Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Jhr Angedencken wird bey später Nachwelt grünen/Weil sie der Frömmigkeit sich gantz gewidmet hat. Jhr Hingang machet uns zu folgen ein Verlangen. Denn was erwarten wir als Jammer-reiche Noth? Sind wir nicht Sclaven gleich mit Fesseln stets gefangen? Glückseelig/ wen erlöst ein wolbereiter Tod, Zwar das ist von Natur/ daß bey der Eltern Grabe/ Ein Kind kein Marmel ist/ und es mit Thränen ehrt: Doch wil das Christenthum/ daß man auch Maß hier habe/ Weil endlich mit der Zeit das gröste Leid aufhört. Sie ist recht Lebens satt versammlet zu den ihren/ Jhr hohes Alter hat den letzten Grad erlangt/ Wir wissen/ daß sie dort die Sieges Lorbern zieren/ Daß sie im Unschulds-Kleid als eine Lilje prangt. Seelige Nachfolge/ ES war der höchste Wunsch bey treu-verliebten Hertzen/Fr. S. E. g. R. den 21. May 1671. Die noch das Alterthum der ersten Zeit erkant/ Daß/ wie sie sich vermählt bey gleichen Hochzeit-Kertzen/ Sie auch in ihrem Tod umbfieng ein gleicher Brand. Wie sehnlich wünschten sie/ daß die entleibten Schatten/ Jn dem Elyser-Feld beysammen möchten seyn! Und wie sie sich verknüpfft in diesem Leben hatten/ So hofften sie auch dort diß Bündnüß zu verneu'n. Es kan das Morgen Land sein Frauen-Zimmer zeigen/ So voller Brunst und Geist sprang in die Todten Glut: Es wird auch Sina nicht von solchen Weibern schweigen/ Die eben diß gethan mit tapfferm Helden-Muth. Die Arria krönt noch ein ewiges Gerüchte; Paulina schneidet ihr die Adern frisch entzwey/ Als sie den Seneca mit blassem Angesichte Allmählich ziehen sieht zu der entseelten Rey. Tranck Arthemisia nicht ihres Ehmanns Asche/ Und baut ein köstlich Grab zum Zeichen reiner Gunst? Und daß sich Porcia von aller Schuld abwasche/ Sind Kohlen nicht so heiß als ihre Liebes-Brunst. Allein ein eitler Wahn verblendte die Gemüther; Die rasende Begier nach der Unsterbligkeit/ Schlug
Leichen-Gedichte. Jhr Angedencken wird bey ſpaͤter Nachwelt gruͤnen/Weil ſie der Froͤmmigkeit ſich gantz gewidmet hat. Jhr Hingang machet uns zu folgen ein Verlangen. Denn was erwarten wir als Jammer-reiche Noth? Sind wir nicht Sclaven gleich mit Feſſeln ſtets gefangen? Gluͤckſeelig/ wen erloͤſt ein wolbereiter Tod, Zwar das iſt von Natur/ daß bey der Eltern Grabe/ Ein Kind kein Marmel iſt/ und es mit Thraͤnen ehrt: Doch wil das Chriſtenthum/ daß man auch Maß hier habe/ Weil endlich mit der Zeit das groͤſte Leid aufhoͤrt. Sie iſt recht Lebens ſatt verſammlet zu den ihren/ Jhr hohes Alter hat den letzten Grad erlangt/ Wir wiſſen/ daß ſie dort die Sieges Lorbern zieren/ Daß ſie im Unſchulds-Kleid als eine Lilje prangt. Seelige Nachfolge/ ES war der hoͤchſte Wunſch bey treu-verliebten Hertzen/Fr. S. E. g. R. den 21. May 1671. Die noch das Alterthum der erſten Zeit erkant/ Daß/ wie ſie ſich vermaͤhlt bey gleichen Hochzeit-Kertzen/ Sie auch in ihrem Tod umbfieng ein gleicher Brand. Wie ſehnlich wuͤnſchten ſie/ daß die entleibten Schatten/ Jn dem Elyſer-Feld beyſammen moͤchten ſeyn! Und wie ſie ſich verknuͤpfft in dieſem Leben hatten/ So hofften ſie auch dort diß Buͤndnuͤß zu verneu’n. Es kan das Morgen Land ſein Frauen-Zimmer zeigen/ So voller Brunſt und Geiſt ſprang in die Todten Glut: Es wird auch Sina nicht von ſolchen Weibern ſchweigen/ Die eben diß gethan mit tapfferm Helden-Muth. Die Arria kroͤnt noch ein ewiges Geruͤchte; Paulina ſchneidet ihr die Adern friſch entzwey/ Als ſie den Seneca mit blaſſem Angeſichte Allmaͤhlich ziehen ſieht zu der entſeelten Rey. Tranck Arthemiſia nicht ihres Ehmanns Aſche/ Und baut ein koͤſtlich Grab zum Zeichen reiner Gunſt? Und daß ſich Porcia von aller Schuld abwaſche/ Sind Kohlen nicht ſo heiß als ihre Liebes-Brunſt. Allein ein eitler Wahn verblendte die Gemuͤther; Die raſende Begier nach der Unſterbligkeit/ Schlug
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Leichen-Gedichte.
Jhr Angedencken wird bey ſpaͤter Nachwelt gruͤnen/
Weil ſie der Froͤmmigkeit ſich gantz gewidmet hat.
Jhr Hingang machet uns zu folgen ein Verlangen.
Denn was erwarten wir als Jammer-reiche Noth?
Sind wir nicht Sclaven gleich mit Feſſeln ſtets gefangen?
Gluͤckſeelig/ wen erloͤſt ein wolbereiter Tod,
Zwar das iſt von Natur/ daß bey der Eltern Grabe/
Ein Kind kein Marmel iſt/ und es mit Thraͤnen ehrt:
Doch wil das Chriſtenthum/ daß man auch Maß hier habe/
Weil endlich mit der Zeit das groͤſte Leid aufhoͤrt.
Sie iſt recht Lebens ſatt verſammlet zu den ihren/
Jhr hohes Alter hat den letzten Grad erlangt/
Wir wiſſen/ daß ſie dort die Sieges Lorbern zieren/
Daß ſie im Unſchulds-Kleid als eine Lilje prangt.
Seelige Nachfolge/
Fr. S. E. g. R. den 21. May 1671.
ES war der hoͤchſte Wunſch bey treu-verliebten Hertzen/
Die noch das Alterthum der erſten Zeit erkant/
Daß/ wie ſie ſich vermaͤhlt bey gleichen Hochzeit-Kertzen/
Sie auch in ihrem Tod umbfieng ein gleicher Brand.
Wie ſehnlich wuͤnſchten ſie/ daß die entleibten Schatten/
Jn dem Elyſer-Feld beyſammen moͤchten ſeyn!
Und wie ſie ſich verknuͤpfft in dieſem Leben hatten/
So hofften ſie auch dort diß Buͤndnuͤß zu verneu’n.
Es kan das Morgen Land ſein Frauen-Zimmer zeigen/
So voller Brunſt und Geiſt ſprang in die Todten Glut:
Es wird auch Sina nicht von ſolchen Weibern ſchweigen/
Die eben diß gethan mit tapfferm Helden-Muth.
Die Arria kroͤnt noch ein ewiges Geruͤchte;
Paulina ſchneidet ihr die Adern friſch entzwey/
Als ſie den Seneca mit blaſſem Angeſichte
Allmaͤhlich ziehen ſieht zu der entſeelten Rey.
Tranck Arthemiſia nicht ihres Ehmanns Aſche/
Und baut ein koͤſtlich Grab zum Zeichen reiner Gunſt?
Und daß ſich Porcia von aller Schuld abwaſche/
Sind Kohlen nicht ſo heiß als ihre Liebes-Brunſt.
Allein ein eitler Wahn verblendte die Gemuͤther;
Die raſende Begier nach der Unſterbligkeit/
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Zitationshilfe: | Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/322>, abgerufen am 24.07.2024. |