welt noch mehr beſchmitzet/ Die ſich in lauter Unflat waͤſcht/ Und von dem Ehrgeitz angehitzet/ Den Durſt mit eignem Blute leſcht. 9. Ver-
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Leichen-Gedichte.
Daß wenn gleich Erd’ und Himmel krachet/
Du kanſt des Himmels Erbin ſeyn.
5.
Es glaͤntzen auch beruͤhmt Lilgen
Jn einer rothen Purpur-Gluth.
Was konte deine Flecken tilgen/
Als CHriſtus roth-vergoßnes Blut?
Durch diß biſt du ſo rein gewaſchen/
Als wol ein unbetretner Schnee.
Diß fuͤhrt dich/ nun der Leib iſt Aſchen/
Auch zu der Licht-geſtirnten Hoͤh’.
6.
Zuweilen laſſen ſich im Golde
Die Deutungs-volle Lilgen ſehn.
Wer lebt und ſchwebt in GOttes Holde/
Wie wol iſt dieſem doch geſchehn!
Du zartes Kind/ GOtt wil dich laͤutern/
Und machen/ wie ein Gold bewehrt/
Daß wenn die Welt gleich geht zu ſcheitern/
Dein Leib wird herrlich ſeyn verklaͤhrt.
7.
Der Spanier nennt die Lilgen bitter;
Ach freylich nichts als Bitterkeit/
Und Tage voller Ungewitter
Beſchlieſſen unſre Lebens-Zeit.
Wer wuͤnſcht ihm nicht die Welt zu laſſen/
Den Kaͤrcker aller Angſt und Noth/
Und dort in Salems Frieden-Gaſſen
Zu ſiegen uͤber Zeit und Tod?
8.
Es hat der Hoͤchſte mit den Seinen
Doch allzeit was beſonders fuͤr.
O ſeelig/ wer mit ſolchen Kleinen
Eingehen kan zur Lebens-Thuͤr!
Eh’ ihn die Welt noch mehr beſchmitzet/
Die ſich in lauter Unflat waͤſcht/
Und von dem Ehrgeitz angehitzet/
Den Durſt mit eignem Blute leſcht.
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Zitationshilfe: | Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/428>, abgerufen am 24.07.2024. |