Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Dreymal beglückter Greiß! den so ein seelig ReisenJtzt in Jerusalem zum Himmels-Bürger macht. Elende Sterdlichen! wenn ihr die Welt durchzogen/ Und das gevierdte Rund vorwitzig angeschaut/ So hat euch Eitelkeit und Ruhmsucht doch betrogen/ Wo endlich euch noch selbst vor eurer Hinfahrt graut. Der Schau-Platz dieser Welt verbleibt ein Traur Gerüste Wo auf- und Untergang einander sind verwand: Wir arme Pilgramer/ wir wandeln in der Wüste: Biß uns der letzte Zug führt ins gelobte Land. Blumen/ ES sollen umb dein Grab die schönsten Blumen blühen/Womit Hn. E. D. J. U. C. Grabe bestreuet/ den 14. Octobr. 1674. Zu früh erblaster Freund/ du Blume deiner Zeit; Die Flora will den Ort mit einem Lentz umbziehen/ Der alle Schätze trägt geprießner Liebligkeit. Es wird die Rose sich hier hundert-blättrig zeigen/ Mitleidig/ daß sie dich/ der Jugend Rose/ deckt: Die Lilg' ihr Silber-Haupt betrubt zur Erde neigen/ Der schöne Hyacinth mit Thränen stehn befleckt: Die Kinder der Natur/ wie ingesambt sie heissen/ Der Gärten höchster Schmuck/ deß Zephirs süsse Zucht/ Sieht man auß grossem Leid ihr Sternen-Kleid zerreissen/ Und wie nur dürres Laub zu Klage wird gesucht. Ja dieses nicht allein! ich seh' die Parnassinnen Verschwestert um dein Grab/ O Seel'ger Dreyschuch/ stehn Jch seh'den Fürsten selbst der hohen Pindus-Zinnen Jn tieffen Flor verkappt bey deiner Leiche gehn. Was mehr? Jch hör' auch noch die Zucker-süssen Lieder Den Stimmen-reichen Klang/ wie sie dich segnen ein. Wo mein zerbrechlich Kiel als Echo was giebt wieder/ So könnens ohngefehr dergleichen Seufftzer seyn: Höchst-schmertzlicher Verlust/ ihr Schwestern/ den wir leiden! Wird unser Helicon mit Todten auch entweiht? Soll unser Wissenschafft der Parcen Urtheil leiden? Jst unser kluger Witz vom Sterben nicht befreyt? So M m m 5
Leichen-Gedichte. Dreymal begluͤckter Greiß! den ſo ein ſeelig ReiſenJtzt in Jeruſalem zum Himmels-Buͤrger macht. Elende Sterdlichen! wenn ihr die Welt durchzogen/ Und das gevierdte Rund vorwitzig angeſchaut/ So hat euch Eitelkeit und Ruhmſucht doch betrogen/ Wo endlich euch noch ſelbſt vor eurer Hinfahrt graut. Der Schau-Platz dieſer Welt verbleibt ein Traur Geruͤſte Wo auf- und Untergang einander ſind verwand: Wir arme Pilgramer/ wir wandeln in der Wuͤſte: Biß uns der letzte Zug fuͤhrt ins gelobte Land. Blumen/ ES ſollen umb dein Grab die ſchoͤnſten Blumen bluͤhen/Womit Hn. E. D. J. U. C. Grabe beſtreuet/ den 14. Octobr. 1674. Zu fruͤh erblaſter Freund/ du Blume deiner Zeit; Die Flora will den Ort mit einem Lentz umbziehen/ Der alle Schaͤtze traͤgt geprießner Liebligkeit. Es wird die Roſe ſich hier hundert-blaͤttrig zeigen/ Mitleidig/ daß ſie dich/ der Jugend Roſe/ deckt: Die Lilg’ ihr Silber-Haupt betrubt zur Erde neigen/ Der ſchoͤne Hyacinth mit Thraͤnen ſtehn befleckt: Die Kinder der Natur/ wie ingeſambt ſie heiſſen/ Der Gaͤrten hoͤchſter Schmuck/ deß Zephirs ſuͤſſe Zucht/ Sieht man auß groſſem Leid ihr Sternen-Kleid zerreiſſen/ Und wie nur duͤrres Laub zu Klage wird geſucht. Ja dieſes nicht allein! ich ſeh’ die Parnaſſinnen Verſchweſtert um dein Grab/ O Seel’ger Dreyſchuch/ ſtehn Jch ſeh’den Fuͤrſten ſelbſt der hohen Pindus-Zinnen Jn tieffen Flor verkappt bey deiner Leiche gehn. Was mehr? Jch hoͤr’ auch noch die Zucker-ſuͤſſen Lieder Den Stimmen-reichen Klang/ wie ſie dich ſegnen ein. Wo mein zerbrechlich Kiel als Echo was giebt wieder/ So koͤnnens ohngefehr dergleichen Seufftzer ſeyn: Hoͤchſt-ſchmertzlicher Verluſt/ ihr Schweſtern/ den wir leiden! Wird unſer Helicon mit Todten auch entweiht? Soll unſer Wiſſenſchafft der Parcen Urtheil leiden? Jſt unſer kluger Witz vom Sterben nicht befreyt? So M m m 5
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Leichen-Gedichte.
Dreymal begluͤckter Greiß! den ſo ein ſeelig Reiſen
Jtzt in Jeruſalem zum Himmels-Buͤrger macht.
Elende Sterdlichen! wenn ihr die Welt durchzogen/
Und das gevierdte Rund vorwitzig angeſchaut/
So hat euch Eitelkeit und Ruhmſucht doch betrogen/
Wo endlich euch noch ſelbſt vor eurer Hinfahrt graut.
Der Schau-Platz dieſer Welt verbleibt ein Traur Geruͤſte
Wo auf- und Untergang einander ſind verwand:
Wir arme Pilgramer/ wir wandeln in der Wuͤſte:
Biß uns der letzte Zug fuͤhrt ins gelobte Land.
Blumen/
Womit Hn. E. D. J. U. C. Grabe beſtreuet/
den 14. Octobr. 1674.
ES ſollen umb dein Grab die ſchoͤnſten Blumen bluͤhen/
Zu fruͤh erblaſter Freund/ du Blume deiner Zeit;
Die Flora will den Ort mit einem Lentz umbziehen/
Der alle Schaͤtze traͤgt geprießner Liebligkeit.
Es wird die Roſe ſich hier hundert-blaͤttrig zeigen/
Mitleidig/ daß ſie dich/ der Jugend Roſe/ deckt:
Die Lilg’ ihr Silber-Haupt betrubt zur Erde neigen/
Der ſchoͤne Hyacinth mit Thraͤnen ſtehn befleckt:
Die Kinder der Natur/ wie ingeſambt ſie heiſſen/
Der Gaͤrten hoͤchſter Schmuck/ deß Zephirs ſuͤſſe Zucht/
Sieht man auß groſſem Leid ihr Sternen-Kleid zerreiſſen/
Und wie nur duͤrres Laub zu Klage wird geſucht.
Ja dieſes nicht allein! ich ſeh’ die Parnaſſinnen
Verſchweſtert um dein Grab/ O Seel’ger Dreyſchuch/ ſtehn
Jch ſeh’den Fuͤrſten ſelbſt der hohen Pindus-Zinnen
Jn tieffen Flor verkappt bey deiner Leiche gehn.
Was mehr? Jch hoͤr’ auch noch die Zucker-ſuͤſſen Lieder
Den Stimmen-reichen Klang/ wie ſie dich ſegnen ein.
Wo mein zerbrechlich Kiel als Echo was giebt wieder/
So koͤnnens ohngefehr dergleichen Seufftzer ſeyn:
Hoͤchſt-ſchmertzlicher Verluſt/ ihr Schweſtern/ den wir leiden!
Wird unſer Helicon mit Todten auch entweiht?
Soll unſer Wiſſenſchafft der Parcen Urtheil leiden?
Jſt unſer kluger Witz vom Sterben nicht befreyt?
So
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