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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Doch kan kein sterblich Mensch sie drüber sicher machen/
Daß diß ein wahrer Grund verlangter Wolfahrt sey.
Offt schimpfft des Enckels That der Ahnen Lorber-Kronen/
Und seiner Laster Nacht verhüllt des Anherrns Licht;
Offt läst der Zeiten Sturm die nicht das Land bewohnen/
Das ihre Väter vor erbaut und zugericht.
Der Sohn der zu der Kron und Jnfel war bestimmet
Stirbt durch des Henckers Hand in höchsten Schimpff und
Schmach/

Und wie das Schicksel sich auff Schlangen-weise krümmet/
Jst nicht Bolen bekand der auffdie Tochter sprach?
Die Hoffnung vieler Jahr' und Sorgen-volle Stunden/
Des Hauses treuer Wunsch/ des Stammes wahrer Ruhm
Jst weder von dem Fall noch Untergang entbunden/
Hat ausser Sarg' und Grab kein ander Eigenthum.
Gesetzt; und Eltern sehn an ihren Kindern Freuden/
Ja ihr vermählt Geschlecht in Glück und Wolfahrt blühn/
Wie manchmal wird sie nicht der Tod mit Boy ankleiden
Und ihnen bey der Lust die Trauer-Kapp' anziehn.
Bestürtzte/ das diß schlecht und nicht das Leid bezwinget/
So euren Geist bekämpfft und zu der Erden drückt/
Jst wahr/ weil die Vernunfft den Gegenwurff einbringet:
Warumb wird unser Kind in erster Blüt entrückt?
Verschwindet uns so bald das angenehme Schertzen?
Die freundliche Gestalt und was ergetzlich schien?
Verscharrt ein schwartzes Grab das Theil von unsrem Hertzen?
Nimmt ein so harter Sturm die erste Pflantze hin?
Heist uns der bleiche Tod der Freude gantz vergessen?
Muß der Groß-Eltern Trost der Schmertzen Werck-Zeug
Und bleiben uns nichts mehr als dunckele Cypressen (seyn?
Zum Rest/ und für den Sarg der Todten-Lichter Schein?
Hingegen wer bedenckt das Göttliche Gerichte/
Den unerforschten Schluß und unumschriebne-Macht?
Und wie das liebe Kind in jenem grossen Lichte
Bey tausend Engeln sitzt in Sonnen-klarer Pracht;
Entnommen aller Noth/ die uns kan künfftig drücken/
Frey in dem höchsten Grad und reiner als der Schnee/
Der wird ob seiner Ruh sich in der Seel' erquicken
Und sagen/ ihm ist wol/ uns Hinterlaßnen weh.
Was bringen uns viel Jahr'? ein Anzahl vieler Plagen.
Und auff was warten wir? Auff immer-neue Noth?
So
Fff
Leichen-Gedichte.
Doch kan kein ſterblich Menſch ſie druͤber ſicher machen/
Daß diß ein wahrer Grund verlangter Wolfahrt ſey.
Offt ſchimpfft des Enckels That der Ahnen Lorber-Kronen/
Und ſeiner Laſter Nacht verhuͤllt des Anherrns Licht;
Offt laͤſt der Zeiten Sturm die nicht das Land bewohnen/
Das ihre Vaͤter vor erbaut und zugericht.
Der Sohn der zu der Kron und Jnfel war beſtimmet
Stirbt durch des Henckers Hand in hoͤchſten Schimpff und
Schmach/

Und wie das Schickſel ſich auff Schlangen-weiſe kruͤmmet/
Jſt nicht Bolen bekand der auffdie Tochter ſprach?
Die Hoffnung vieler Jahr’ und Sorgen-volle Stunden/
Des Hauſes treuer Wunſch/ des Stammes wahrer Ruhm
Jſt weder von dem Fall noch Untergang entbunden/
Hat auſſer Sarg’ und Grab kein ander Eigenthum.
Geſetzt; und Eltern ſehn an ihren Kindern Freuden/
Ja ihr vermaͤhlt Geſchlecht in Gluͤck und Wolfahrt bluͤhn/
Wie manchmal wird ſie nicht der Tod mit Boy ankleiden
Und ihnen bey der Luſt die Trauer-Kapp’ anziehn.
Beſtuͤrtzte/ das diß ſchlecht und nicht das Leid bezwinget/
So euren Geiſt bekaͤmpfft und zu der Erden druͤckt/
Jſt wahr/ weil die Vernunfft den Gegenwurff einbringet:
Warumb wird unſer Kind in erſter Bluͤt entruͤckt?
Verſchwindet uns ſo bald das angenehme Schertzen?
Die freundliche Geſtalt und was ergetzlich ſchien?
Verſcharrt ein ſchwartzes Grab das Theil von unſrem Hertzen?
Nimmt ein ſo harter Sturm die erſte Pflantze hin?
Heiſt uns der bleiche Tod der Freude gantz vergeſſen?
Muß der Groß-Eltern Troſt der Schmertzen Werck-Zeug
Und bleiben uns nichts mehr als dunckele Cypreſſen (ſeyn?
Zum Reſt/ und fuͤr den Sarg der Todten-Lichter Schein?
Hingegen wer bedenckt das Goͤttliche Gerichte/
Den unerforſchten Schluß und unumſchriebne-Macht?
Und wie das liebe Kind in jenem groſſen Lichte
Bey tauſend Engeln ſitzt in Sonnen-klarer Pracht;
Entnommen aller Noth/ die uns kan kuͤnfftig druͤcken/
Frey in dem hoͤchſten Grad und reiner als der Schnee/
Der wird ob ſeiner Ruh ſich in der Seel’ erquicken
Und ſagen/ ihm iſt wol/ uns Hinterlaßnen weh.
Was bringen uns viel Jahr’? ein Anzahl vieler Plagen.
Und auff was warten wir? Auff immer-neue Noth?
So
Fff
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[81/0313] Leichen-Gedichte. Doch kan kein ſterblich Menſch ſie druͤber ſicher machen/ Daß diß ein wahrer Grund verlangter Wolfahrt ſey. Offt ſchimpfft des Enckels That der Ahnen Lorber-Kronen/ Und ſeiner Laſter Nacht verhuͤllt des Anherrns Licht; Offt laͤſt der Zeiten Sturm die nicht das Land bewohnen/ Das ihre Vaͤter vor erbaut und zugericht. Der Sohn der zu der Kron und Jnfel war beſtimmet Stirbt durch des Henckers Hand in hoͤchſten Schimpff und Schmach/ Und wie das Schickſel ſich auff Schlangen-weiſe kruͤmmet/ Jſt nicht Bolen bekand der auffdie Tochter ſprach? Die Hoffnung vieler Jahr’ und Sorgen-volle Stunden/ Des Hauſes treuer Wunſch/ des Stammes wahrer Ruhm Jſt weder von dem Fall noch Untergang entbunden/ Hat auſſer Sarg’ und Grab kein ander Eigenthum. Geſetzt; und Eltern ſehn an ihren Kindern Freuden/ Ja ihr vermaͤhlt Geſchlecht in Gluͤck und Wolfahrt bluͤhn/ Wie manchmal wird ſie nicht der Tod mit Boy ankleiden Und ihnen bey der Luſt die Trauer-Kapp’ anziehn. Beſtuͤrtzte/ das diß ſchlecht und nicht das Leid bezwinget/ So euren Geiſt bekaͤmpfft und zu der Erden druͤckt/ Jſt wahr/ weil die Vernunfft den Gegenwurff einbringet: Warumb wird unſer Kind in erſter Bluͤt entruͤckt? Verſchwindet uns ſo bald das angenehme Schertzen? Die freundliche Geſtalt und was ergetzlich ſchien? Verſcharrt ein ſchwartzes Grab das Theil von unſrem Hertzen? Nimmt ein ſo harter Sturm die erſte Pflantze hin? Heiſt uns der bleiche Tod der Freude gantz vergeſſen? Muß der Groß-Eltern Troſt der Schmertzen Werck-Zeug Und bleiben uns nichts mehr als dunckele Cypreſſen (ſeyn? Zum Reſt/ und fuͤr den Sarg der Todten-Lichter Schein? Hingegen wer bedenckt das Goͤttliche Gerichte/ Den unerforſchten Schluß und unumſchriebne-Macht? Und wie das liebe Kind in jenem groſſen Lichte Bey tauſend Engeln ſitzt in Sonnen-klarer Pracht; Entnommen aller Noth/ die uns kan kuͤnfftig druͤcken/ Frey in dem hoͤchſten Grad und reiner als der Schnee/ Der wird ob ſeiner Ruh ſich in der Seel’ erquicken Und ſagen/ ihm iſt wol/ uns Hinterlaßnen weh. Was bringen uns viel Jahr’? ein Anzahl vieler Plagen. Und auff was warten wir? Auff immer-neue Noth? So Fff

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/313>, abgerufen am 24.11.2024.