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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Die Quellen Jsraels sind durch ihn hell geflossen/
Sein Finger hat mit Fleiß deß Lebens Brunn entdeckt/
Und ein verschmachtend Hertz mit diesem Thau begossen/
Dem Jesse Wurtzel gibt/ der nach dem Himmel schmeckt.
Der Moyses unsrer Zeit/ hat offt das Volck versöhnet/
Wenn GOttes rechte Rach und Eifer war entbrand/
Daß neues Glück und Heil die reuigen bekrönet/
Und die verdiente Straff in Gnade sich verwand.
Ach Hirte sonder Schlaf! ein nnablässig wachen/
Hat die vertrauten Schaf/ in Hürd' und Stall bewahrt/
Kein Miedling durffte sich meyneidig dazu machen/
Sie schlugen auch nicht umb und wichen von der Art.
Jch kan ihn wol mit Recht den Kirchen-Engel nennen/
Der seine Stimme gleich Posaunen hören ließ/
Wenn der erlauchte Geist in GOtt fieng an zu brennen/
Und die Gemeine scharff im Glauben unterwieß/
Erklärte diese Kunst/ die alle Wissenschafften
Und Weißheit übertrifft; wie man recht sterben soll/
Wies daß deß Menschen Leib nicht blieb im Grabe hafften/
Jns Himmels Wohnungen da sey ihm ewig wol.
Unsträfflich hat er selbst im Wort und Ambt gelebet/|
Verfluchet Schmeicheley/ die Priestern nicht geziemt/
Und hat behertzt der Schand und Sünde widerstrebet/
Die Reden waren nicht mit Falschheit überblümt.
Damit blieb unbefleckt das wertheste Gewissen/
Das aller Sterblichen unschätzbar Kleinod ist:
Ja der Begierden Sturm hat ihn nie hingerisfen/
Daß er was Laster war vor Tugend außerkiest.
Ob schon das Creutz im Ampt mit nichten aussen blieben/
Hat doch Beständigkeit die Sieges-Kron erlangt.
Der Kirchen Wolfahrt war ihm tieff ins Hertz geschrieben/
Deß Höchsten Ehre blieb sein Schmuck in dem er prangt.
Jch Unglückselige muß den Verlust betrauren/
Mein Beter ist dahin/ mein treuer Priester tod.
Nichts denn nur trübes Weh schallt in den hohen Mauren/
Und meine Burg bestürtzt die Jammer-reiche Noth.
Erweg ich sein Gelück so kan ich es nicht neiden/
Jch spreche/ wenn ich seh den edlen Wechsel an/
Er lebt nun franck und frey/ er lebt und schwebt in Freuden/
Die Seel' in solchem Glantz/ der Sterne trotzen kan.
Er
Leichen-Gedichte.
Die Quellen Jſraels ſind durch ihn hell gefloſſen/
Sein Finger hat mit Fleiß deß Lebens Brunn entdeckt/
Und ein verſchmachtend Hertz mit dieſem Thau begoſſen/
Dem Jeſſe Wurtzel gibt/ der nach dem Himmel ſchmeckt.
Der Moyſes unſrer Zeit/ hat offt das Volck verſoͤhnet/
Wenn GOttes rechte Rach und Eifer war entbrand/
Daß neues Gluͤck und Heil die reuigen bekroͤnet/
Und die verdiente Straff in Gnade ſich verwand.
Ach Hirte ſonder Schlaf! ein nnablaͤſſig wachen/
Hat die vertrauten Schaf/ in Huͤrd’ und Stall bewahrt/
Kein Miedling durffte ſich meyneidig dazu machen/
Sie ſchlugen auch nicht umb und wichen von der Art.
Jch kan ihn wol mit Recht den Kirchen-Engel nennen/
Der ſeine Stimme gleich Poſaunen hoͤren ließ/
Wenn der erlauchte Geiſt in GOtt fieng an zu brennen/
Und die Gemeine ſcharff im Glauben unterwieß/
Erklaͤrte dieſe Kunſt/ die alle Wiſſenſchafften
Und Weißheit uͤbertrifft; wie man recht ſterben ſoll/
Wies daß deß Menſchen Leib nicht blieb im Grabe hafften/
Jns Himmels Wohnungen da ſey ihm ewig wol.
Unſtraͤfflich hat er ſelbſt im Wort und Ambt gelebet/|
Verfluchet Schmeicheley/ die Prieſtern nicht geziemt/
Und hat behertzt der Schand und Suͤnde widerſtrebet/
Die Reden waren nicht mit Falſchheit uͤberbluͤmt.
Damit blieb unbefleckt das wertheſte Gewiſſen/
Das aller Sterblichen unſchaͤtzbar Kleinod iſt:
Ja der Begierden Sturm hat ihn nie hingeriſfen/
Daß er was Laſter war vor Tugend außerkieſt.
Ob ſchon das Creutz im Ampt mit nichten auſſen blieben/
Hat doch Beſtaͤndigkeit die Sieges-Kron erlangt.
Der Kirchen Wolfahrt war ihm tieff ins Hertz geſchrieben/
Deß Hoͤchſten Ehre blieb ſein Schmuck in dem er prangt.
Jch Ungluͤckſelige muß den Verluſt betrauren/
Mein Beter iſt dahin/ mein treuer Prieſter tod.
Nichts denn nur truͤbes Weh ſchallt in den hohen Mauren/
Und meine Burg beſtuͤrtzt die Jammer-reiche Noth.
Erweg ich ſein Geluͤck ſo kan ich es nicht neiden/
Jch ſpreche/ wenn ich ſeh den edlen Wechſel an/
Er lebt nun franck und frey/ er lebt und ſchwebt in Freuden/
Die Seel’ in ſolchem Glantz/ der Sterne trotzen kan.
Er
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[27/0259] Leichen-Gedichte. Die Quellen Jſraels ſind durch ihn hell gefloſſen/ Sein Finger hat mit Fleiß deß Lebens Brunn entdeckt/ Und ein verſchmachtend Hertz mit dieſem Thau begoſſen/ Dem Jeſſe Wurtzel gibt/ der nach dem Himmel ſchmeckt. Der Moyſes unſrer Zeit/ hat offt das Volck verſoͤhnet/ Wenn GOttes rechte Rach und Eifer war entbrand/ Daß neues Gluͤck und Heil die reuigen bekroͤnet/ Und die verdiente Straff in Gnade ſich verwand. Ach Hirte ſonder Schlaf! ein nnablaͤſſig wachen/ Hat die vertrauten Schaf/ in Huͤrd’ und Stall bewahrt/ Kein Miedling durffte ſich meyneidig dazu machen/ Sie ſchlugen auch nicht umb und wichen von der Art. Jch kan ihn wol mit Recht den Kirchen-Engel nennen/ Der ſeine Stimme gleich Poſaunen hoͤren ließ/ Wenn der erlauchte Geiſt in GOtt fieng an zu brennen/ Und die Gemeine ſcharff im Glauben unterwieß/ Erklaͤrte dieſe Kunſt/ die alle Wiſſenſchafften Und Weißheit uͤbertrifft; wie man recht ſterben ſoll/ Wies daß deß Menſchen Leib nicht blieb im Grabe hafften/ Jns Himmels Wohnungen da ſey ihm ewig wol. Unſtraͤfflich hat er ſelbſt im Wort und Ambt gelebet/| Verfluchet Schmeicheley/ die Prieſtern nicht geziemt/ Und hat behertzt der Schand und Suͤnde widerſtrebet/ Die Reden waren nicht mit Falſchheit uͤberbluͤmt. Damit blieb unbefleckt das wertheſte Gewiſſen/ Das aller Sterblichen unſchaͤtzbar Kleinod iſt: Ja der Begierden Sturm hat ihn nie hingeriſfen/ Daß er was Laſter war vor Tugend außerkieſt. Ob ſchon das Creutz im Ampt mit nichten auſſen blieben/ Hat doch Beſtaͤndigkeit die Sieges-Kron erlangt. Der Kirchen Wolfahrt war ihm tieff ins Hertz geſchrieben/ Deß Hoͤchſten Ehre blieb ſein Schmuck in dem er prangt. Jch Ungluͤckſelige muß den Verluſt betrauren/ Mein Beter iſt dahin/ mein treuer Prieſter tod. Nichts denn nur truͤbes Weh ſchallt in den hohen Mauren/ Und meine Burg beſtuͤrtzt die Jammer-reiche Noth. Erweg ich ſein Geluͤck ſo kan ich es nicht neiden/ Jch ſpreche/ wenn ich ſeh den edlen Wechſel an/ Er lebt nun franck und frey/ er lebt und ſchwebt in Freuden/ Die Seel’ in ſolchem Glantz/ der Sterne trotzen kan. Er

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/259>, abgerufen am 22.11.2024.