Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

Bild:
<< vorherige Seite
Leichen-Gedichte.
Wo nie kein Fluß entspringt/ kein Vogel singt in Matten/
Und wo die Faulheit sich zu keinen Zeiten rührt.
Es ist solch Zimmer nur die Vorburg zu der Höllen/
Wo ein verdammter Schlaff die Menschen sicher macht.
Mecönas weiß allhier ein Urtheil nicht zu stellen/
Wie hoch ihn sonst sein Witz und scharffe Klugheit bracht.
Es soll ein güldnes Netz und Schwanen-weiches Küssen
Mit Rosen von Milet Haupt-zärtlich angefüllt/
Sambt lindem Seitenspiel ihm seine Ruh versüssen/
Jndem Terentia den alten Weichling trillt.
Nein/ auch der theure Schlaff durch Künste zubereitet/
Jst ein gefährlich Gast/ und ungewisser Freund:
Wo uns zu reiner Ruh nicht das Gewissen leitet/
Wird auch der süßte Schlaff ein höchst gefährlich Feind.
Viel hat ein langer Schlaff zur langen Nacht gewiesen/
Gleich wie der Attila in eignem Blut erstickt.
Doch dieser wird allein am seeligsten gepriesen/
Den hier des Todes Schlaff zu größrer Lust erquickt.
Des Lebens Ewigkeit entwerffen auch die Gräntzen
Des Schlaffes/ wer genau desselben Ursprung weiß/
Denn wenn sein Honigseim den Leib pflegt zu ergäntzen/
So wachet erst recht auf der Seele hoher Fleiß.
Sie ist nicht wie zuvor an ihre Last gebunden/
Rennt ihrem Ursprung nach zu der saphirnen Höh/
Wird bey den Bösen böß/ und Frommen fromm gefunden/
Denckt wie der Göttligkeit sie stets am nechsten steh.
Und diß kan unser Seel im Leibe noch vollbringen/
Wenn ihr ein kurtzer Schlaff nur wenig Freyheit gibt:
Welch eine Herrligkeit wird sie bey GOtt umringen/
Wo sie ihn anders hat beständig hier geliebt.
Herr Scholtzens edle Seel erkennt nun solche Güter/
Geneust der Liebe Frucht/ der Treu erfreuten Lohn/
Entgeht durch einen Schlaff viel herbem Ungewitter/
Trägt Glauben und Gedult zu seinem Schmuck davon.
Es ist sein Lebens-Tag ihm hier auch saur erschienen/
Weil ihn manch harter Wind zu See und Land geplagt.
Der Eyfer volle Ruhm durch Kunst und Witz zu grünen
Hat den geschickten Geist in frembde Lufft gejagt.
Europens meister Theil ist ihm bekand gewesen/
Der Polen weites Land/ der Frantzen kluges Reich.
Er
Leichen-Gedichte.
Wo nie kein Fluß entſpringt/ kein Vogel ſingt in Matten/
Und wo die Faulheit ſich zu keinen Zeiten ruͤhrt.
Es iſt ſolch Zimmer nur die Vorburg zu der Hoͤllen/
Wo ein verdammter Schlaff die Menſchen ſicher macht.
Mecoͤnas weiß allhier ein Urtheil nicht zu ſtellen/
Wie hoch ihn ſonſt ſein Witz und ſcharffe Klugheit bracht.
Es ſoll ein guͤldnes Netz und Schwanen-weiches Kuͤſſen
Mit Roſen von Milet Haupt-zaͤrtlich angefuͤllt/
Sambt lindem Seitenſpiel ihm ſeine Ruh verſuͤſſen/
Jndem Terentia den alten Weichling trillt.
Nein/ auch der theure Schlaff durch Kuͤnſte zubereitet/
Jſt ein gefaͤhrlich Gaſt/ und ungewiſſer Freund:
Wo uns zu reiner Ruh nicht das Gewiſſen leitet/
Wird auch der ſuͤßte Schlaff ein hoͤchſt gefaͤhrlich Feind.
Viel hat ein langer Schlaff zur langen Nacht gewieſen/
Gleich wie der Attila in eignem Blut erſtickt.
Doch dieſer wird allein am ſeeligſten geprieſen/
Den hier des Todes Schlaff zu groͤßrer Luſt erquickt.
Des Lebens Ewigkeit entwerffen auch die Graͤntzen
Des Schlaffes/ wer genau deſſelben Urſprung weiß/
Denn wenn ſein Honigſeim den Leib pflegt zu ergaͤntzen/
So wachet erſt recht auf der Seele hoher Fleiß.
Sie iſt nicht wie zuvor an ihre Laſt gebunden/
Rennt ihrem Urſprung nach zu der ſaphirnen Hoͤh/
Wird bey den Boͤſen boͤß/ und Frommen fromm gefunden/
Denckt wie der Goͤttligkeit ſie ſtets am nechſten ſteh.
Und diß kan unſer Seel im Leibe noch vollbringen/
Wenn ihr ein kurtzer Schlaff nur wenig Freyheit gibt:
Welch eine Herꝛligkeit wird ſie bey GOtt umringen/
Wo ſie ihn anders hat beſtaͤndig hier geliebt.
Herr Scholtzens edle Seel erkennt nun ſolche Guͤter/
Geneuſt der Liebe Frucht/ der Treu erfreuten Lohn/
Entgeht durch einen Schlaff viel herbem Ungewitter/
Traͤgt Glauben und Gedult zu ſeinem Schmuck davon.
Es iſt ſein Lebens-Tag ihm hier auch ſaur erſchienen/
Weil ihn manch harter Wind zu See und Land geplagt.
Der Eyfer volle Ruhm durch Kunſt und Witz zu gruͤnen
Hat den geſchickten Geiſt in frembde Lufft gejagt.
Europens meiſter Theil iſt ihm bekand geweſen/
Der Polen weites Land/ der Frantzen kluges Reich.
Er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0354" n="122"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Wo nie kein Fluß ent&#x017F;pringt/ kein Vogel &#x017F;ingt in Matten/</l><lb/>
          <l>Und wo die Faulheit &#x017F;ich zu keinen Zeiten ru&#x0364;hrt.</l><lb/>
          <l>Es i&#x017F;t &#x017F;olch Zimmer nur die Vorburg zu der Ho&#x0364;llen/</l><lb/>
          <l>Wo ein verdammter Schlaff die Men&#x017F;chen &#x017F;icher macht.</l><lb/>
          <l>Meco&#x0364;nas weiß allhier ein Urtheil nicht zu &#x017F;tellen/</l><lb/>
          <l>Wie hoch ihn &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ein Witz und &#x017F;charffe Klugheit bracht.</l><lb/>
          <l>Es &#x017F;oll ein gu&#x0364;ldnes Netz und Schwanen-weiches Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
          <l>Mit Ro&#x017F;en von Milet Haupt-za&#x0364;rtlich angefu&#x0364;llt/</l><lb/>
          <l>Sambt lindem Seiten&#x017F;piel ihm &#x017F;eine Ruh ver&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
          <l>Jndem Terentia den alten Weichling trillt.</l><lb/>
          <l>Nein/ auch der theure Schlaff durch Ku&#x0364;n&#x017F;te zubereitet/</l><lb/>
          <l>J&#x017F;t ein gefa&#x0364;hrlich Ga&#x017F;t/ und ungewi&#x017F;&#x017F;er Freund:</l><lb/>
          <l>Wo uns zu reiner Ruh nicht das Gewi&#x017F;&#x017F;en leitet/</l><lb/>
          <l>Wird auch der &#x017F;u&#x0364;ßte Schlaff ein ho&#x0364;ch&#x017F;t gefa&#x0364;hrlich Feind.</l><lb/>
          <l>Viel hat ein langer Schlaff zur langen Nacht gewie&#x017F;en/</l><lb/>
          <l>Gleich wie der Attila in eignem Blut er&#x017F;tickt.</l><lb/>
          <l>Doch die&#x017F;er wird allein am &#x017F;eelig&#x017F;ten geprie&#x017F;en/</l><lb/>
          <l>Den hier des Todes Schlaff zu gro&#x0364;ßrer Lu&#x017F;t erquickt.</l><lb/>
          <l>Des Lebens Ewigkeit entwerffen auch die Gra&#x0364;ntzen</l><lb/>
          <l>Des Schlaffes/ wer genau de&#x017F;&#x017F;elben Ur&#x017F;prung weiß/</l><lb/>
          <l>Denn wenn &#x017F;ein Honig&#x017F;eim den Leib pflegt zu erga&#x0364;ntzen/</l><lb/>
          <l>So wachet er&#x017F;t recht auf der Seele hoher Fleiß.</l><lb/>
          <l>Sie i&#x017F;t nicht wie zuvor an ihre La&#x017F;t gebunden/</l><lb/>
          <l>Rennt ihrem Ur&#x017F;prung nach zu der &#x017F;aphirnen Ho&#x0364;h/</l><lb/>
          <l>Wird bey den Bo&#x0364;&#x017F;en bo&#x0364;ß/ und Frommen fromm gefunden/</l><lb/>
          <l>Denckt wie der Go&#x0364;ttligkeit &#x017F;ie &#x017F;tets am nech&#x017F;ten &#x017F;teh.</l><lb/>
          <l>Und diß kan un&#x017F;er Seel im Leibe noch vollbringen/</l><lb/>
          <l>Wenn ihr ein kurtzer Schlaff nur wenig Freyheit gibt:</l><lb/>
          <l>Welch eine Her&#xA75B;ligkeit wird &#x017F;ie bey GOtt umringen/</l><lb/>
          <l>Wo &#x017F;ie ihn anders hat be&#x017F;ta&#x0364;ndig hier geliebt.</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">Herr Scholtzens</hi> edle Seel erkennt nun &#x017F;olche Gu&#x0364;ter/</l><lb/>
          <l>Geneu&#x017F;t der Liebe Frucht/ der Treu erfreuten Lohn/</l><lb/>
          <l>Entgeht durch einen Schlaff viel herbem Ungewitter/</l><lb/>
          <l>Tra&#x0364;gt Glauben und Gedult zu &#x017F;einem Schmuck davon.</l><lb/>
          <l>Es i&#x017F;t &#x017F;ein Lebens-Tag ihm hier auch &#x017F;aur er&#x017F;chienen/</l><lb/>
          <l>Weil ihn manch harter Wind zu See und Land geplagt.</l><lb/>
          <l>Der Eyfer volle Ruhm durch Kun&#x017F;t und Witz zu gru&#x0364;nen</l><lb/>
          <l>Hat den ge&#x017F;chickten Gei&#x017F;t in frembde Lufft gejagt.</l><lb/>
          <l>Europens mei&#x017F;ter Theil i&#x017F;t ihm bekand gewe&#x017F;en/</l><lb/>
          <l>Der Polen weites Land/ der Frantzen kluges Reich.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0354] Leichen-Gedichte. Wo nie kein Fluß entſpringt/ kein Vogel ſingt in Matten/ Und wo die Faulheit ſich zu keinen Zeiten ruͤhrt. Es iſt ſolch Zimmer nur die Vorburg zu der Hoͤllen/ Wo ein verdammter Schlaff die Menſchen ſicher macht. Mecoͤnas weiß allhier ein Urtheil nicht zu ſtellen/ Wie hoch ihn ſonſt ſein Witz und ſcharffe Klugheit bracht. Es ſoll ein guͤldnes Netz und Schwanen-weiches Kuͤſſen Mit Roſen von Milet Haupt-zaͤrtlich angefuͤllt/ Sambt lindem Seitenſpiel ihm ſeine Ruh verſuͤſſen/ Jndem Terentia den alten Weichling trillt. Nein/ auch der theure Schlaff durch Kuͤnſte zubereitet/ Jſt ein gefaͤhrlich Gaſt/ und ungewiſſer Freund: Wo uns zu reiner Ruh nicht das Gewiſſen leitet/ Wird auch der ſuͤßte Schlaff ein hoͤchſt gefaͤhrlich Feind. Viel hat ein langer Schlaff zur langen Nacht gewieſen/ Gleich wie der Attila in eignem Blut erſtickt. Doch dieſer wird allein am ſeeligſten geprieſen/ Den hier des Todes Schlaff zu groͤßrer Luſt erquickt. Des Lebens Ewigkeit entwerffen auch die Graͤntzen Des Schlaffes/ wer genau deſſelben Urſprung weiß/ Denn wenn ſein Honigſeim den Leib pflegt zu ergaͤntzen/ So wachet erſt recht auf der Seele hoher Fleiß. Sie iſt nicht wie zuvor an ihre Laſt gebunden/ Rennt ihrem Urſprung nach zu der ſaphirnen Hoͤh/ Wird bey den Boͤſen boͤß/ und Frommen fromm gefunden/ Denckt wie der Goͤttligkeit ſie ſtets am nechſten ſteh. Und diß kan unſer Seel im Leibe noch vollbringen/ Wenn ihr ein kurtzer Schlaff nur wenig Freyheit gibt: Welch eine Herꝛligkeit wird ſie bey GOtt umringen/ Wo ſie ihn anders hat beſtaͤndig hier geliebt. Herr Scholtzens edle Seel erkennt nun ſolche Guͤter/ Geneuſt der Liebe Frucht/ der Treu erfreuten Lohn/ Entgeht durch einen Schlaff viel herbem Ungewitter/ Traͤgt Glauben und Gedult zu ſeinem Schmuck davon. Es iſt ſein Lebens-Tag ihm hier auch ſaur erſchienen/ Weil ihn manch harter Wind zu See und Land geplagt. Der Eyfer volle Ruhm durch Kunſt und Witz zu gruͤnen Hat den geſchickten Geiſt in frembde Lufft gejagt. Europens meiſter Theil iſt ihm bekand geweſen/ Der Polen weites Land/ der Frantzen kluges Reich. Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/354
Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/354>, abgerufen am 24.07.2024.