Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Abend deß Menschlichen Lebens/ BEy angetretner Nacht und finstren Abends-SchatFr. H. M. R. g. v. R. den 26. Novembr. 1668. ten/ Da gleich der Sonnen-Rad durch Schütz' und Stein- Bock geht/ Soll ich den letzten Dienst der edlen Leich abstatten/ Die Ehr- und Lebens-satt auf ihrer Bahre steht. Unwiderruflich ists/ daß sie die Nacht erreichet/ Die ein Verruchter fleucht/ ein Frommer aber hofft. Ja weil deß Lebens-Baum nur einem Tage gleichet/ Kömmt sie bey Demmerung deß Alters zu der Grufft. Ach freylich ist ein Tag des gantzen Lebens-Länge! Wie sich der Morgen-Schein mit Dampff und Nebel weist/ So sind wir auch befleckt durch vieler Sünden-Menge/ Die bald nach der Geburt mit Erb-Schuld drückt den Geist. Und wie der Sonnen-Liecht uns zu der Arbeit fodert/ So mahnt die Tugend auch die Früh-Jahr ernstlich an/ Daß nicht in Müssiggang die erste Zeit verlodert/ Wer hier nicht wachsam ist fehlt künfftig Ziel und Bahn. Wenn nun des Himmels Hertz' und Auge höher kommen/ Stellt uns die schönste Pracht der Mittags-Circel dar. So auch wenn jetzt der Mensch in Jahren zugenommen/ Nimmt man der Ehre Glantz und Strahlen an ihm wahr. Den ziert ein wichtig Ampt/ den des Geluckes-Blicke/ Der steht bey Kronen wol/ ein ander auf der See/ Doch wie den Mittag trübt der Wolcken schwartze Tücke/ So stürtzt die Grossen auch ein unverhofftes Weh. Und wenn man nun gedenckt des Liechtes zu geniessen/ Ach wie bald eilet nicht die Sonne Himmel ab! Da sehn wir Liecht und Tag die Finsternüß beschliessen/ Und unser gantzes Thun verfällt in Sarg und Grab. Des Lebens Abend hat uns heimlich überschlichen/ Die Herbrig in der Welt ist voller Mord und Tod/ Gespenster werden uns im Finstern überkriechen/ Wo suchen wir nun Trost und Rettung als bey GOtt. Noch
Leichen-Gedichte. Abend deß Menſchlichen Lebens/ BEy angetretner Nacht und finſtren Abends-SchatFr. H. M. R. g. v. R. den 26. Novembr. 1668. ten/ Da gleich der Sonnen-Rad durch Schuͤtz’ und Stein- Bock geht/ Soll ich den letzten Dienſt der edlen Leich abſtatten/ Die Ehr- und Lebens-ſatt auf ihrer Bahre ſteht. Unwiderruflich iſts/ daß ſie die Nacht erreichet/ Die ein Verruchter fleucht/ ein Frommer aber hofft. Ja weil deß Lebens-Baum nur einem Tage gleichet/ Koͤmmt ſie bey Demmerung deß Alters zu der Grufft. Ach freylich iſt ein Tag des gantzen Lebens-Laͤnge! Wie ſich der Morgen-Schein mit Dampff und Nebel weiſt/ So ſind wir auch befleckt durch vieler Suͤnden-Menge/ Die bald nach der Geburt mit Erb-Schuld druͤckt den Geiſt. Und wie der Sonnen-Liecht uns zu der Arbeit fodert/ So mahnt die Tugend auch die Fruͤh-Jahr ernſtlich an/ Daß nicht in Muͤſſiggang die erſte Zeit verlodert/ Wer hier nicht wachſam iſt fehlt kuͤnfftig Ziel und Bahn. Wenn nun des Himmels Hertz’ und Auge hoͤher kommen/ Stellt uns die ſchoͤnſte Pracht der Mittags-Circel dar. So auch wenn jetzt der Menſch in Jahren zugenommen/ Nimmt man der Ehre Glantz und Strahlen an ihm wahr. Den ziert ein wichtig Ampt/ den des Geluckes-Blicke/ Der ſteht bey Kronen wol/ ein ander auf der See/ Doch wie den Mittag truͤbt der Wolcken ſchwartze Tuͤcke/ So ſtuͤrtzt die Groſſen auch ein unverhofftes Weh. Und wenn man nun gedenckt des Liechtes zu genieſſen/ Ach wie bald eilet nicht die Sonne Himmel ab! Da ſehn wir Liecht und Tag die Finſternuͤß beſchlieſſen/ Und unſer gantzes Thun verfaͤllt in Sarg und Grab. Des Lebens Abend hat uns heimlich uͤberſchlichen/ Die Herbrig in der Welt iſt voller Mord und Tod/ Geſpenſter werden uns im Finſtern uͤberkriechen/ Wo ſuchen wir nun Troſt und Rettung als bey GOtt. Noch
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0292" n="60"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#c">Abend deß Menſchlichen Lebens/<lb/><hi rendition="#fr">Fr. H. M. R. g. v. R. den 26. Novembr.</hi> 1668.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">B</hi>Ey angetretner Nacht und finſtren Abends-Schat<lb/><hi rendition="#et">ten/</hi></l><lb/> <l>Da gleich der Sonnen-Rad durch Schuͤtz’ und Stein-<lb/><hi rendition="#et">Bock geht/</hi></l><lb/> <l>Soll ich den letzten Dienſt der edlen Leich abſtatten/</l><lb/> <l>Die Ehr- und Lebens-ſatt auf ihrer Bahre ſteht.</l><lb/> <l>Unwiderruflich iſts/ daß ſie die Nacht erreichet/</l><lb/> <l>Die ein Verruchter fleucht/ ein Frommer aber hofft.</l><lb/> <l>Ja weil deß Lebens-Baum nur einem Tage gleichet/</l><lb/> <l>Koͤmmt ſie bey Demmerung deß Alters zu der Grufft.</l><lb/> <l>Ach freylich iſt ein Tag des gantzen Lebens-Laͤnge!</l><lb/> <l>Wie ſich der Morgen-Schein mit Dampff und Nebel<lb/><hi rendition="#et">weiſt/</hi></l><lb/> <l>So ſind wir auch befleckt durch vieler Suͤnden-Menge/</l><lb/> <l>Die bald nach der Geburt mit Erb-Schuld druͤckt den<lb/><hi rendition="#et">Geiſt.</hi></l><lb/> <l>Und wie der Sonnen-Liecht uns zu der Arbeit fodert/</l><lb/> <l>So mahnt die Tugend auch die Fruͤh-Jahr ernſtlich an/</l><lb/> <l>Daß nicht in Muͤſſiggang die erſte Zeit verlodert/</l><lb/> <l>Wer hier nicht wachſam iſt fehlt kuͤnfftig Ziel und Bahn.</l><lb/> <l>Wenn nun des Himmels Hertz’ und Auge hoͤher kommen/</l><lb/> <l>Stellt uns die ſchoͤnſte Pracht der Mittags-Circel dar.</l><lb/> <l>So auch wenn jetzt der Menſch in Jahren zugenommen/</l><lb/> <l>Nimmt man der Ehre Glantz und Strahlen an ihm wahr.</l><lb/> <l>Den ziert ein wichtig Ampt/ den des Geluckes-Blicke/</l><lb/> <l>Der ſteht bey Kronen wol/ ein ander auf der See/</l><lb/> <l>Doch wie den Mittag truͤbt der Wolcken ſchwartze Tuͤcke/</l><lb/> <l>So ſtuͤrtzt die Groſſen auch ein unverhofftes Weh.</l><lb/> <l>Und wenn man nun gedenckt des Liechtes zu genieſſen/</l><lb/> <l>Ach wie bald eilet nicht die Sonne Himmel ab!</l><lb/> <l>Da ſehn wir Liecht und Tag die Finſternuͤß beſchlieſſen/</l><lb/> <l>Und unſer gantzes Thun verfaͤllt in Sarg und Grab.</l><lb/> <l>Des Lebens Abend hat uns heimlich uͤberſchlichen/</l><lb/> <l>Die Herbrig in der Welt iſt voller Mord und Tod/</l><lb/> <l><hi rendition="#fr">G</hi>eſpenſter werden uns im Finſtern uͤberkriechen/</l><lb/> <l>Wo ſuchen wir nun Troſt und Rettung als bey <hi rendition="#fr">GOtt.</hi></l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Noch</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [60/0292]
Leichen-Gedichte.
Abend deß Menſchlichen Lebens/
Fr. H. M. R. g. v. R. den 26. Novembr. 1668.
BEy angetretner Nacht und finſtren Abends-Schat
ten/
Da gleich der Sonnen-Rad durch Schuͤtz’ und Stein-
Bock geht/
Soll ich den letzten Dienſt der edlen Leich abſtatten/
Die Ehr- und Lebens-ſatt auf ihrer Bahre ſteht.
Unwiderruflich iſts/ daß ſie die Nacht erreichet/
Die ein Verruchter fleucht/ ein Frommer aber hofft.
Ja weil deß Lebens-Baum nur einem Tage gleichet/
Koͤmmt ſie bey Demmerung deß Alters zu der Grufft.
Ach freylich iſt ein Tag des gantzen Lebens-Laͤnge!
Wie ſich der Morgen-Schein mit Dampff und Nebel
weiſt/
So ſind wir auch befleckt durch vieler Suͤnden-Menge/
Die bald nach der Geburt mit Erb-Schuld druͤckt den
Geiſt.
Und wie der Sonnen-Liecht uns zu der Arbeit fodert/
So mahnt die Tugend auch die Fruͤh-Jahr ernſtlich an/
Daß nicht in Muͤſſiggang die erſte Zeit verlodert/
Wer hier nicht wachſam iſt fehlt kuͤnfftig Ziel und Bahn.
Wenn nun des Himmels Hertz’ und Auge hoͤher kommen/
Stellt uns die ſchoͤnſte Pracht der Mittags-Circel dar.
So auch wenn jetzt der Menſch in Jahren zugenommen/
Nimmt man der Ehre Glantz und Strahlen an ihm wahr.
Den ziert ein wichtig Ampt/ den des Geluckes-Blicke/
Der ſteht bey Kronen wol/ ein ander auf der See/
Doch wie den Mittag truͤbt der Wolcken ſchwartze Tuͤcke/
So ſtuͤrtzt die Groſſen auch ein unverhofftes Weh.
Und wenn man nun gedenckt des Liechtes zu genieſſen/
Ach wie bald eilet nicht die Sonne Himmel ab!
Da ſehn wir Liecht und Tag die Finſternuͤß beſchlieſſen/
Und unſer gantzes Thun verfaͤllt in Sarg und Grab.
Des Lebens Abend hat uns heimlich uͤberſchlichen/
Die Herbrig in der Welt iſt voller Mord und Tod/
Geſpenſter werden uns im Finſtern uͤberkriechen/
Wo ſuchen wir nun Troſt und Rettung als bey GOtt.
Noch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/292 |
Zitationshilfe: | Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/292>, abgerufen am 16.02.2025. |