Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Zu einem Tugend-Bild auff Erden auserkohren/Zu einer Augen-Lust dem Liebsten zugesand. Und jetzt ob es wol scheint/ daß sie von uns gewichen Jn jenem Paradiß ein unverwelckte Blum/ So mehr den Milch-Weg krönt/ als was der Mund der Grichen/ Der irrdschen Lilien vermeldet hat zum Ruhm: Die werden hochgeschätzt von angenehmen Hauchen Und kräfftigem Geruch/ der jederman beliebt/ Daß ihre Blätter vor die Schlangen-Stich zu brauchen/ Und daß ihr lindes Oel den Wunden Artzney gibt: Der gute Tugend-Ruch von der erblasten Frauen/ Jhr herrliches Gerücht ergetzet noch die Stadt/ Und läst die Reinligkeit des Lebens Wandel schauen/ Der warlich Lilgen rein/ und keine Flecken hat. Ja ihre Frömmigkeit kan auch den Neid bezwingen/ Daß nicht sein gifftig Zahn des Ruhmes Blat benagt/ Wenn sie so mühsam war dem Armen Trost zu bringen Und hülffreich sich erwieß/ wenn er die Noth geklagt. Kein Pomerantzen Oel/ noch der Jeßminen Tropffen Die gleichen sich dem Ruhm der Grufft und Bahre ziert. Wie ist/ Hochwerther/ nun der Thränen Quell zustopffen Zu heilen dieser Schlag/ der gar die Seel berührt? Jn Chloris Blumen-Reich und lustigen Gefildern Kommt keine Blume so/ als wie die Lilg'/ empor: Sie auch die seelige der Kern von Weibes-Bildern Schwung sich durch Tugenden biß an der Sternen Chor. Und wie die Lilg ihr Haupt stets nach der Erde lencket Damit sie uns ein Bild der Demuth stellet für/ So war ihr frommer Geist in Hoffart nicht versencket/ Sie wuste/ daß wir frembd/ und keine Bleibung hier. Das uns manch trüber Tag in Staub und Aschen leget/ Daß nicht die Sonne stets mit gleichen Blicken scheint. Und uns des Glückes Hand nicht güldne Müntze präget/ Daß/ der im Morgen lacht/ offt auff den Abend weint. Ob gleich die Lilie mit Dornen wird versetzet/ So geht ihr Silber Glantz/ und der Geruch nicht ein; Ob schon die seelige viel Trübsal offt verletzet/ Hat die Beständigkeit doch Meister müssen seyn/ Und sie dem Golde gleich in aller Noth bewehren Daß sie der Kranckheit Sturm großmüthigüberstand/ Und
Leichen-Gedichte. Zu einem Tugend-Bild auff Erden auserkohren/Zu einer Augen-Luſt dem Liebſten zugeſand. Und jetzt ob es wol ſcheint/ daß ſie von uns gewichen Jn jenem Paradiß ein unverwelckte Blum/ So mehr den Milch-Weg kroͤnt/ als was der Mund der Grichen/ Der irrdſchen Lilien vermeldet hat zum Ruhm: Die werden hochgeſchaͤtzt von angenehmen Hauchen Und kraͤfftigem Geruch/ der jederman beliebt/ Daß ihre Blaͤtter vor die Schlangen-Stich zu brauchen/ Und daß ihr lindes Oel den Wunden Artzney gibt: Der gute Tugend-Ruch von der erblaſten Frauen/ Jhr herrliches Geruͤcht ergetzet noch die Stadt/ Und laͤſt die Reinligkeit des Lebens Wandel ſchauen/ Der warlich Lilgen rein/ und keine Flecken hat. Ja ihre Froͤmmigkeit kan auch den Neid bezwingen/ Daß nicht ſein gifftig Zahn des Ruhmes Blat benagt/ Wenn ſie ſo muͤhſam war dem Armen Troſt zu bringen Und huͤlffreich ſich erwieß/ wenn er die Noth geklagt. Kein Pomerantzen Oel/ noch der Jeßminen Tropffen Die gleichen ſich dem Ruhm der Grufft und Bahre ziert. Wie iſt/ Hochwerther/ nun der Thraͤnen Quell zuſtopffen Zu heilen dieſer Schlag/ der gar die Seel beruͤhrt? Jn Chloris Blumen-Reich und luſtigen Gefildern Kommt keine Blume ſo/ als wie die Lilg’/ empor: Sie auch die ſeelige der Kern von Weibes-Bildern Schwung ſich durch Tugenden biß an der Sternen Chor. Und wie die Lilg ihr Haupt ſtets nach der Erde lencket Damit ſie uns ein Bild der Demuth ſtellet fuͤr/ So war ihr frommer Geiſt in Hoffart nicht verſencket/ Sie wuſte/ daß wir frembd/ und keine Bleibung hier. Das uns manch truͤber Tag in Staub und Aſchen leget/ Daß nicht die Sonne ſtets mit gleichen Blicken ſcheint. Und uns des Gluͤckes Hand nicht guͤldne Muͤntze praͤget/ Daß/ der im Morgen lacht/ offt auff den Abend weint. Ob gleich die Lilie mit Dornen wird verſetzet/ So geht ihr Silber Glantz/ und der Geruch nicht ein; Ob ſchon die ſeelige viel Truͤbſal offt verletzet/ Hat die Beſtaͤndigkeit doch Meiſter muͤſſen ſeyn/ Und ſie dem Golde gleich in aller Noth bewehren Daß ſie der Kranckheit Sturm großmuͤthiguͤberſtand/ Und
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Leichen-Gedichte.
Zu einem Tugend-Bild auff Erden auserkohren/
Zu einer Augen-Luſt dem Liebſten zugeſand.
Und jetzt ob es wol ſcheint/ daß ſie von uns gewichen
Jn jenem Paradiß ein unverwelckte Blum/
So mehr den Milch-Weg kroͤnt/ als was der Mund der Grichen/
Der irrdſchen Lilien vermeldet hat zum Ruhm:
Die werden hochgeſchaͤtzt von angenehmen Hauchen
Und kraͤfftigem Geruch/ der jederman beliebt/
Daß ihre Blaͤtter vor die Schlangen-Stich zu brauchen/
Und daß ihr lindes Oel den Wunden Artzney gibt:
Der gute Tugend-Ruch von der erblaſten Frauen/
Jhr herrliches Geruͤcht ergetzet noch die Stadt/
Und laͤſt die Reinligkeit des Lebens Wandel ſchauen/
Der warlich Lilgen rein/ und keine Flecken hat.
Ja ihre Froͤmmigkeit kan auch den Neid bezwingen/
Daß nicht ſein gifftig Zahn des Ruhmes Blat benagt/
Wenn ſie ſo muͤhſam war dem Armen Troſt zu bringen
Und huͤlffreich ſich erwieß/ wenn er die Noth geklagt.
Kein Pomerantzen Oel/ noch der Jeßminen Tropffen
Die gleichen ſich dem Ruhm der Grufft und Bahre ziert.
Wie iſt/ Hochwerther/ nun der Thraͤnen Quell zuſtopffen
Zu heilen dieſer Schlag/ der gar die Seel beruͤhrt?
Jn Chloris Blumen-Reich und luſtigen Gefildern
Kommt keine Blume ſo/ als wie die Lilg’/ empor:
Sie auch die ſeelige der Kern von Weibes-Bildern
Schwung ſich durch Tugenden biß an der Sternen Chor.
Und wie die Lilg ihr Haupt ſtets nach der Erde lencket
Damit ſie uns ein Bild der Demuth ſtellet fuͤr/
So war ihr frommer Geiſt in Hoffart nicht verſencket/
Sie wuſte/ daß wir frembd/ und keine Bleibung hier.
Das uns manch truͤber Tag in Staub und Aſchen leget/
Daß nicht die Sonne ſtets mit gleichen Blicken ſcheint.
Und uns des Gluͤckes Hand nicht guͤldne Muͤntze praͤget/
Daß/ der im Morgen lacht/ offt auff den Abend weint.
Ob gleich die Lilie mit Dornen wird verſetzet/
So geht ihr Silber Glantz/ und der Geruch nicht ein;
Ob ſchon die ſeelige viel Truͤbſal offt verletzet/
Hat die Beſtaͤndigkeit doch Meiſter muͤſſen ſeyn/
Und ſie dem Golde gleich in aller Noth bewehren
Daß ſie der Kranckheit Sturm großmuͤthiguͤberſtand/
Und
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