Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Sie ist als eine Bach ins Todten-Meer geronnen/Daß sie Jerusalems Heil-Quellen dort geneust. Und schmiltze gleich dein Hertz in einen steten bronnen/ Du bringst sie nicht zurück/ und kränckst nur deinen Geist. Es kan unmöglich seyn/ der Höchste muß dich lieben: Zwey Liebsten hohlt er heim/ die ruffen dich hernach. Dich wird die Richterin beym Richt er nicht betrüben/ Die Anna seelig sehn bey jener Lebens-Bach. Noth-Recht deß Todes/ ENtweyhet denn der Tod auch Themis heilge Stuffen/Bey Beerdigung Hn. L. C. F. den 1. Mar- tii 1674. Und übet ungehemmt sein grausam Noth-Recht aus? Heist er für sein Gericht Asträens Priester ruffen/ Und schiebt Gebot und Zwang denselben in das Hauß? So hat die Sterbligkeit wol eiserne Gesetze/ Die auch die Tugend nicht durch läutern linder macht; So sind von Stahl geschmidt der Parcen schwartze Netze/ Und Libitina nimmt Frey-Briefe nicht in acht. Hier hilfft uns keine Frist/ kein Vorstand macht uns sicher/ Kein Ausflucht bringt verschub/ der Tod verführt sein Recht; Es gelten vor ihm nicht der Rechts-Gelahrten Bücher/ Beweiß und Zeigungen/ ja Eyde sind zu schlecht. Sein Urtheil ist gemein/ und wird so scharff vollzogen/ Daß nicht ein eintzig Mensch sich auszuschliessen weiß: Da wird nicht Kunst noch Witz noch Wissenschafft erwogen/ Den Klug- und Thörichten befällt der Todes-Schweiß. Alleine dieses kan uns noch Vergnügen bringen/ Daß der Gerechten Lob und Name nicht vergeht. Es hebet sie der Ruhm auff seine göldne Schwingen/ Wenn in Vergessenheit der andern Leiche steht. Denn ihre Wercke sind/ und ruhn in GOttes Segen/ Und ihre Wurtzel wird von keinem Sturm bewegt/ Jhr Hauß ist wie ein Schloß auff einem Fels gelegen/ Und grünen wie ein Zweig/ der Lebens-Früchte trägt. Ja ihr Gedächtnüß wird von Frommen stets gepriesen: Es schallt ihr Lobgesang durch alle Theil der Welt; Daß
Leichen-Gedichte. Sie iſt als eine Bach ins Todten-Meer geronnen/Daß ſie Jeruſalems Heil-Quellen dort geneuſt. Und ſchmiltze gleich dein Hertz in einen ſteten bronnen/ Du bringſt ſie nicht zuruͤck/ und kraͤnckſt nur deinen Geiſt. Es kan unmoͤglich ſeyn/ der Hoͤchſte muß dich lieben: Zwey Liebſten hohlt er heim/ die ruffen dich hernach. Dich wird die Richterin beym Richt er nicht betruͤben/ Die Anna ſeelig ſehn bey jener Lebens-Bach. Noth-Recht deß Todes/ ENtweyhet denn der Tod auch Themis heilge Stuffen/Bey Beerdigung Hn. L. C. F. den 1. Mar- tii 1674. Und uͤbet ungehem̃t ſein grauſam Noth-Recht aus? Heiſt er fuͤr ſein Gericht Aſtraͤens Prieſter ruffen/ Und ſchiebt Gebot und Zwang denſelben in das Hauß? So hat die Sterbligkeit wol eiſerne Geſetze/ Die auch die Tugend nicht durch laͤutern linder macht; So ſind von Stahl geſchmidt der Parcen ſchwartze Netze/ Und Libitina nimmt Frey-Briefe nicht in acht. Hier hilfft uns keine Friſt/ kein Vorſtand macht uns ſicher/ Kein Ausflucht bringt verſchub/ der Tod verfuͤhrt ſein Recht; Es gelten vor ihm nicht der Rechts-Gelahrten Buͤcher/ Beweiß und Zeigungen/ ja Eyde ſind zu ſchlecht. Sein Urtheil iſt gemein/ und wird ſo ſcharff vollzogen/ Daß nicht ein eintzig Menſch ſich auszuſchlieſſen weiß: Da wird nicht Kunſt noch Witz noch Wiſſenſchafft erwogen/ Den Klug- und Thoͤrichten befaͤllt der Todes-Schweiß. Alleine dieſes kan uns noch Vergnuͤgen bringen/ Daß der Gerechten Lob und Name nicht vergeht. Es hebet ſie der Ruhm auff ſeine goͤldne Schwingen/ Wenn in Vergeſſenheit der andern Leiche ſteht. Denn ihre Wercke ſind/ und ruhn in GOttes Segen/ Und ihre Wurtzel wird von keinem Sturm bewegt/ Jhr Hauß iſt wie ein Schloß auff einem Fels gelegen/ Und gruͤnen wie ein Zweig/ der Lebens-Fruͤchte traͤgt. Ja ihr Gedaͤchtnuͤß wird von Frommen ſtets geprieſen: Es ſchallt ihr Lobgeſang durch alle Theil der Welt; Daß
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Leichen-Gedichte.
Sie iſt als eine Bach ins Todten-Meer geronnen/
Daß ſie Jeruſalems Heil-Quellen dort geneuſt.
Und ſchmiltze gleich dein Hertz in einen ſteten bronnen/
Du bringſt ſie nicht zuruͤck/ und kraͤnckſt nur deinen Geiſt.
Es kan unmoͤglich ſeyn/ der Hoͤchſte muß dich lieben:
Zwey Liebſten hohlt er heim/ die ruffen dich hernach.
Dich wird die Richterin beym Richt er nicht betruͤben/
Die Anna ſeelig ſehn bey jener Lebens-Bach.
Noth-Recht deß Todes/
Bey Beerdigung Hn. L. C. F. den 1. Mar-
tii 1674.
ENtweyhet denn der Tod auch Themis heilge Stuffen/
Und uͤbet ungehem̃t ſein grauſam Noth-Recht aus?
Heiſt er fuͤr ſein Gericht Aſtraͤens Prieſter ruffen/
Und ſchiebt Gebot und Zwang denſelben in das Hauß?
So hat die Sterbligkeit wol eiſerne Geſetze/
Die auch die Tugend nicht durch laͤutern linder macht;
So ſind von Stahl geſchmidt der Parcen ſchwartze Netze/
Und Libitina nimmt Frey-Briefe nicht in acht.
Hier hilfft uns keine Friſt/ kein Vorſtand macht uns ſicher/
Kein Ausflucht bringt verſchub/ der Tod verfuͤhrt ſein Recht;
Es gelten vor ihm nicht der Rechts-Gelahrten Buͤcher/
Beweiß und Zeigungen/ ja Eyde ſind zu ſchlecht.
Sein Urtheil iſt gemein/ und wird ſo ſcharff vollzogen/
Daß nicht ein eintzig Menſch ſich auszuſchlieſſen weiß:
Da wird nicht Kunſt noch Witz noch Wiſſenſchafft erwogen/
Den Klug- und Thoͤrichten befaͤllt der Todes-Schweiß.
Alleine dieſes kan uns noch Vergnuͤgen bringen/
Daß der Gerechten Lob und Name nicht vergeht.
Es hebet ſie der Ruhm auff ſeine goͤldne Schwingen/
Wenn in Vergeſſenheit der andern Leiche ſteht.
Denn ihre Wercke ſind/ und ruhn in GOttes Segen/
Und ihre Wurtzel wird von keinem Sturm bewegt/
Jhr Hauß iſt wie ein Schloß auff einem Fels gelegen/
Und gruͤnen wie ein Zweig/ der Lebens-Fruͤchte traͤgt.
Ja ihr Gedaͤchtnuͤß wird von Frommen ſtets geprieſen:
Es ſchallt ihr Lobgeſang durch alle Theil der Welt;
Daß
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