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Mügge, Theodor: Am Malanger Fjord. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–176. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sich zu erblicken, wie er ihn gesehen hatte, das Haupt tief auf sein unförmiges Instrument geneigt, sein schwarzes Haar darüber ausgeschüttet und Mondlicht blaß darüber rieselnd. -- Mit glühenden Augen sprang er auf, sein großer Körper zitterte. Er blickte nach allen Seiten hin und sah nichts, als das verglimmende Licht der kleinen Lampe in der Ecke. Aber der Ton war noch in seinen Ohren, als umschwebe er ihn, wie der Geist eines Erschlagenen, der mit seinen Seufzern den Mörder aufweckt und verfolgt. Er wußte nicht, woher er kam; er hörte ihn, ohne recht zu wissen, ob es Wahrheit oder erregte Einbildung sei. Mit Heftigkeit stieß er den Laden auf und öffnete das Fenster. Alles war dunkel und still; der kalte Wind schüttelte die schwarzen Bäume, die Wellen des Fjord rauschten, phosphorisches Leuchten zuckte darüber hin. Die düsteren Schatten des Gebirgs und schweres Gewölk schmolzen zusammen zu einer nächtigen, undurchdringlichen Masse. -- Schaudernd zog Stureson den Kopf zurück, seine große Uhr schlug Eins.

VII.

Am nächsten Morgen begann der Markt, und vom ersten Tagesscheine an scholl der Lärm vieler hundert Menschen von allen Seiten her. Früh war auch Jeder im Hause erwacht; wer darin eine Ruhestätte

sich zu erblicken, wie er ihn gesehen hatte, das Haupt tief auf sein unförmiges Instrument geneigt, sein schwarzes Haar darüber ausgeschüttet und Mondlicht blaß darüber rieselnd. — Mit glühenden Augen sprang er auf, sein großer Körper zitterte. Er blickte nach allen Seiten hin und sah nichts, als das verglimmende Licht der kleinen Lampe in der Ecke. Aber der Ton war noch in seinen Ohren, als umschwebe er ihn, wie der Geist eines Erschlagenen, der mit seinen Seufzern den Mörder aufweckt und verfolgt. Er wußte nicht, woher er kam; er hörte ihn, ohne recht zu wissen, ob es Wahrheit oder erregte Einbildung sei. Mit Heftigkeit stieß er den Laden auf und öffnete das Fenster. Alles war dunkel und still; der kalte Wind schüttelte die schwarzen Bäume, die Wellen des Fjord rauschten, phosphorisches Leuchten zuckte darüber hin. Die düsteren Schatten des Gebirgs und schweres Gewölk schmolzen zusammen zu einer nächtigen, undurchdringlichen Masse. — Schaudernd zog Stureson den Kopf zurück, seine große Uhr schlug Eins.

VII.

Am nächsten Morgen begann der Markt, und vom ersten Tagesscheine an scholl der Lärm vieler hundert Menschen von allen Seiten her. Früh war auch Jeder im Hause erwacht; wer darin eine Ruhestätte

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[0156] sich zu erblicken, wie er ihn gesehen hatte, das Haupt tief auf sein unförmiges Instrument geneigt, sein schwarzes Haar darüber ausgeschüttet und Mondlicht blaß darüber rieselnd. — Mit glühenden Augen sprang er auf, sein großer Körper zitterte. Er blickte nach allen Seiten hin und sah nichts, als das verglimmende Licht der kleinen Lampe in der Ecke. Aber der Ton war noch in seinen Ohren, als umschwebe er ihn, wie der Geist eines Erschlagenen, der mit seinen Seufzern den Mörder aufweckt und verfolgt. Er wußte nicht, woher er kam; er hörte ihn, ohne recht zu wissen, ob es Wahrheit oder erregte Einbildung sei. Mit Heftigkeit stieß er den Laden auf und öffnete das Fenster. Alles war dunkel und still; der kalte Wind schüttelte die schwarzen Bäume, die Wellen des Fjord rauschten, phosphorisches Leuchten zuckte darüber hin. Die düsteren Schatten des Gebirgs und schweres Gewölk schmolzen zusammen zu einer nächtigen, undurchdringlichen Masse. — Schaudernd zog Stureson den Kopf zurück, seine große Uhr schlug Eins. VII. Am nächsten Morgen begann der Markt, und vom ersten Tagesscheine an scholl der Lärm vieler hundert Menschen von allen Seiten her. Früh war auch Jeder im Hause erwacht; wer darin eine Ruhestätte

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:04:01Z)

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Zitationshilfe: Mügge, Theodor: Am Malanger Fjord. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–176. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muegge_fjord_1910/156>, abgerufen am 27.11.2024.