Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Die schönen Lilien von neuem wieder gläntzen/Und der begrünte Stock den Silberschein gewehrt; Jn gar weit herrlicherm und ungemeinem Schimmern/ Wird die verblichne Blum auch dermaleinsten blühn; Wenn von des Bräutgams Hand in jenen Freuden-Zimmern/ Sie wird das Lilgen Kleid der Höchsten Wonn' anziehn. Betrübtste klaget nicht/ wie schmertzlich es mag kommen/ Jhr habt die Tochter wol und über wol verthan. Sie ist aus Dorn und Heck ins Rosen-Land genommen/ Da uns Mühseelige stets neue Noth ficht an. Wie scheinbar sich das Glück auff dieser Welt mag weisen/ So ist es Sardisch Graß das uns im lachen sterbt. Nein/ unsre Preusin kan jetzt ihren Schöpffer preisen/ Und hat das höchste Gut/ den Himmel selbst/ ererbt. Jch weiß/ geneigter Freund/ es stirbt ihr Angedencken Jn seinem Hertzen nicht/ er rühmt noch ihre Treu/ Weil keinen grössern Schatz GOtt kan den Eltern schencken/ Als daß stets ihrem Wort ein Kind gehorsam sey. Der unverwelckte Ruhm/ sol umb ihr Grab noch wohnen/ Und ob der Winter uns nicht läst zu Blumen gehn/ So tilgt kein Wetter doch der Tugend Anemonen/ Die in der schönsten Blüth umb ihre Baare stehn. Mehr Worte brauch ich nicht/ die Zeit wil mir verfliessen; Jch schliesse meinen Brieff/ so gut er ist gelückt/ Und wünsche das sein Leid sich gleichfalls möge schliessen/ Man trage mit Gedult/ was uns der Himmel schickt. Der in Friede fahrende Simeon NAch so viel Angst und Weh/ nach so gehäufften SchmertzeBey Beerdigung Hn. C. M. den 8. Febr. 1673. Kommt deine Friedenfarth/ Verlebter/ auch herbey: Du trägst wie Simeon den Heiland in dem Hertzen/ Daß er auff solcher Bahn dir Licht und Führer sey. Und solte nicht das Licht der ausgebreiten Heiden/ Der Glantz der Ewigkeit auch hier dein Leitstern stehn? Daß du mit Freuden kanst von dieser Welt abscheiden/ Und durch das wüste Reich der Todes-Schatten gehn. Der J i i 2
Leichen-Gedichte. Die ſchoͤnen Lilien von neuem wieder glaͤntzen/Und der begruͤnte Stock den Silberſchein gewehrt; Jn gar weit herrlicherm und ungemeinem Schimmern/ Wird die verblichne Blum auch dermaleinſten bluͤhn; Wenn von des Braͤutgams Hand in jenen Freuden-Zimmern/ Sie wird das Lilgen Kleid der Hoͤchſten Wonn’ anziehn. Betruͤbtſte klaget nicht/ wie ſchmertzlich es mag kommen/ Jhr habt die Tochter wol und uͤber wol verthan. Sie iſt aus Dorn und Heck ins Roſen-Land genommen/ Da uns Muͤhſeelige ſtets neue Noth ficht an. Wie ſcheinbar ſich das Gluͤck auff dieſer Welt mag weiſen/ So iſt es Sardiſch Graß das uns im lachen ſterbt. Nein/ unſre Preuſin kan jetzt ihren Schoͤpffer preiſen/ Und hat das hoͤchſte Gut/ den Himmel ſelbſt/ ererbt. Jch weiß/ geneigter Freund/ es ſtirbt ihr Angedencken Jn ſeinem Hertzen nicht/ er ruͤhmt noch ihre Treu/ Weil keinen groͤſſern Schatz GOtt kan den Eltern ſchencken/ Als daß ſtets ihrem Wort ein Kind gehorſam ſey. Der unverwelckte Ruhm/ ſol umb ihr Grab noch wohnen/ Und ob der Winter uns nicht laͤſt zu Blumen gehn/ So tilgt kein Wetter doch der Tugend Anemonen/ Die in der ſchoͤnſten Bluͤth umb ihre Baare ſtehn. Mehr Worte brauch ich nicht/ die Zeit wil mir verflieſſen; Jch ſchlieſſe meinen Brieff/ ſo gut er iſt geluͤckt/ Und wuͤnſche das ſein Leid ſich gleichfalls moͤge ſchlieſſen/ Man trage mit Gedult/ was uns der Himmel ſchickt. Der in Friede fahrende Simeon NAch ſo viel Angſt und Weh/ nach ſo gehaͤufften SchmertzēBey Beerdigung Hn. C. M. den 8. Febr. 1673. Kommt deine Friedenfarth/ Verlebter/ auch herbey: Du traͤgſt wie Simeon den Heiland in dem Hertzen/ Daß er auff ſolcher Bahn dir Licht und Fuͤhrer ſey. Und ſolte nicht das Licht der ausgebreiten Heiden/ Der Glantz der Ewigkeit auch hier dein Leitſtern ſtehn? Daß du mit Freuden kanſt von dieſer Welt abſcheiden/ Und durch das wuͤſte Reich der Todes-Schatten gehn. Der J i i 2
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Leichen-Gedichte.
Die ſchoͤnen Lilien von neuem wieder glaͤntzen/
Und der begruͤnte Stock den Silberſchein gewehrt;
Jn gar weit herrlicherm und ungemeinem Schimmern/
Wird die verblichne Blum auch dermaleinſten bluͤhn;
Wenn von des Braͤutgams Hand in jenen Freuden-Zimmern/
Sie wird das Lilgen Kleid der Hoͤchſten Wonn’ anziehn.
Betruͤbtſte klaget nicht/ wie ſchmertzlich es mag kommen/
Jhr habt die Tochter wol und uͤber wol verthan.
Sie iſt aus Dorn und Heck ins Roſen-Land genommen/
Da uns Muͤhſeelige ſtets neue Noth ficht an.
Wie ſcheinbar ſich das Gluͤck auff dieſer Welt mag weiſen/
So iſt es Sardiſch Graß das uns im lachen ſterbt.
Nein/ unſre Preuſin kan jetzt ihren Schoͤpffer preiſen/
Und hat das hoͤchſte Gut/ den Himmel ſelbſt/ ererbt.
Jch weiß/ geneigter Freund/ es ſtirbt ihr Angedencken
Jn ſeinem Hertzen nicht/ er ruͤhmt noch ihre Treu/
Weil keinen groͤſſern Schatz GOtt kan den Eltern ſchencken/
Als daß ſtets ihrem Wort ein Kind gehorſam ſey.
Der unverwelckte Ruhm/ ſol umb ihr Grab noch wohnen/
Und ob der Winter uns nicht laͤſt zu Blumen gehn/
So tilgt kein Wetter doch der Tugend Anemonen/
Die in der ſchoͤnſten Bluͤth umb ihre Baare ſtehn.
Mehr Worte brauch ich nicht/ die Zeit wil mir verflieſſen;
Jch ſchlieſſe meinen Brieff/ ſo gut er iſt geluͤckt/
Und wuͤnſche das ſein Leid ſich gleichfalls moͤge ſchlieſſen/
Man trage mit Gedult/ was uns der Himmel ſchickt.
Der in Friede fahrende Simeon
Bey Beerdigung Hn. C. M. den 8. Febr.
1673.
NAch ſo viel Angſt und Weh/ nach ſo gehaͤufften Schmertzē
Kommt deine Friedenfarth/ Verlebter/ auch herbey:
Du traͤgſt wie Simeon den Heiland in dem Hertzen/
Daß er auff ſolcher Bahn dir Licht und Fuͤhrer ſey.
Und ſolte nicht das Licht der ausgebreiten Heiden/
Der Glantz der Ewigkeit auch hier dein Leitſtern ſtehn?
Daß du mit Freuden kanſt von dieſer Welt abſcheiden/
Und durch das wuͤſte Reich der Todes-Schatten gehn.
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